ich möchte mal zwei unterschiedliche medienplattformen zu wort kommen lassen, die zweivollkommen unterschiedliche meinungen zu ein und dem selben thema haben, sehr interessantin bezug auf verunglimpfung durch die medien:
Israel-Lobby in denUSA
Rudolf Maresch 19.08.2006
Der amerikanisch-israelische Komplex – Teil2
Die Politik der einseitigen Schritte, die Israel in Gaza, im Westjordanland und imLibanon unternimmt, verstört zunehmend Freunde, Partner und enge Verbündete. Der Willezur uneingeschränkten Solidarität mit dem Mittelmeerstaat schwindet. Zusehends. Nicht nurin Europa, wo höchstens noch das politisch offizielle Deutschland das Land ausbegreiflichen historischen Gründen bedingungslos unterstützt und jede Verurteilung durchdie EU blockiert. Sondern auch in den USA, wo jüngst die "special relationship" mit demjüdischen Staat infrage gestellt wird und eine Kontroverse über Kosten und Nutzen ihresEngagements entbrannt ist.
(...)
Juden und Nicht-Juden
"LoserVerbund" meint in diesem Fall, dass die "Israel Lobby" keine einheitliche Bewegungdarstellt. Weder wird sie von einem zentralen Kopf geführt noch ist sie "konspirativ"oder als leninistischer "Kader" tätig. Genau genommen handelt es sich um ein Bottom-UpUnternehmen, das aus mehreren Dutzend jüdischen Organisationen besteht und versucht,nachhaltigen Einfluss auf politische Entscheidungen von Senat, Kongress und Regierung zunehmen. Dabei operiert sie nicht anders als andere Pressure Groups auch. Sie sucht die"Vorzimmer der Macht" und nutzt dabei jenen Vorraum oder "Korridor", den die "arcanaimperii" des modernen Staates allen Gruppen zum Antichambrieren bieten.
Darüberhinaus vertritt die "Israel-Lobby" nicht unbedingt die Interessen aller jüdischenAmerikaner. Auch stimmen nicht alle Mitglieder uneingeschränkt mit ihrer Agenda überein.Andere pro-israelische Gruppen, wie [extern] Peace Now, sind zahlenmäßig vielleichtgrößer, aber längst nicht so einflussreich wie beispielsweise AIPAC. Dafür kann die"Israel-Lobby" aber auf prominente Evangelisten zählen, religiöse Eiferer, die an diebiblische Prophezeiung der Wiedergeburt eines jüdischen Groß-Palästinasglauben.
Folgt man einer Fußnote in Gilles Kepels und Jean-Pierre Milellis Buch:"Al Qaida. Texte des Terrors", dann glauben etwa 50 Millionen Gläubige (so vieleGlaubensbrüder vertreten die protestantischen Kirchen in den USA), dass die Gründungeines Judenstaates auf dem Boden Palästinas notwendige Voraussetzung für die Wiederkehrdes Messias ist. Stellt man in Rechnung, dass sich auch George W. Bush zu denevangelikalen Christen zählt, dann kann man sich ausmalen, welchen Einfluss christlicheFundamentalisten auf die derzeitige Führung besitzen.
Neocons mischenmit
Zur "Israel-Lobby" gehören aber auch "neokonservative" Missionare, RichardPerle, Douglas Feith und Paul Wolfowitz etwa, aber auch Publizisten wie John Will undCharles Krauthammer, der derzeitige UN-Botschafter John Bolton oder die ehemaligeBotschafterin Jeane Kirkpatrick. Im Prinzip haben wir es mit dem Who's who desderzeitigen US-Neokonservatismus zu tun. Ihr Einfluss auf die US-Außenpolitik, und da vorallem auf die Nahostpolitik von George W. Bush, ist unbestritten. Bekannt sind die vieldiskutierten "Wolfowitz-Papers" von 1991, die post Nine-Eleven Eingang in die"Bush-Doktrin" gefunden haben.
