Johannes Kepler Universität Linz
SOWI - Studienberechtigungslehrgang Soziologie
Sommersemester 2002
Referentin: Dr. Reli Mechtler
Markus Tumeltshammer
Matr.Nr.: 0157174
Linz, 12. Juni 2002
Esoterik und Rechtsextremismus
Der Beitrag hat nichts mit Atlantis zu tun sondern ist ausschliesslich für Baldur.
Vielleicht versteht er jetzt endlich mal den Zusammenhang Theosophie und NS.
Baldur liess dich in Ruhe ein und am besten speichere den Text ab.
-0. Einleitung
-1. Begriffe
1. Esoterik
1.2 Rechtsextremismus
-2. Die Entstehung der modernen Esoterik in den imperialistischen Kernstaaten
2.1 Die magische Renaissance
2.2 Die Geheimlehre der Helena Blavatsky
2.3 Theosophie
2.4 Rudolf Steiners Antroposophie
2.4.1 Steiners Wurzelrassenlehre
-3. Völkischer Okkultismus in Österreich und Deutschland vor 1933
3.1 Jörg Lanz von Liebenfels und der Neutemplerorden (ONT)
3.2 Gudio-von-List-Gesellschaft
3.3 Die Thule Gesellschaft
-4. Völkische Mythologie von 1933 bis 1945
4.1 Das Ahnenerbe
-5. Rechtsextreme Esoterik in der Gegenwart
5.1 Jan van Helsing
-6. Schluß
0. Einleitung
Mir wurde leider erst während der Arbeit an diesen wenigen Seiten Papier richtig bewusst in was für ein umfangreiches Themengebiet ich mich begeben habe, und wie wenig Freude es macht von mir als wichtig erachtete Themengebiete oder Informationen aus Platzgründen auszusparen. Ich habe mich aufgrund des mir zur Verfügung stehenden Rahmens darauf beschränkt anhand der Schilderung der historischen Entstehung der modernen Esoterik - in den imperialistischen Kernstaaten - und deren rassistischen und antisemitischen Inhalten, und einem Beispiel moderner rechtsextremer Weltverschwörungstheorien den Zusammenhang der beiden Komplexe Esoterik und Rechtsextremismus darzustellen. Ich hätte gerne noch einen Überblick über den Büchermarkt und den Anteil esoterischer Literatur daran dargestellt, dazu fehlten mir jedoch Informationen, Zeit und Platz.
1. Begriffe
1.1 Esoterik
nur für Eingeweihte zugängliche Lehre - griechisch "esoterikos" - "von innen" , "esoteros" - "der innere". Seit dem 19. Jahrhundert steht "Esoterik" für alles was nicht materiell greifbar oder verstandesmäßig begreifbar ist.
1.2 Rechtsextremismus
"Typische Kennzeichen rechtsextremer Weltanschauungen sind z.B.:
- Antisemitismus (die Herabwürdigung der jüdischen Religion und der Jüdinnen und Juden),
- Rassismus (die Unterscheidung von sogenannten unveränderlichen "Rassen" in biologischer bzw. kultureller Sicht und deren Höher- oder Niedrigerwertung),
- (Deutsch-) Nationalismus (die Behauptung, dass alle Deutschen, ÖsterreicherInnen und Deutsch-SchweizerInnen zu einer "blutmäßigen" oder kulturell gleichartigen Volksgemeinschaft gehören; daraus wird dann die Rechtfertigung für einen Zusammenschluss aller gegenwärtigen oder ehemaligen Gebiete "deutschen Bodens" abgeleitet),
- die Verharmlosung, Entschuldung oder Rechtfertigung des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen, des industriellen Massenmordes an den europäischen Jüdinnen und Juden oder des Angriffs- und Vernichtungskrieges der Nazis (z.B. die Leugnung der Existenz der Gaskammern in den Nazi-Konzentrationslagern, falsche historische oder chemische Gutachten, erfundene oder manipulierte Dokumente; die Behauptung, dass Nazi-Deutschland sich gegen das "Weltjudentum" oder gegen die Sowjetunion mit Krieg wehren musste usw.),
-Neigungen zum Autoritarismus und Elitarismus (der Ruf nach dem "starken Mann" oder dem "starken Staat"; der Wunsch nach starren gesellschaftlichen Hierarchien, die die "Besseren" von den "Schlechteren" unterscheiden sollen),
- die Befürwortung (militärischer) Gewalt oder Bereitschaft zu Gewalt gegen Andersdenkende oder Minderheiten,
- Sündenbockdenken (Juden, Freimaurer, internationale Organisationen als geheime VerschwörerInnen) und der absolute Wahrheitsanspruch."
