Moin bzw Mahlzeit,
kleinundgrün:
Wobei Du aus meiner Sicht ein paar Unterstellungen zu vorschnell fällst:
Ich weiß nicht, ob die Unterstellung "In London der damaligen Zeit hatten viele die Kompetenz, einen Körper auf diese Weise zu verstümmeln" zu halten ist. Gerade arme (Stadt)Menschen haben eher nicht die Gelegenheit, an komplette Tiere zu gelangen und selber zu schlachten. Fleisch war da eher Mangelware und wenn, dann waren es eher Fleischreste, als ganze Tiere.
Da hast Du einerseits natürlich recht.
Mich "ärgert" es nur, dass man immer noch so oft liest, JTR müsse ja ein Arzt gewesen sein, weil er sauber ein Organ entfernen konnte.
Denn das ist einfach mal falsch. Wenn man dies Organentnahme zu Grunde legt, muss man den Kreis der Verdächtigen eben allermindestens auf Schlachter und Jäger erweitern.
Selbstschlachten war bei diesen armen Stadtmenschen sicher schon eine Generation her, aber ich habe mehrfach gelesen, dass die "Ernährungstechniken" die Fähigkeit ein Tier auszunehmen dennoch begünstigt haben, denn London war ja nu auch leider kein Pflaster auf dem man losziehen und wilde Beeren und Co sammeln konnte.
Lag da eine tote Katze oder ein sterbender Hund oder etwas dergleichen in der Straße mussten zumindest die Bürger ganz unten "in der Nahrungskette" zugreifen.
Ebenso kam man an einen Fisch aus einem Fluss oft vermutlich leichter als an einen essbaren Apfel.
Aus eigener Erfahrung kann ich auch sagen, dass das korrekte Ausweiden nicht einmal halb so schwer ist, wie viele sich das vorstellen (nur der Vollständigkeit halber: ich bin kein angehender Serienkiller, sondern rede schlicht und ergreifend aus Erfahrungen meines ersten Studienjahres).
kleinundgrün:
Auch die These, den Verdacht durch den angewandten modus operandi auf einen anderen Tätertyp zu lenken, halte ich für gewagt. das würde zumindest voraus setzen, dass die Vorgänge wirklich öffentlich bekannt waren - und zwar bei einer Bevölkerung, die nicht gerade die Times las.
Das ist gar nicht notwendig.
Das mag vor der "Sex sells" Zeit gewesen sein, aber blutige Details verkauften sich dafür um so besser.
Um die zu erfahren musste man weder eine Zeitung kaufen noch überhaupt lesen können, denn 1. brüllten die Zeitungsverkäufer die Schlagzeilen, die man sich als Verkaufsanreiz versprach gar nicht so selten in Dauerschleife und
2. schnackte man ganz sicher untereinander über diese Morde (Tratsch ist ja nu nischt Neumodisches
;))
off-peak:
Ich denke auch, dass man diesen direkten Schluss nicht ziehen kann. Würde jeder Tierquäler Serienmörder werden, dann hätten wir eine Schwemme davon.
Und umgekehrt eben auch. Nicht jeder Serienkiller quält vorher Tiere. Ich erinnere mich an mindestens Einen der sogar explizit außer Stande war auch nur einer Fliege etwas zu tun oder beim Schlachten zuzusehen, der tatsächlich nur Menschen etwas antun konnte.
Da ist mir "Er hat das Meerschweinchen getötet, also wie die meisten Serienkiller vorab Tiere getötet." Doch von Seiten der Urheber (es war nicht nur eine Doku, die das so wiedergab) vor dem ganzen "Meerschweinchenhintergrund" doch etwas zu waschig.
Text
off-peak:
Irgendeines, ja. Aber die doch präzisen Entfernungen, vor allem in der Eile und in der nicht besonders hell erleuchteten Gegend, lassen auf jemanden schließen, der wusste, was er wie tat. Sprich; genau diese Organe wollte, und nicht nur irgendwelche, die ihm unterkamen, entnahm.
Aber es wurden doch bei fast jedem Mord andere Organe entnommen.
Ich glaub hier haben wir einfach unterschiedliche Vorstellungen (was keineswegs negativ gemeint ist, sonst wäre ne Diskussion ja auch wenig geistreich).
Serienkiller die ihre Opfer über das "notwendige" Maß (also was eben zum Bändigen, Töten und ggf Beseitigen der Leiche gehört) verstümmeln sind meist doch vergleichbar mit Zwangskranken.