Weniger bekannt ist dagegen ein Strategiepapier,das Richard Perle, Douglas Feith und David Wurmser im Juni 1996 für den damaligenisraelischen Ministerpräsidenten Benjamin Nethanjahu verfasst haben. Darin fordern sieden Regierungschef auf, Saddam Hussein möglichst bald zu stürzen, den gesamten MittlerenOsten neu zu ordnen und das "neue Reich" mit einer klugen Bündnispolitik mit der Türkeiund Jordanien politisch zu stabilisieren und abzusichern ([extern] A Clean Break forSecuring the Realm). Die Parteinahme für die Belange Israels ist so groß undoffensichtlich, dass selbst ein Kolumnist der israelischen Zeitung "Ha'aretz" diePolitberater schon mal als Leute bezeichnet hat, die "sich hart an der Grenze zwischenihrer Loyalität zur US-Regierung und israelischen Interessen bewegen".
Undselbstverständlich kann die "Lobby" auch auf eine Vielzahl von Medien und Institutenzurückgreifen, die ihren Standpunkt in der Öffentlichkeit offensiv vertreten. Nebenpolitisch einflussreichen Magazinen wie dem [extern] Commentary, der [extern] NewRepublic und dem [extern] Weekly Standard zählen dazu auch Tageszeitungen wie das[extern] Wall Street Journal, die [extern] New York Sun oder die [extern] WashingtonTimes sowie renommierte "Denkfabriken" wie [extern] The Project for a New AmericanCentury, das [extern] American Enterprise Institute, das [extern] Brookings Institute unddie [extern] Heritage Foundation – im Prinzip alles mehr oder weniger Hoch- und/oderTrutzburgen der "neokonservativen Bewegung".
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23361/1.htmlHARVARD-SCHNAPPSCHUSS
Antisemitismus-Verdacht im Elfenbeinturm
Von Gregor Peter Schmitz
Derrenommierte Professor Stephen Walt hat einen Artikel veröffentlicht, der die Uni Harvardaufwühlt und passagenweise klingt wie frisch aus dem Antisemiten-Chatroom. Schuld anTerrorgefahr und Irakkrieg sei die mächtige "Israel-Lobby" in den USA, behaupteter.
David Gergen hat schon so manche Krise erlebt. Als PR-Berater von vierUS-Präsidenten musste der Harvard-Professor die Vergesslichkeiten eines Ronald Reaganbemänteln oder die Frauengeschichten eines Bill Clintons tapfer weglächeln. Aber selbstder sturmerprobte Gergen wirkt aufgewühlt, wenn er von den vielen Telefonaten dervergangenen Tage erzählt: "Spender und Ehemalige der Uni rufen dauernd an", berichtetGergen. "Sie fragen immer dasselbe: Was ist nur los da in Harvard?"
Uni Harvard:Große Aufregung über einen Israel-Artikel
Auslöser von Gergens hektischerTelefonseelsorge ist ein 83 Seiten langes Papier, das vor zwei Wochen auf der Website vonHarvards Kennedy School of Government erschien. Einer der beiden Autoren ist StephenWalt, Professor an der Kennedy School und einer der renommiertesten Außenpolitik-Forscherder USA. Gemeinsam mit seinem nicht minder bekannten Kollegen John Mearsheimer von derUniversity of Chicago hat er sich eines Themas angenommen, das per se Brisanz garantiert- die angebliche Manipulation amerikanischer Außenpolitik durch pro-israelischeInteressengruppen. Zudem setzten Walt und Mearsheimer über ihre Analyse einen Titel, wieer aus Antisemiten-Chatrooms vertraut klingt: "The Israel Lobby and US Foreign Policy"("Die Israel-Lobby und die US-Außenpolitik").
Die zentralen Thesen des Papierssind kaum weniger zugespitzt: Den beiden Professoren zufolge hat eine kleine, aberungeheuer einflussreiche Gruppe radikaler amerikanischer Israelfreunde die Außenpolitikder USA "gekidnappt". Zu dieser Lobby gehörten wortgewaltige Individuen wie derHarvardjurist Alan Dershowitz oder der prominenteste Neokonservative Paul Wolfowitz - undmächtige Institutionen auf der Linken und der Rechten, von der liberalen DenkfabrikBrookings Institute und der "New York Times" bis zum konservativen "Wall StreetJournal".
Leitungsposten weg, Professur in Gefahr
"Keine andere Lobbygruppe hates geschafft, amerikanische Außenpolitik so weit weg von ihren Interessen zu lotsen",zürnen die Autoren. Die enge Bindung der USA an Israel sei nämlich zum großen Teilverantwortlich für die aktuelle Terrorgefahr - und habe die Vereinigten Staaten in denIrakkrieg getrieben.