2. Die Entstehung der modernen Esoterik in den imperialistischen Kernstaaten
2.1 Die magische Renaissance
Der katholisch ausgebildete Priester Éliphas Lévi (Alphonse-Louis Constant (1810 - 1875)) beginnt um 1850 mit der Entwicklung eines esoterischen Weltbildes auf der Grundlage der "magischen Überlieferungen" Europas. Er versteht Magie als "individuellen Erkenntnisweg und Stärkung der eigenen Persönlichkeit ohne Rücksicht auf andere". Von ihm ausgehend entwickeln sich ab ca. 1870 in Frankreich und England, später auch im deutschen Sprachraum unzählige esoterische Gemeinschaften, unter Berufung auf Traditionen die der französische Esoteriker in seinen Büchern aufgreift: Gralssucher, Templer, Hermetiker, Gold- und Rosenkreuzer, Martinisten, Illuminaten u.s.w. organisiert in speziellen okkulten Orden. Die Freimaurer dienen als formales Vorbild, werden aber bald als "Entsteller der Wahrheit" und Weltverschwörer abgetan, meist wird das Judentum ebenso negativ beurteilt. Es wird zwar die Kabballa die ureigenste jüdische esoterische Überlieferung aufgegriffen, aber dazu behauptet, die Juden hätten diese bloß von indo-arischen Brahmanen übernommen oder sogar gestohlen. Ähnliches wird mitunter auch den "Zigeunern" unterstellt deren Tarot-Traditionen sich die "magische Renaissance" ebenfalls aneignet.
2.2 Die Geheimlehre der Helena Blavatsky
Helena Petrowna Blavatsky (1831 - 1891), gebürtige Russin, lebt unter anderem in New York und London. Blavatsky lässt sich durch ein "Geistwesen" esoterische Botschaften eingeben. Ihre Hauptwerke sind: "Isis unveiled" (Die entschleierte Isis), "The secret Doctrine" (Die Geheimlehre) erschien 1888, bildet die bis heute gültige weltanschauliche Grundlage der modernen abendländischen Esoterik, auch wenn vielen EsoterikerInnen die Herkunft ihrer "Erkenntnisse" nicht einmal bekannt ist.
Immer wieder aufgegriffen wird Blavatskys "Erkenntnis" der "rassischen Entwicklung" der Menschheit im Rahmen sogenannter "Wurzelrassen", deren höchste Stufe die Arier mit den Germanen als Unterrasse wären. Unter den Wurzelrassen verstehen Theosophen sieben aufeinander folgende Menschenrassen, die sich während eines Zeitenzyklus auf dem Planeten Erde entwickeln. Jede Wurzelrasse teilt sich in sieben Unterrassen, die den Gesetzen der Evolution unterworfen sind. Auf Atlantis, der laut Blavatsky 9564 v. Chr versunkenen Insel, habe sich vor 18.000 Jahren die fünfte Wurzelrasse der Arier herausgebildet, als deren höchst entwickelte Unterrasse (die 5.) Blavatsky die germanisch-nordische bzw. teutonische, zu der sie Germanen, Kelten und Slawen zählte, ansieht. Die Juden sind im Weltbild der Begründerin der Theosophie ein "abnormes und unnatürliches Bindeglied zwischen der vierten und fünften Wurzelrasse". Wie sie selbst sei die jüdische Religion zu einer "Religion des Hasses und Übelwollens gegen jedermann" entartet. Für die meisten Naturvölker unserer Erde sieht Blavatsky deren Ausrottung als eine "karmische Notwendigkeit" an. Blavatsky im zweiten Band ihrer Geheimlehre: "Es ist ungenau zu behaupten, dass das Aussterben einer niederen Rasse ausnahmslos eine Folge der von Kolonisten verübten Grausamkeiten oder Mißhandlungen sei... Rothäute, Eskismos, Papuas, Australier, Polynesier usw sterben alle aus ... Die Flutwelle der inkarnierten Egos ist über sie hinausgerollt, um in entwickelteren und weniger greisenhaften Stämmen Erfahrung zu ernten; und ihr Verlöschen ist daher eine karmische Notwendigkeit"