Es mag vorkommen, dass sie sich "weiterentwickeln", ihr Verhalten ausweiten, als würden sie sich jedesmal ein bischen mehr trauen, ABER sie folgen dabei einem Muster oft sogar so nah am zwanghaften, dass sogar die Reihenfolge der gesetzten Schnitte gleichbleibend ist.
Bei dem Material und den (wenigen) Fotos sehe ich absolut kein Muster.
Die Manipulationen an den Leichen der Opfer sind völlig unterschiedlich.
Mal ist das Gesicht verstümmelt, dann wieder nicht, einmal fehlt die Niere, dann die Gebärmutter, bei einem anderen Opfer werden zahlreiche Organe im Raum verteilt, hier fehlt ein Herz und dort eine Niere, bei einem Opfer wird ein Teil des Darmkonvolutes über die Schulter arrangiert...
Wenn man annimmt, dass die schwer verletzte Mary Ann Nichols dazugehört, dann ist fällt sogar die durchschnittene Kehle als Gemeinsamkeit weg.
Und selbst die finde ich persönlich nicht sonderlich überzeugend.
Die Kehle zu durchschneiden ist beim Schlachten nicht unüblich und bei den Alternativen wie Erschlagen oder Erstechen sind die Möglichkeiten des Opfers sich zu wehren oder um Hilfe zu rufen deutlich größer als bei einem Angriff mittels Messer gegen den Hals.
Ich "bräuchte" ja keinen lehrbuchhaften Serienkiller, der ober präzise seine Sequenzen durchläuft und dabei immer die gleichen Socken trägt..
Aber bisher sind Serienkiller eigentlich immer dadurch aufgefallen, dass sie entweder bestimmten Mustern folgen, oder so stark bemüht sind bei jedem Mord ihr Vorgehen (und/oder Opferprofil) zu ändern, dass dies auch irgendwie ein Muster ergibt.
Bei den JTR-Morden sind mir die Taten einfach zu ähnlich für Letzteres und haben für Ersteres einfach nicht genug gemeinsam.
Der einzige Umstand unter dem ich mir diese Morde als Serie des gleichen Täters erklären könnte wäre der, dass dieser Täter aus äußerst persönlichen Motiven handelt und mit jedes seiner Opfer gut genug kannte um diesen Frauen aus Gründen die für ihn Sinn ergeben jeweils genau das anzutun, was er vollzogen hat (natürlich zuzüglich der Annahme, dass er ggf hier und da nicht "fertig" werden konnte, weil er gestört wurde).
Aber zum Einen kann ich keine derartige Verbindung zu den Opfern erkennen und zum Anderen war die Kriminaltechnik damals zwar so eingeschränkt, dass ich kaum von Kinderschuhen reden möchte, aber deswegen handelte es sich bei der Verfolgung solcher Mörder umso mehr um klassische Detektivarbeit.
Dabei wäre doch _irgendwem_ aufgefallen, wenn alle Opfer eine (konfliktbeladene) Beziehung zu ein und demselben Mann gehabt hätten.
Aber bei bei keinem der Männer, die in irgendwelchen Veröffentlichungen als "garantiert JTR" präsentiert wurden ist davon die Rede.
off-peak:
Vor allem die, untern den gegeben Umständen, durchaus bemerkenswerte Genauigkeit und Schnelligkeit, lassen einen Täter vermuten, der „geübt“ war und nicht nur wusste, wie es geht.
Dazu gehört mehr als nur mal gesehen zu haben, wie man schlachtet. Oder ein- oder zweimal geschlachtet zu haben. Oder gar, wie einige vermuten, ein Buch über Anatomie (noch dazu nur gezeichnet) gelesen zu haben.
Der muss praktisch und aktiv damit Schlachten zu tun gehabt haben, zumindest ist diese seine aktive Zeit nicht zu lang zurück gelegen.
Du hast natürlich völlig Recht, aus einem Buch kann man so was nicht lernen.
Aber ich z.B. bin nicht das hellste Licht am Kronleuchter und meine Fingerfertigkeit ist auch im unteren Durchschnittsbereich.
Dennoch hatte ich im Studium absolut keine Schwierigkeiten einen Tierkörper so zu zerlegen, wie der Prof. es vorgemacht hat und bei meinem ersten echten Eingriff, zeigte mir eine Tierärztin an einem toten Ratterich wie man bei einer Kastration vorgeht, ich übte dies an einem weiteren toten Tier und kastrierte danach meine erste lebende Ratte ohne das die beobachtende Tierärztin auch nur einmal eingreifen musste.
Wenn man einem bereits toten Menschen Organe entnimmt muss man ja nicht einmal darauf achten Ligaturen an den Blutgefäßen zu setzen und muss sich auch nicht um die Nerven herumarbeiten.
