Jetzt bin ich auch im Clash "Schluchtenscheißer gegen Schluchtenscheißer", wie es so schön in der Werbung hieß, angekommen.
Direkte oder repräsentative Demokratie? In der Bundesrepublik verständlicherweise ein diskutables Thema: es gab nämlich noch nie ein Referendum.
Und jetzt sind wir angetreten, zwei "Schluchtenscheißer", "Ösis" oder wie auch immer, und wir hatten bereits zwei: eines über die Nutzung der Atomkraft als Energielieferant (das Volk sagte Nein), eines über den Beitritt zur Europäischen Union (das Volk sagte Ja).
Die Themenwahl war nicht meine, aus diesem Grund jedoch die Standpunktwahl, und über diese musste ich nicht lange nachdenken, für mich ist klar: repräsentative Demokratie ist in den allermeisten Fällen flexibler, die Entscheidungen entsprechen dem Wählerwillen, und wenn nicht, greift der Wähler zu einem starken Mittel: er entscheidet bei den nächsten Wahlen anders.
Referendumsentscheidungen jedoch sind festgenagelt: sie können nur mehr durch einen weiteren Volksentscheid außer Kraft gesetzt werden.
Wollen wir in Österreich ein Atomkraftwerk? Ohne Referendum geht gar nichts.
Wollen wir Österreicher aus der EU raus? Ohne Referendum geht gar nichts.
Bei grundsätzlichen Richtungsentscheidungen, bei denen innerhalb der Parteien auch keine einheitliche Meinungsbildung möglich ist, ist ein Referendum ein sehr gutes Mittel der Wahl.
Und dieses Mittel der Wahl wurde und wird in sehr vielen Staaten Europas auch angewendet:
Wikipedia: Liste von Referenden in den Ländern EuropasBei genauerer Betrachtung fällt auf, dass Referenden in der Regel bei grundsätzlichen Verfassungsentscheidungen als Mittel zur Willensbildung herangezogen werden. Weiters fällt auf: bei Abstimmungen, deren Themenstellung nicht mehr sonderlich populär ist, ist die Beteiligung gering, bei einigen Abstimmungen so gering, dass sie nicht mal mehr gültig sind, da die meisten Länder eine Untergrenze der Abstimmungsbeteiligung gesetzt haben, damit eine Entscheidung nicht von einer Interessensminderheit dominiert werden kann.
Wie sieht dann das bei normalen Gesetzen aus? Wieviele Leute interessiert eine Novelle des Heilmasseurgesetzes oder des Symbole-Gesetzes (aktuelle Initiativen in Österreich)? Wie hoch würde eine Abstimmungsbeteiligung sein? 0,01% oder gar 0,02% der Wahlberechtigten?
Wie hoch auch immer: es gäbe keine Entscheidung, da die Abstimmungsbeteiligung zu gering wäre.
Wer jedoch hat die Zeit, sich über solche Entscheidungen Informationen einzuholen und abzuwägen? Der arbeitende Bürger kaum. Parlamentarier: ja. Es ist deren Aufgabe, dafür werden sie gewählt und bezahlt, und genau dafür werden parlamentarische Fachausschüsse eingerichtet.
Außerdem sind in einer repräsentativen Demokratie - anders als in einer direkten Demokratie, in der 0,01% über eine Heilmassagegesetznovelle entscheiden - die Entscheidungsträger durch eine Wahl legitimiert, und die Entscheidungsträger werden durch regelmäßig stattfindende Wahlen zur Rechenschaft gezogen.
Ergo: der Gesetzgeber ist auch in Fragen, welche die breite Öffentlichkeit nicht interssiert, handlungsfähig. In einer direkten Demokratie besteht die Gefahr, dass der Gesetzgeber mangels Interesse nicht mehr handlungsfähig ist, obwohl eine Gesetzesnovelle dringend ansteht.
Und diese Handlungsfähigkeit des Gesetzgebers in allen Fragen (populär oder partikulär) ist für mich ein ganz wichtiges Element eines funktionierenden Gemeinwesen.
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Und demnächst hier in diesem Clash die Antwort auf die Frage: ja ist denn das überhaupt demokratisch?