2.3 Theosophie
"Lehre vom unmittelbaren Erschauen u. Erkennen des Göttlichen, Absoluten, als des ewigen Urgrund allen Seins, Werdens u. Vergehens, bes. in der Mystik" 1875 gründet eine Gruppe von Spiritisten den "Miracle Club" (Wunder Klub), der sich nach kurzer Zeit in "theosophical Society" (theosophische Gesellschaft) umbenennt. Ziel des Vereins ist, die Welt zu "esoterisieren", man will die Welt in ihrer Esoterik erfassen, oder umgekehrt, ihr das Heil der Esoterik bringen. Dem vorausgegangen war eine Welle von "Klopfgeisterlebnissen" in amerikanischen Haushalten, nach Bekannt werden eines Vorfalls mit einem "Klopfgeist" im Haus einer Familie Eddy, 1848.
2.4 Rudolf Steiners Antroposophie
"Antroposophie - (...) von R. Steiner (1861-1925) begründete Lehre vom Menschen in seiner Beziehung zur übersinnlichen Welt..." Rudolf Steiner ist 11 Jahre lang Generalsekretär und Leiter der deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft. Er entwickelt eine eigene esoterische Richtung, die sich 1913 von der Theosophie abspaltet und der er den Namen Antroposophie gibt. Steiner will seine Lehre im wesentlichen der sogenannten "Akasha-Chronik" entnommen haben, als wichtigste Quelle seiner Geschichtsforschung. Diese Chronik ist jedoch kein real existierendes Buch, sondern ein "(...) immaterielles Weltengedächtnis, in dem alles Wissen, alle Gefühle und alle Taten der Menschen seit jeher festgeschrieben sind. Das Lesen in dieser Chronik ist nicht allen Menschen möglich, sondern setzt ein besonders hoch entwickeltes Bewusstsein voraus, weshalb die daraus gewonnenen "Erkenntnisse" von den allermeisten Menschen auch nicht infrage gestellt und kritisiert, sondern lediglich akzeptiert werden können"
2.4.1 Steiners Wurzelrassenlehre
Bei der Entwicklung der Wurzelrassenlehre hat Steiner viele Elemente aus Blavatskys "Geheimlehre" übernommen.
Ihren Charakter soll er hier selbst darstellen:
"Nicht etwa deshalb, weil es den Europäern gefallen hat, ist die indianische Bevölkerung ausgestorben, sondern weil die indianische Bevölkerung die Kräfte erwerben musste, die sie zum Aussterben führten." "Daher ist beim Neger namentlich alles das, was mit dem Körper und mit dem Stoffwechsel zusammenhängt, lebhaft ausgebildet. Er hat, wie man sagt, ein starkes Triebleben, Instinktleben. [...] Der Schwarze ist ein Egoist, der nimmt alles Licht und alle Wärme auf. [...]" Daher kann der Europäer, weil ihn Seele und Geist am meisten in Anspruch nimmt, Seele und Geist am meisten verarbeiten. Der kann es am ehesten vertragen, in verschiedene Erdteile zu gehen. [...] Die weiße Rasse ist die zukünftige, die am Geiste schaffende Rasse."
Trotz der teilweisen Kompatibilität ist die Antroposophie mit der nationalsozialistischen Realpolitik nicht in Einklang zu bringen da zB. die Idee einer ganzheitlichen, ökologischen Landwirtschaft mit der radikalen Industrialisierung der Landwirtschaft im Nationalsozialismus nicht unter einem Hut zu bringen ist. Auch die Waldorfpädagogik hat in der nationalsozialistischen Erziehung nichts verloren. Bis 1941 werden alle Waldorf-Schulen in Deutschland geschlossen.
