Hallo
@Dogmatix !
Die deutschsprachige Literatur über Spuk und Poltergeister ist ja insgesamt eh sehr „dünn“ gesät – einzige Ausnahme ist da der Klassiker von Fanny Moser „Spuk. Ein Rätsel der Menschheit“ (1950), in dem sie aber auf den „anti-démon de Mascon“ nicht eingeht. Ansonsten gibt es eigentlich nur häufige, aber sehr oberflächliche Erwähnungen des Spuk-Phänomens bei Walter von Lucadou, der aber meist eher seine systemtheoretische Deutung des Phänomens darlegt als konkrete Spuk-Fälle. (Im Dokumentarfilm „Geister sind auch nur Menschen“ über von Lucadou und seine Beratungsstelle, den Volker Anding 2001 im Auftrag von ZDF/Arte gedreht hat, kommen einige Spuk-Betroffene auch persönlich zu Wort:
Dokumentation - Geister sind auch nur Menschen Teil 1
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dort auch die Links zu den weiteren Teilen) Hans Bender (1907-1991) hat seinerzeit noch einige Falldarstellungen in Form kurzer Aufsätze geschrieben, die aber in verschiedenen Sammelbänden und Zeitschriften verstreut sind.
Sorry, das war jetzt bezüglich Deiner Frage ein wenig OT
Aber jetzt zu Perrault und Mascon:
Der englische Gelehrte und Jesuiten-Pater Fr. Herbert Thurston S.J. (1856-1939), der sich – etwa in seinem Klassiker „The Physical Phenomena of Mysticism“ - auch immer wieder mit parapsychologischen Themen beschäftigt hat, hat auch ein Buch „Ghosts and Poltergeists“ (veröffentlicht 1952) geschrieben, von dem es eine deutsche Übersetzung gibt: „Poltergeister“ (Luzern: Verlag Räber & Cie., 1955). Dessen 4. Kapitel ist unter der Überschrift „Ein Poltergeist unter Hugenotten“ ganz dem Perrault-Fall gewidmet. (S. 61 – 75 der deutschen Übersetzung). (Selbst Claude Lecouteux greift in seiner Behandlung des Falls auf Herbert Thurston zurück, weil er, als er 2007 sein Buch über „l'histoire des poltergeists“ schrieb, keinen Zugang zu Perrauls Original hatte. (Das aber – siehe unten – inzwischen online gestellt ist.)
Bekannt geworden ist dieser Fall, der sich 1612 zugetragen hat, auch durch eine englische Übersetzung von Perraults Bericht durch Dr. Peter du Moulin, die der Chemiker Robert Boyle (1626-1691; einer der Pioniere der modernen Naturwissenschaft und Entdecker der „Boyle'schen Gesetze“ vom Zusammenhang von Druck und Volumen eines Gases) veranlasst hat. Boyle hat – wohl bei seinem zweiten Aufenthalt in Genf (1642-1644) – Francois Perrault persönlich kennen gelernt und bei dieser Gelegenheit wohl schon ein Manuskript seines Berichts überreicht bekommen. „Die Schrift muß demnach spätestens 1644 fertiggestellt worden sein“, schließt Thurston, „wenngleich das französische Original erst neun Jahre später in Genf gedruckt wurde. Dies bestätigt die im Vorwort zur englischen Überstzung gemachte Angabe du Moulins, der Bericht sei kurz nach den darin niedergelegten Ereignissen aufgesetzt worden.“ Alan Gauld hält es für möglich, dass Perrault sogar auf seine Tagebuchaufzeichnungen aus der Zeit zurückgreifen konnte.
Herbert Thurston: „Angesichts gewisser von Perrault selbst gegebener Hinweise auf Predigten des berühmten Kapuzinerpaters Marcellin und andere Dokumente kann kaum ein Zweifel bestehen, daß die Einzelheiten dieser teuflischen Heimsuchung, wofür man sie damals ansah, zur Zeit ihres Geschehens in Burgund und Savoyen weithin erörtert wurden. In einem Brief an du Moulin schreibt Robert Boyle selber:
,Ich muss Euch frei bekennen, daß der mächtige Hang zum Zweifeln, den mein Lebensgang und mein Studium mir eingegeben haben, sowie die vielen Erdichtungen und abergläubischen Vorstellungen, welche (soweit ich bisher beobachten konnte) das Urteil zu trüben pflegen, wo es sich um Geister und Hexen handelt, mich sehr wenig dazu geneigt machen würde, etwas in Eurer Veröffentlichung oder dazu, daß jemand einer so seltsamen Geschichte wie der des Monsieur Perrault Glauben schenken sollte, beizutragen.
Allein, die Unterhaltung, welche ich während meines Aufenthaltes in Genf mit dem frommen Autor der Schrift pflog, und der Umstand, daß er sie mir vor dem Drucke derselben an einem Ort überreichte, an welchem ich sowohl über den Verfasser wie über einige Abschnitte seines Buches Erkundigungen einziehen konnte, haben zuletzt in mir (hinsichtlich dieser Erzählung) meine eingewurzelte Abneigung, an solch sonderbare Dinge zu glauben, ganz überwunden.'“
„Ohne Zweifel war das Medium [d.h. die „Fokusperson“] in diesem Falle niemand anders als die von Perrault so häufig erwähte Magd“, ist Thurston überzeugt.
Thurstons Gesamteinschätzung des Falles:
„Obwohl dies alles, gedruckt in einer jetzt seltenen Schrift, schon vor fast dreihundert Jahren bezeugt wurde, handelt es sich um genau das gleiche Phänomen, das sich laut Erklärung solch nüchtern denkender Autoritäten wie Sir William Barrett und Pastor Professor Nielsson in unseren Tagen vor den Augen durchaus glaubwürdiger Zeugen zugetragen haben soll. Das alles ist recht verwirrend, und es liegt mir fern zu behaupten, ich könne eine befriedigende Lösung dafür bieten. Doch da der Charakter Pfarrer Perraults und seines Mitbeobachters Robert Boyle und anderer außer Frage steht und eine Fülle mehr oder weniger gleichlautender Berichte aus allen Teilen der Welt und allen Perioden der Geschichte vorliegt, scheint mir ein hartnäckiger Skeptizismus diesen Tatsachen gegenüber die hoffnungsloseste Haltung zu sein, die man dazu einnehmen kann.“
Das französische Original von 1656:
https://books.google.de/books/about/L_anti_d%C3%A9mon_de_Mascon_ou_La_relation_p.html?id=wP5TPpxqqBEC&redir_esc=yDie englische Übersetzung von 1658: „The Devill of Mascon. OR A true relation of the chiefe things which a Demon or wicked Spirit did and said at Mas∣con,& c.“
http://quod.lib.umich.edu/cgi/t/text/text-idx?c=eebo;idno=A54396.0001.001Eine kurze, aber wirklich sehr kurze (gerade mal drei knappe Absätze) deutschsprachige Zusammenfassung des Falls findet sich hier:
https://books.google.de/books?id=wiXDRF_C6IMC&pg=PA51&dq=perrault+mascon&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjjh5vjzZzUAhWGXRQKHdYXB7AQ6AEIWjAH#v=onepage&q=perrault%20mascon&f=true