Link: www.arte-tv.com (extern) (Archiv-Version vom 05.09.2005)hier habe ich ein Interview mit dem Regiesseur des Films
Gespräch mit William Karel
Regisseur des Films "Kubrick, Nixon und der Mann im Mond!"
arte:
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine nicht den Tatsachen entsprechende Dokumentation zu drehen, die mehr einer Komödie als Ihren bisherigen ernsten Filmen ähnelt?
Karel:
Ich hatte gerade einen Film über Hollywood gedreht, die überhaupt nicht den Tatsachen entsprach („Hollywood“, ausgestrahlt auf ARTE in der Reihe „Voyages, voyages“ – A.d.Ü.). Zusammen mit der Dokumentarfilmredaktion von ARTE France hatte ich daran gedacht, einmal einen „documenteur“ zu machen, um die Wortschöpfung von Agnès Varda zu gebrauchen (Wortspiel, bei dem das Wort „documentaire“ [dt. Dokumentation] durch die erzeugte Klangähnlichkeit mit dem Adjektiv „menteur“ [dt. lügenhaft] im Sinne des Fiktiven, frei Erfundenen verändert wird – A.d.Ü.). Damit wollten wir etwas Spielerischeres in das ansonsten sehr ernsthafte ARTE-Programm bringen; und es sollte unbedingt ein unterhaltsamer, komischer Film dabei herauskommen. Unser Grundgedanke war, dass man nicht alles glauben darf, was die Medien uns weismachen wollen, denn Zeugen kann man zur Falschaussage bringen, Archivmaterial türken und Beiträge durch falsche Untertitel oder Synchronisation völlig entstellen. Dies wollten wir anhand eines allgemein gültigen und zugleich historischen Themas nachweisen, das aber nicht heikel sein durfte, also nichts mit Mord oder Krieg zu tun haben sollte. Da kamen uns die Bilder von den ersten Schritten des Menschen auf dem Mond in den Sinn. Das Thema eignete sich gut für unser Anliegen: Um die Echtheit dieser Bilder wird seit dreißig Jahren gestritten. Den Anstoß gab Jean-Luc Godard mit seiner Äußerung in den Fernsehnachrichten von TF1: „Diese Life-Aufzeichnung ist eine Fälschung.“ Die Zweifler können Tatsachen ins Feld führen: Aldrin ist Alkoholiker geworden, Nixon war beim Start der Rakete nicht zugegen, und die Astronauten haben Zehntausende von Kilometern zurückgelegt, um nur drei Stunden auf dem Mond zu bleiben ... Ein ziemlich komisches Thema also ...
arte:
Wie sind Sie mit den Protagonisten Ihres Films verfahren? Wie haben Sie sie überzeugt, sich auf das Spiel einzulassen?
Karel:
Keiner hat sich auf das Spiel eingelassen! Die Idee war, den Sinn der Interviews zu entstellen, und wir haben keinen der Zeugen ins Vertrauen gezogen, weder die NASA-Leute und Aldrin, noch Kubricks Frau und deren Bruder. Es treten nur sieben Schauspieler auf, denen wir allerdings einen Text gaben; sie spielen einige Zeugen. (Die Bilder der Nixon-Berater stammen aus dem Film „Die Unbestechlichen“ [All the President’s Men]). Durch die Entstellung ihrer Aussagen reicht ein „falscher“ Zeuge, hier die Sekretärin von Nixon, um die Geschichte logisch und glaubwürdig zu machen. Den „wahren“ Zeugen sagten wir, dass wir einen Film über Kubrick drehen, über seinen Film, über den Mond oder über die NASA, und wir stellten ihnen ziemlich vage Fragen …
arte:
Ist Ihr Film – über die Stilübung hinaus – nicht auch ein Angriff auf die Medien, eine Infragestellung unseres Verhältnisses zum Bild?
Karel:
Ohne Bilder von der Mondlandung hätte es das Ereignis nicht gegeben! Außerdem beeinflusst das Kino die Nachrichten. So viele authentische historische Ereignisse wurden nachträglich kameragerecht festgehalten: das Hissen der amerikanischen Flagge am Gipfel des Suribachi Berges während der Schlacht auf der Insel Iwo Jima, die Einnahme des Reichstags, die Landung der Amerikaner in Somalia (zwei- oder dreimal aufgezeichnet!). Und während des Golfskriegs oder kürzlich in Afghanistan bekamen wir drei bis vier grüne Lichter, aber kein einziges echtes Bild zu sehen. Ich fand es interessant zu zeigen, welche Rolle das Bild oder das nicht vorhandene Bild bei der Konstituierung eines Ereignisses spielt.
arte:
Mit den Bildern von den Terroranschlägen am 11. September hat die Aktualität die Fiktion eingeholt. Was meinen Sie, wie Ihr Film in diesem Zusammenhang aufgenommen wird?
Karel:
Ich weiß es nicht. Wir haben den Film zum Spaß gedreht, zu unserem und möglichst auch zu dem des Fernsehzuschauers. Unser Produzent hatte ihn der BBC angeboten. Die fand ihn sehr gut, verstand ihn aber als Teil der „anti-amerikanischen Kampagne“, die ihrer Meinung nach von den französischen Dokumentarfilmern geführt wird. Es gefiel mir, die Gegenposition zu Rumsfelds gegenwärtigen ungeheuerlichen Reden einzunehmen. Aber mein Film sollte überhaupt nicht bösartig ausfallen, und ich wollte mich um keinen Preis auf die Seite der „Revisionisten“ schlagen: Wir sagen an keiner Stelle, Armstrong habe den Mond nicht betreten. Der Film stellt lediglich die Hypothese auf, dass sich die Vereinigten Staaten gewappnet haben, falls es keine Bilder von den ersten Schritten des Menschen auf dem Mond geben hätte. Wann beginnt der Zuschauer zu zweifeln? Wann wird er ins Vertrauen gezogen? Das ist nicht wirklich klar. Darum haben wir diese parodistische Stilblütensammlung ans Ende gesetzt, falls wirklich noch jemand daran glaubt.
Der einzige Tyrann, den ich in dieser Welt anerkenne, ist die leise innere Stimme.
Mahatma Gandhi (1869-1948)