Seit einigen Jahren werden auch innerhalb der Antroposophie und der Waldorf-Bewegung heftige Diskussionen um Steiners Lehren geführt.
3. Völkischer Okkultismus in Österreich und Deutschland vor 1933
3.1. Jörg Lanz von Liebenfels und der Neutemplerorden (ONT)
Unter Bezugnahme auf den mittelalterlichen Templerorden der seinerseits Anteil am mittelalterlichen Antijudaismus hatte (genauso wie Frauen, durften Jüdinnen und Juden nicht anders berührt werden als "mit der Schärfe des Schwertes") gründet der ehemalige Zisterziensermönch Lanz von Liebenfels (am 19.7. 1874 geb. als Adolf Joseph Lanz) am 25.12.1900 in Wien den "Ordo novi Templi" (Neutemplerorden, ONT). Eine der - praktizierten, und von Liebenfels entworfenen - Regeln des ONT lautete:
"Der ONT ist eine rassenreligiöse (ariosophische) Sippengemeinschaft, in der nur Menschen mit reiner oder vorwiegend ariosophischer Rasse... , gleichgültig welcher Sprache und Nation, aufgenommen werden dürfen." Bei der Aufnahme verpflichteten sich die Mitglieder eine "rassisch wertvolle Frau zu heiraten". Liebenfels schreibt und vertreibt die "OSTARA-Hefte", von denen er behauptet, die Auflage hätte teilweise 100.000 erreicht. Er spricht den Ariern die älteste Religion zu, aus der alle anderen hervorgegangen wären, und meint, dass jedem Wort in der Bibel drei Bedeutungen zukämen: eine rassegeschichtliche, eine moralische und eine mythische. Er teilt die Menschen in zwei Gruppen ein: die Blonden (oder auch: Asinge - von den Asen, germanischen Göttern, Heldlinge, Arioheroiker, Edelrassige) und in die Tschandalen (oder Äfflinge, Bolschi-Juden, Waninge, Schrättlinge). Weiters gebiete die Bibel die Ausrottung der Tiermenschen und die Entwicklung des höheren Menschen.
Die "Weiber der nichtasischen Rasse" haben abstehende Brüste. "Deren getrenntes Vorspringen aus der Brust, die Richtung der Brustwarzen nach vorne (resp. nach Abwärts), der gegen den Bauch hinzurückende Busenansatz sind alles Eigentümlichkeiten, die wir bei den Zitzen der Tiere scharf ausgeprägt finden", ebenfalls "typisch tierische Merkmale".Weiters fordert Liebenfels die Sterilisierung von niederen Rassen und die Begattung von unverheirateten Arierinnen in Zuchtklöstern.
Ordensbrüder sind unter anderem:
-Karl Maria Wiligut, später SS-Brigadeführer, bis 1938 Leiter des Amtes für Vor- und Frühgeschichte im persönlichen Stab Himmlers. Wiligut gestaltete den SS-Totenkopfring.
-Paul Hudl, später SS-Sturmbannführer, 1938 Sonderbeauftragter des Staatskommissars für Presseangelegenheiten in der Organisation des Handels und Mitglied des Reichstages.
- die Dichter Fritz von Hermanovsky-Orlando und August Strindberg
3.2 Gudio-von-List-Gesellschaft
1908 wird von Guido von List (1848 - 1919) eine "arische Streitergemeinschaft gegen "Untermenschen" und "mindere Rassen" gegründet, die sich zum "Zentrum des rassischen Antisemitismus in Österreich". List ist Sohn einer Wiener Kaufmannsfamilie. Er entwirft die Runenlehre des deutschen Okkultismus, die Runen der SS gehen auf ihn zurück. Mitgründer der GvL - Gesellschaft war Lanz von Liebenfels. Zu den Mitgliedern zählen Großkaufleute aus Wien und München, Personen aus anderen Organisationen (zB. Germanen-Orden, ONT), der Theosoph Franz Hartmann und der Wiener Oberbürgermeister Karl Lueger. Einige von ihnen treten später der NSDAP bei.