Wer einmal (wie damals oft schon als Kind) gezeigt bekommen hat wie man ein Kaninchen ausnimmt und sich dann ggf noch das eine oder andere Kleintier zum Üben organisiert hat dürfte mit den verübten Organentnahmen keinerlei Probleme gehabt haben. Zumal ich auch bisher keine Quelle gefunden habe, die eine Sorgfalt und Professionalität bestätigt, die über das Entfernen von (bei fast jedem Mord sogar unterschiedlicher) Organe hinaus geht.
Hast Du eine? denn natürlich habe ich bei Weitem nicht Alles gelesen was es über diesen Fall an Material gibt.
off-peak schrieb:Es gab an die vier tausend, somit ist es schwer, von nur einem Bekennerbrief zu sprechen.
Da habe ich mich unklar ausgedrückt. Ich wollte damit nur verdeutlichen, dass ein Bekennerbrief (und auch nicht mehrere) eben viele andere Erklärungen haben kann und einige davon mindestens ebenso plausibel sind wie die Annahme, der Verfasser sei auch der Täter.
off-peak
Aber im Grunde sehe ich es auch so. MEn sprechen eigentlich zwei Punkte gegen Nachahmungstäter:
1) Hätte so ein Täter wirklich exakt das Muster nachahmen müssen, und so
Was genau an diesen Morden erscheint Dir, denn wie ein "exaktes" Muster?
Wie ich weiter oben ausgeführt habe fehlt mir eben genau dieses Muster nahezu vollständig.
Für mich weisen all diese Morde weit mehr erhebliche Unterschiede zueinander auf als Gemeinsamkeiten.
"Schneide einer Prostituierten die Kehle durch und entferne irgendein Organ." ist in meinen Augen einfach kein Muster und schon gar kein Exaktes. Zumal ja sogar der Verbleib der Organe völlig unterschiedlich war (manche fehlten/wurden mitgenommen, andere im Raum verteilt oder auf der Leiche arrangiert).
off-peak
Des Zweiten Namen ist mir entfallen, aber der (irgendwo am Lande, nicht in London) verletzte im Streit seine Ex-Verlobte mit dem Messer am Hals. Als sie bewusstlos zu Boden ging, muss er sie wohl für tot gehalten haben, und verfiel spontan auf die Idee, seine Tat dem Ripper ihn die Schuhe zu schieben. Also fügte er seinem Opfer Schnitte am Bauch zu, natürlich nur irgendwelche, denn der Herr wusste, trotz Zeitungen, eben nicht genau, was der Ripper gemacht hatte.
Das Tragische an der Geschichte: die Halsverletzung war nicht tödlich für die arme Frau, sehr wohl aber die Bauchverletzungen, die die Schlagader trafen.
Diese Beispiele verdeutlichen, dass man als Ahnungsloser keinen Wissenden imitieren kann. Und da der Ripper niemals eine Bauchschlagader verletzte, darf man schon davon ausgehen, dass er wusste, wie sie zu vermeiden war und dass er das auch so wollte.
Das interpretiere ich anders:
Die "Bauchschlagader" also die Aorta abdominalis liegt praktisch direkt der Wirbelsäule an. Wenn man "nur am Bauch rumschneidet" um Organe zu entnehmen, dann ist es sogar ziemlich unwahrscheinlich sie zu erwischen.
Das passiert eher dann, wenn man bei einem persönlich motivierten Mord vor lauter Wut ein Messer bis zum Anschlag versenkt und/oder aufgrund der von Mord zu Mord völlig unterschiedlichen Vorgehen aufgrund der Zeitungsberichte denkt "viel hilft viel".
In dem Falle anzunehmen, dass es sich um einen Mord aus Leidenschaft und einen Täter als dem aller engsten Umfeld des Opfers handelt finde ich nun nicht wirklich bezeichnend.
Bei der Entfernung von Darmkonvolut, Gebärmutter, Niere usw kommt man also kaum bis gar nicht in die Nähe der Aorta.
Einige ihrer direkten oder indirekten Abzweigungen muss man jedoch durchtrennen, wenn man das Organ entnehmen will.
Die "Aortanächste" hierbei wäre in den JTR Fällen die Arteria renalis, unmittelbar von der Bauchaorta abgeht und die man natürlich durchtrennen muss, wenn man die Niere entnehmen will.
Da aber bei durchschnittener Kehle eh schnell viel Blut verloren geht und der Rest nach Todeseintritt sofort aufhört zu zirkulieren und recht flott gerinnt erkennt man diese großen Arterien zwar nach wie vor sehr gut aber selbst wenn man sie durchtrennt gibt dies keine große Sauerei.