Das Papier detonierte wie eine Bombe. Robert Belfer,israelfreundlicher Geschäftsmann und großzügiger Harvard-Spender, forderte Walt auf,nicht unter dem Namen seiner Professur zu agieren - denn Belfer bezahlt die Professur.Alan Dershowitz nannte die beiden Forscher "Lügner" und "Fanatiker". Und warf ihnen garvor, ganze Passagen von rechtsradikalen Websites übernommen zu haben.
Auch unterweniger persönlich betroffenen Harvardprofessoren machte sich rasch Unbehagen breit, dasssolche Thesen unter dem offiziellen Uni-Logo erschienen. Nach einem Bericht der "New YorkSun" wird in der Fakultät der Kennedy School gar eine offizielle Untersuchung derwissenschaftlichen Genauigkeit des working paper erwogen. Solche Exegesen haben in derVergangenheit in Extremfällen schon zur Aberkennung einer Professur geführt. Alsakademischer Direktor soll Stephen Walt im Sommer abtreten, hieß es nun von der Leitungder Kennedy School.
Dabei bestreitet kaum jemand an der Hochschule, dass diemassive finanzielle, diplomatische und militärische Hilfe der Amerikaner für Israel seitden sechziger Jahren sowie die starke Lobbystellung pro-israelischer Organisationen wiedes American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) spannende Forschungssujets sind. Esgeht vielmehr um die Frage, wie man bei einem so aufgeladenen Thema methodisch vorgeht.Walt und Mearsheimer stützen ihre wenig subtilen Vorwürfe fast durchweg aufSekundärquellen - oft Zeitungsartikel, die teils eher schlampig übers Internetzusammengestellt scheinen. Auf den ersten Blick unterscheidet sich ihr Papier gar nichtso sehr von früheren Polemiken ähnlichen Inhalts, die einschlägige links- undrechtsradikale Kreise seit Jahren ins Netz stellen.
Kollektives Kopfschütteln imElfenbeinturm
Und so etwas von Stephen Walt und John Mearsheimer? In ihrer bisherigenArbeit haben beide sich einen Namen als unbestechliche Analysten gemacht, dieaußenpolitisches Handeln nüchtern auf amerikanische Interessen abklopfen. IhreForschungswerke sind bekannt für umfangreiche Fußnotenapparate und sorgfältigsteRecherche (Walts jüngstes Buch "Taming American Power" wurde von der Kritik gerade alswegweisendes Werk zur US-Außenpolitik gefeiert). Dass ausgerechnet solche Wissenschaftlersich zu einer so angreifbaren Studie hinreißen lassen, sorgt für kollektivesKopfschütteln im Elfenbeinturm von Cambridge - dies auch, weil an US-Hochschulen, geradein Harvard, die Debatte um Nahost und angeblichen neuen Antisemitismus in der jüngerenVergangenheit immer wieder für Schlagzeilen sorgte.
Harvards Kennedy School hatmittlerweile sein Logo auf dem Artikel entfernen lassen und klargestellt, dass es sichhierbei um die Privatmeinung der Professoren handele. Die verteidigen die Publikationunter Hochschul-Wappen trotzig als einzigen Ausweg. In Amerika traue sich ja kein Verlagoder Magazin, solche Kritik abzudrucken.
Doch wenn das Duo einfach nur eine wildeDebatte entfachen wollte, scheint es gescheitert. Krisenmanager David Gergen hat sichdarauf zwar ein wenig eingelassen, indem er in einem eigenen Artikel einigePauschalisierungen des "Israel Lobby"-Papiers scharf angriff - etwa das Ausblendenanderer Lobbygruppen, das Mosaik an Gründen für die Irak-Intervention, die strategischeBedeutung von Israel für Amerika, die keineswegs eindeutige Haltung amerikanischer Judenzu Israel. Indes berichten viele führenden amerikanischen Zeitungen und Fernsehsenderbislang nicht ausführlich über die kontroverse Publikation - um sie nicht weiteraufzuwerten.
Das wiederum könnte die Forscher in ihren Verschwörungstheorien nochbestätigen. Walt und Mearsheimer geben seit Erscheinen des Artikels keine Interviewsmehr. Doch aus der Woche davor sind von ihnen Prophezeiungen überliefert: "Es ist klar,dass die Lobby zurückschlagen wird", raunten sie da düster.
http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,408708,00.html