3.3 Die Thule-Gesellschaft
"Die Thule-Leute starben als erste den Opfertod für das Hakenkreuz."
Rudolf von Sebottendorff
"In München wurde 1918 die Thule-Gesellschaft als Tarnvereinigung und bayerische Ordensprovinz des rassistischen und antisemitischen Germanen-Ordens gegründet. Die Thule-Gesellschaft hat (...) Hitler und viele frühe Kämpfer der NSDAP entscheidend geprägt. Der Okkultist, Astrologe, Runenenthusiast und Antisemit Rudolph Freiherr von Sebottendorff war Mitbegründer und führender Kopf der Thule-Gesellschaft" Sebottendorff (geb am 09.11 1875) schließt sich 1912 dem Germanen-Orden an, dem wiederum auch Lanz von Liebenfels angehört, und zu dessen Aufnahmekriterien unter anderem der Nachweis der "Blutreinheit bis ins dritte Glied" gehört. Auf Sebottendorffs Betreiben hin wird 1918 von den Studenten Walter Nahaus und Walter Deicke die Thule-Gesellschaft gegründet, was eher einer Umbenennung des Germanenordens gleichkommt, da die Münchner Räteregierung ein Auge auf den Germanenorden wirft. Nach Sebottendorffs Angaben belaufen sich die Mitglieder der Thule-Gesellschaft in Bayern auf 1.500. Die Thule - Gesellschaft entwickelt sich zum Sammelbecken verschiedenster rechtsextremer Vereinigungen und benutzt bereits das Hakenkreuz als Vereinssymbol. Sebottendorff kauft um 5.000 Mark den Münchner Beobachter, der am 9. August 1919 erstmals als Völkischer Beobachter erscheint. Er entwickelte ihn zu einem völkisch-antisemitischen Hetzblatt das mit vermeintlich antikapitalistischen Parolen auf Massenwirksamkeit abzielte. Das Blatt wurde zum Münchner Lokalorgan der Deutsch-Sozialistischen Partei (DSP). An der Niederschlagung der bayerischen Räterepublik sind die Thule- Gesellschaft und der Thule-Kampfbund (darunter der Aktivist Leutnant Rudolf Heß) beteiligt. Nach 1923 verlor die Thule-Gesellschaft im praktischen gesellschaftlichen Alltag an Bedeutung, blieb jedoch ein wichtiger esoterischer Richtungsweiser des Nationalsozialismus.
4. Völkische Mythologie von 1933 - 1945
Neuheidnische Motive wurden von den NationalsozialistInnen zur Ausstaffierung von Umzügen und Bauwerken und zur Inszenierung ihrer Parteitage benutzt, die " (...) alle individuellen Schwächen im Rausch der Gleichheit vergessen machte. Die nationalsozialistischen Symbole hatten ihre esoterische Einzigartigkeit abgestreift und waren zum identitätsstiftenden Kitt einer Massenbewegung geworden. Hakenkreuze, Fackeln, Fanfaren, und Fahnen überdeckten reale Interessensgegensätze." Alle Geheimgesellschaften wurden verboten, während die NSDAP einige völkische Symbole ihrer Sprache und Selbstdarstellung beifügte. Ein reicher Fundus von Symbolen und Mythen, zu dem große Teile der Ariosophie, die Rassenesoterik von Blavatsky bis Sebottendorff und die völkischen Ordensgründungen gehörten, wurde aus politischen Gründen "und zum Zweck plakativer Vereinheitlichung nicht in den Symbolkodex des "Dritten Reiches" aufgenommen. Er fiel wenn nicht dem Verbot, so doch jedenfalls dem Vergessen anheim."