Ist das Opfer noch nicht tot, dann ist das Durchtrennen der Arteria renalis und selbst das der A. uterina (beides ist zwingend erforderlich, wenn man entsprechende Organe rausnehmen möchte) ziemlich blutig.
off-peak
2) Man sollte bei solchen Taten nach dem beurteilen, was ein Täter mit dem Opfer anstellt, sobald er es unter Kontrolle hat. Also, was sein eigentlicher Kick ist. Und das vom modus operandi trennen. Letzterer zeigt nur, was ein Täter unternimmt, um sein Opfer unter Kontrolle zu bringen, um sich dann seinem eigentlichem Anliegen hingeben zu können.
Dennoch hängt der modus operandi auch von den Gegebenheiten ab. Kann sich ein Opfer noch zur Wehr setzen? Wird der Täter an der Durchführung der Tat gehindert? Versagt die bewährte Methode und es muss eine andere improvisiert werden?
Das eigentliche Motiv / Bedürfnis hingegen bleibt gleich und somit erkennbar.
Des Ripper´s Bedürfnis bestand ziemlich sicher in der Organentnahme. Möglicherweise auch schon auch schon im Zerstören des Körpers und eventuell in der Demonstration dieser Zerstörung. Vielleicht gehörte auch die Tötung zum Ritual, aber ebenso kann sie nur das Mittel zum Zweck gewesen sein. Dafür spricht, dass die Tötung als solche schnell und effektiv ablief.
Ich gebe Dir da in den meisten Punkten völlig Recht.
Nur ist es für mich eben eher unwahrscheinlich, dass ein Serientäter sich bei jedem Opfer einen anderen Kick holt indem er eines schwer verletzt ohne es vorher zu töten, einem Opfer zusätzlich das Gesicht verstümmelt und dann wieder nicht und sich dauernd andere Organe "aussucht" und dann auch noch mal den Kick im Mitnehmen dieser Organe findet um sie ein andermal am Tatort zurück zulassen.
Ich würde eher erwarten, dass solch ein Täter
1. immer tötet ehe er seinem eigentlichen Interesse, nämlich dem Entfernen der Organe nachgeht
2. entweder immer die gleichen Organe auf die gleiche Weise entnimmt oder sein Vorgehen schrittweise erweitert oder (ggf aus rein praktischen Gründen) ebenso schrittweise abändert, statt jedes mal völlig anders vorzugehen
3. entweder das Verlangen hat das Gesicht seines Opfers zu entstellen (vor allem weil dies weniger Zeit und Sorgfalt erfordert als die Organentnahme) oder eben nicht, dies einmal mittendrin zu tun und bei vorherigen und anschließenden Opfern darauf zu verzichten erscheint mir seltsam
4. eine feste Vorstellung davon hat ob er die entnommenen Organe mitnehmen, am Opfer arrangieren oder wild im Raum verteilen will und dies nicht permanent ändert
@off-peak
Ein Nachahmer aber hat durchaus andere Motive, und das lässt sich auch an seinen Tatort und Nachtathandlungen feststellen. Bury zB übertötete seine Frau (tat der Ripper nie) und verbrachte sie anschließend in eine große Kiste, dh, er versteckte sie (tat der Ripper auch nie).
Burys Tat war aber auch persönlich motiviert, deswegen unterschied sich nicht nur sein Vorgehen bei der Tötung sondern auch danach (rumliegen lassen "kann" man ja eigentlich nur Opfer zu denen man keine erkennbare Verbindung hat.
Wenn hingegen ein frustrierter oder unzufriedener Freier nachts eine Prostituierte tötet und sich denkt "Wenn ich sie verstümmele suchen sie weiter ihren Ripper und schnüffeln nicht so gründlich nach den letzten bekannten Freiern", dann würde das die erheblichen Abweichungen von Mord zu Mord für mich persönlich eben plausibler erklären als davon auszugehen, dass ein Serientäter bei jedem Mord wieder neu entscheiden was ihm nun seinen Kick gibt.
Wie gesagt, letztlich bleibt es aus den von kleinundgrün genannten Gründen:
kleinundgrün schrieb:Nach so langer Zeit und auf Basis einer eher wackeligen Faktenlage lässt sich so etwas kaum beantworten.
vermutlich eh dabei, dass jeder, der sich eine Lösung wünscht selbst seine Wahrheit suchen muss.
Es gibt durchaus einige "Historische Kriminalfälle" bei denen ich mir vorstellen kann, dass irgendwann doch noch zufriedenstellend geklärt wird, was eigentlich wirklich passiert ist.
Aber im JTR-Fall sehe ich dies als sehr unwahrscheinlich an.
lg Fraukie