# Das Ahnenerbe
Im Auftrag Heinrich Himmlers wird von der SS das Ahnenerbe geschaffen, eine eigene germanenmythisch-esoterische Forschungseinrichtung, deren Ziel die Züchtung einer nordisch-germanisch-arischen Rasse ist, und die ihm Rahmen von Menschenversuchen und "Rassenstudien" KZ-Häftlinge ermordet. Zu den Forschungsgebieten des Ahnenerbes gehören unter anderem die Welteislehre, nach der "(...)das Universum aus Eis bestehe und alles Werden und Vergehen von Galaxien und Planeten, Lebewesen und Kulturen aus dem Kampf des Feuers gegen das Eis entstünde", oder die Hohlwelttheorie, die behauptet dass "die Erde innen hohl sei und von seltsamen Wesen bewohnt wäre"
5. Rechtsextreme Esoterik in der Gegenwart
Im "Supermarkt der Weltanschauungen" findet sich heute eine Vielzahl an esoterisch-rechtsextremer Literatur, die sich seit den 60er-Jahren immer mehr mit abstrusen Weltverschwörungstheorien vermengt. In zahlreichen Werken dieser "Sparte" wird die Shoah verharmlost, ja sogar "karmisch" gerechtfertigt und den JüdInnen und Juden selbst zugeschrieben. Bereits erwähnte Personen wie Blavatsky, Liebenfels etc. werden völlig unkritisch zitiert, bereits seit langer Zeit als gefälscht entlarvte Dokumente, wie zB. die "Protokolle der Weisen von Zion" (ein fiktiver Plan einer konspirativen Gruppe von Juden zur Erlangung der Weltherrschaft, Anfang des letzten Jahrhunderts vom russisch-zaristischen Geheimdienst Ochrana verbreitet) zur Beweisführung gegen eine jüdisch-freimaurerische Verschwörung verwendet. Ich möchte mich nun im folgenden exemplarisch mit dem deutschen Autor Jan van Helsing auseinandersetzen:
5.1 Jan van Helsing
"Die Thule-Leute wußten ganz genau über die jüdischen Bankensysteme, sprich Rothschild und Genossen, und die Protokolle der Weisen von Zion Bescheid (sic!) und fühlten sich berufen, in Übereinstimmung mit der Sajaha-Offenbarung, das Volk, doch ganz speziell das jüdische Banken- und Logensystem, zu bekämpfen und das Lichtreich auf Erden zu schaffen."
Geboren als Jan Udo Holey 1967 in Dinkelsbühl. Über seine Vergangenheit ist bis auf Mutmaßungen, er habe einer "Punk-Szene" angehört, nicht viel bekannt. 1993 erscheint im Ewert-Verlag sein Buch "Geheimgesellschaften und ihre Macht im 20. Jahrhundert". "Helsings Buch wird vor allem in esoterischen Zeitschriften beworben und geht mehr als 100.000 Mal über den Ladentisch". Übersetzungen davon gibt es in Französisch und Englisch. Ähnlich dem Stil vieler Rechtpopulisten entwirft er ein abstraktes Feindbild von "denen da oben", in das er dann ganz einfach alle ihm missliebigen Personen und Gruppen einpasst und diese als "böse" Weltverschwörer diffamiert.
Helsing berichtet darin, dass 300.000 Jahre vor Christus der schwarzmagische Bund "Bruderschaft der Schlange" Mesopotamien unterwanderte. Seit dieser Zeit gäbe es das Ziel von Schwarzmagiern die Menschheit zu versklaven und eine Weltregierung zu errichten. Im 18. Jahrhundert sei der Plan zur Erlangung der Weltherrschaft in der "Frankfurter Judenstraße mit zwölf reichen Juden" konkretisiert und beschlossen worden, "durch drei Weltkriege eine "Ein-Welt-Regierung" zu bilden. In diese Geschichte schließt sich daher nahtlos ein, Juden bzw. "Illuminaten" hätten zwei Weltkriege angefacht. Laut Holey ist es eine "anerkannte Tatsache" dass Jerusalem von Zionisten zur Zentrale der Weltregierung gemacht werden soll. Die Illuminaten werden als Wiedergeburt des Bösen beschrieben. Er meint "das NS-Regime sei von den Zionisten mitfinanziert worden. So relativiert Van Helsing die deutsche Kriegsschuld und rückt das NS-Regime in die mythische Sphäre eines von Außerirdischen und geheimen Weltmächten beherrschten Weltplans."
Van Helsings Quellen sind fast alle rechtsextremer Herkunft: vom ehemaligen SS-Mann Wilhelm Landig (Urheber von Spekulationen um NAZI-UFO’s), über Ernst Zündel, einem der bekanntesten Auschwitz-Leugner und Geschichts-Revisionisten und verschiedenen einschlägigen Zeitschriften wie zB. dem Blatt CODE bis zum Verschwörungstheoretiker Des Griffin. Van Helsing zitiert weiters über lange Passagen die "Protokolle der Weise von Zion" eine populäre antisemitische Fälschung. 1996 wurde Van Helsings Buch vom Buchdienst der Jungen Freiheit vertrieben und von der rechtsextremen Monatszeitschrift Nation & Europa zum "Buch des Monats" gekürt.
1996 taucht Holey das erste mal im Verfassungsschutzbericht der baden-württembergischen Verfassungsschutzbehörde auf, und zwar unter der Rubrik "Rechtsextremistische Einflussnahme auf die Esoterikszene". Die Staatsanwaltschaft Basel beschlagnahmt im Januar 1996 Geheimgesellschaften im 20. Jahrhundert, im März 1996
kommt es in der Bundesrepublik Deutschland zu einem Beschlagnahmebeschluss wegen Volksverhetzung, gegen Holey und den Verleger Klaus Dieter Ewert wird Anklage erhoben. Ein Auszug aus der Anklageschrift des Mannheimer Gerichts:
"In dieser durchgängigen antisemitischen Schrift wird, in der Absicht, emotional feindselige Haltungen u.a. gegenüber den in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Juden zu erwecken und zu schüren, in bewusster Verdrehung historischer Tatsachen, u.a. zur Begründung der Thesen, die Juden strebten die Weltherrschaft und die Zerstörung Deutschlands an, gestützt auf sachliche Unwahrheiten, unter Verwendung entstellter, erfundener oder nicht nachvollziehbarer Zitate..."
Van Helsings Bücher sind in Österreich nach wie vor erhältlich, weiters nutzt er das Internet zur Verbreitung seiner
Bücher. Geheimgesellschaften 2 - Van Helsings Nachfolgewerk basierend auf einem mit ihm selbst geführtem Interview ist beispielsweise vollständig online erreichbar, zwei Links entfernt von der Homepage des Neonazis und Auschwitzleugners Ernst Zündel. Er selbst hat seine publizistischen Aktivitäten nach Gran Canaria verlegt. Empfohlen und zitiert werden van Helsings Bücher immer wieder in esoterischen Kreisen, zB. von der Schweizer Sekte Universale Kirche.
6. Schluß
Jan van Helsing ist Protagonist einer Szene von der mit verschiedenen Mitteln versucht wird die rassistische und antisemitische Mythenbildung zu forcieren und den Ablauf der Geschichte - vor allem die der Shoah und des Nationalsozialismus - einer Revision zu unterziehen. Immer wieder wird - seit Blavatskys Geheimlehre - eine karmische Gerechtigkeit auf allerlei Ungerechtigkeiten der Welt oder im schlimmsten Falle als Rechtfertigung für die Shoah angewandt. Beatrice Fleming bezeichnet in KZs ermordete Jüdinnen und Juden, "als Menschen, die in ihrem Vorleben "grausam zu Tieren waren"". Von vielen New Age — Anhängerinnen und Anhängern wird seit jeher die Ansicht vertreten, dass es keinen Sinn mache sich für soziale oder gesellschaftspolitische Anliegen zu engagieren. Der esoterische Bestseller-Autor Thorwald Dethlefsen behauptet, mit einem Einsatz für Hungernde "würde man sich ja doch nur in das Karma anderer einmischen", was sich wiederum negativ auf das eigene Karma auswirken würde. Eine wichtige Rolle spielt auch eine in vielen esoterischen Werken aufscheinende bedingungslose Gläubigkeit an spirituelle Führer, als "Eingeweihte" in die kosmischen Weltgestaltungspläne. Nun sollte man/frau nicht zu dem Schluss kommen, dass jede Form der alternativen Medizin, Meditation, Entspannungstechniken oder einfach spirituelle Bedürfnisse vieler Menschen mit Rechtsextremismus in eine Schublade gesteckt werden können. Klar gibt es spirituelle Gemeinschaften, die sich von solchen Weltanschauungen distanzieren, und es lässt sich zB. auch nicht vom rassistischen Weltbild Steiners und vielen Antroposophinnen und Antroposophen direkt auf den Unterrichtsablauf in einer heutigen Waldorfschule schließen. Die Geschichte hat aber gezeigt, dass esoterische Ideen sehr oft praktikable Anknüpfungspunkte für rechtsextreme Weltbilder und denen die daran bauen, und sie verbreiten boten und bieten. In diesem Sinne wäre der beste Schutz wohl nach wie vor der eigene kritische Verstand und das generelle Hinterfragen von esoterischen (und anderen) Inhalten.
Den hohen Stellenwert eines solchen kritischen Verstandes in unserer gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Situation halte ich jedoch für fragwürdig. In Österreich marschierten Ende April eine Gruppe sogenannter Neonazis "Sieg Heil" rufend durch die Wiener Innenstadt und wurden dabei von niemandem, nicht von der Exekutive, noch von der sogenannten "Zivilgesellschaft" daran gehindert. Der Begriff NAZI darf von einem österreichischen Nationalrats-abgeordneten folgenfrei als Neu - Attraktiv - Zielstrebig - Innovativ buchstabiert werden. Die öffentliche Diskussion um Reinhart Gaugg dreht sich zum heutigen Zeitpunkt auf die Unvereinbarkeit seines Nationalratsmandats und einem Job in einer öffentlichen Pensionsversicherungsanstalt.
Quellenverzeichnis:
Wahrig, Hans-Peter; u.a.: Fremdwörterlexikon, 4. Auflage, Hrsg.: Wahrig-Burfeind, Renate, Deutscher Taschenbuchverlag, München 2002
Gugenberger, Eduard; Petri, Franko; Babler, Andreas: Ein besserer Mensch durch Esoterik? - Die zwei Seiten einer Medaille,, Sozialistische Jugend, Wien 1997
Van Helsing, Jan: Geheimgesellschaften und ihre Macht im 20. Jahrhundert, EWERT-Verlag 1993
Geden, Oliver: Rechte Ökologie - Umweltschutz zwischen Emanzipation und Faschismus, 2. erweiterte und aktualisierte Auflage, Hrsg.: Jens Mecklenburg, Elefantenpress, Berlin 1999
Heller, Friedrich Paul; Maegerle, Anton: THULE - vom völkischen Okkultismus bis zur neuen Rechten; 1. Auflage, Schmetterling Verlag, Stuttgart 1995
Internet - Informationsdienst gegen Rechtsextremismus,
www.idgr.de,, Sektion Lexikon, Juni 2002, genauer link:
http://www.idgr.de/lexikon/bio/h/helsing.htmLiteraturverzeichnis:
Ein besserer Mensch durch Esoterik? - Die zwei Seiten einer Medaille: Eduard Gugenberger, Franko Petri, Andreas Babler, Sozialistische Jugend, Wien 1997
Geheimgesellschaften und ihre Macht im 20. Jahrhundert: Jan van Helsing, EWERT-Verlag 1993
Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus, 2. Auflage: Brigitte Bailer u.a., Hrsg.: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Deuticke, Wien 1993
Rechte Ökologie - Umweltschutz zwischen Emanzipation und Faschismus, 2. erweiterte und aktualisierte Auflage: Oliver Geden, Hrsg.: Jens Mecklenburg, Elefantenpress, Berlin 1999
THULE - vom völkischen Okkultismus bis zur neuen Rechten: Friedrich Paul Heller und Anton Maegerle; 1. Auflage, Schmetterling Verlag, Stuttgart 1995
Wahrig, Hans-Peter; u.a.: Fremdwörterlexikon, 4. Auflage, Hrsg.: Wahrig-Burfeind, Renate, Deutscher Taschenbuchverlag, München 2002
Internet - Informationsdienst gegen Rechtsextremismus,
www.idgr.de,, Sektion Lexikon, Juni 2002, genauer link:
http://www.idgr.de/lexikon/bio/h/helsing.htmSIGI NAUDIZ PERTH PEROTH BJARKAN