Meinen Dank zuvor für Eure -zum Teil ja richtig dramatischen- Berichte. Dann bleibt bzw. werdet mal schön gesund...
;)Hier nun der bereits angekündigte und sehr umfangreiche Bericht über meine 3. OP unter Vollnarkose:
Begonnen hat das ganze Elend bereits in der Woche vor dem 3. Advent vergangenen Jahres. Ungeklärte und nicht deutlich zu lokalisierende Schmerzen im Bereich der rechten Körperseite, dabei auch immer heftiger werdend, ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Ein für mich absolutes Alarmzeichen: ich stellte die Aufnahme fester Nahrung nach kurzer Zeit vollkommen ein; nährte mich ausschließlich von Mineralwasser und Tee. Gedanken an eine Entzündung vom "Appendix", also dem "Wurmfortsatz" des Blinddarms kamen mir in den Sinn; vielleicht ein schon seit längerer Zeit ignorierterer Leistenbruch oder schlichtweg festsitzende Blähungen in den Gedärmen...? "Et un drink, wat di smeck - ower bliff vun Dokter weg..." ("Esse und trinke, was dir schmeckt - aber bleib vom Doktor weg!") heißt eine der Lebensweisheiten meiner früheren norddeutschen Landsleute. Insofern also erstmal zugewartet und still gelitten. Am 14. Dezember versuchte ich in letzter Verzweiflung durch Verabreichung zweier Gläschen "Enzian" der Sache Herr zu werden - am späten Nachmittag des darauf folgenden Mittwoch ließ ich den Bereitschaftsarzt kommen. Zufällig mein persönlicher "Leibarzt" hier aus dem Dorf...
Der diagnostizierte nach Befühlen und Betasten des auf dem heimischen Canapé liegenden Patienten eindeutig und zielsicher eine entzündete Gallenblase; das Schmerzmittel "Novalgin" wurde injiziert und Tropfen des gleichnamigen Präparats verschrieben. Außerdem möchte ich ihn in den kommenden Tagen zwecks genauerer Untersuchung per Ultraschall in seinen Praxisräumlichkeiten aufsuchen. In der Ahnung auf eine schwerwiegende Erkrankung hatte ich -quasi mit letzter Kraft- vor dem Anruf noch einen kleinen Pilotenkoffer mit dem Nötigsten gepackt und mich eigentlich schon darauf eingestellt, die Nacht bereits im Krankenhausbett verbringen zu müssen. Spritze wie auch Tropfen brachten keine sonderliche Linderung der Beschwerden und so suchte ich den "Medicus" dann am Freitag im Laufe des Vormittages auf. Dort ergab sich ein merkwürdiger medizinischer Sachverhalt. Zwar -so stellte sich beim "Ultraschall" heraus- war tatsächlich, wie schon von erfahrener Doktorenhand bei mir daheim festgestellt, eine Entzündung und Vergrößerung der Gallenblase gegeben. Gleichwohl aber fehlten die bei diesem Befund fast ausnahmslos vorhandenen "Steine" im Organ, was recht ungewöhnlich ist. Unverzügliche Einweisung in das Passauer Klinikum war vonnöten; der private "Notfallkoffer" ohnehin noch gepackt. Ein hilfreicher und darüber hinaus medizinisch versierter Nachbar brachte mich unverzüglich nach dort...
Auch im großen und modern eingerichteten Krankenhaus der "Drei-Flüsse-Stadt" konzentrierten sich die zunächst eingeleiteten Untersuchungen auf den Bereich von Leber und Galle. Der Befund nicht viel anders als zuvor - allerdings mit zwei gravierenden neuen Erkenntnissen. Zum einen stellten sich meine rasch im hauseigenen Labor ermittelten Blutwerte als -gelinde gesprochen-
katastrophal heraus. Zum anderen förderten auch weitere durchgeführte Ultraschall-Untersuchungen, neben dem schon bekannten, ungewöhnlichen Ergebnis einer zwar entzündeten aber halt "steinlosen" Gallenblase, ein zusätzliches Mysterium zutage, welches der untersuchende Arzt nach Hinzuziehung weiterer Kollegen folgendermaßen beschrieb: "Da ist noch etwas im Bauch, das wir uns nicht erklären können...".
Frisch aufgenommen... - und unverzüglich literweise Infusionen erhielt "Bernard" bereits am ersten Tag im "Klinikum Passau".
Neben dem desaströsen Blutbild spielten dann in den Folgetagen (auch noch nach der Operation) abwechselnd Organe wie Leber, Nieren und -ursächlich- auch weiterhin die Galle in ihren messbaren Funktionen "verrückt". Gleich nach Aufnahme am Freitagabend in der Station 14 für "Allgemein-, Visceral-, Thorax- Gefäß- und Kinderchirurgie", wurde der Patient denn auch bis zum Sonntagvormittag fast durchgängig mit Infusionsflüssigkeit aus einkaufstaschengroßen Plastikbeuteln "befüllt" - zur "Abwechslung" alle paar Stunden aber auch mal ein kleineres Fläschchen Antibiotikum mit in den Blutkreislauf eingebracht. Die Schmerzen waren mittlerweile auch auf den Bereich des Unterleibes übergegangen und strahlten von dort -typisch, wie mir erklärt wurde- stark und äußerst unangenehm bis in die rechte Schulter hinauf. Als sich auch durch die Infusionsgabe bis zum Samstag-Nachmittag keine Normalisierung der kollabierenden Werte ergab, kündigte der zuständige Facharzt für den kommenden Tag an, daß er -bei weiterhin üblen Laborergebnissen- "in den Bauch hinein schauen müsse". Dies werde im Rahmen einer -zwar unter Vollnarkose durchzuführenden, gleichwohl aber harmlosen und "sein täglich Brot" darstellenden- Bauchspiegelung geschehen. Zwei kleine, unauffällige Schnitte zum Einbringen zunächst eines Gases zwecks Erweiterung des Sichtfeldes im Bauchinnenraum; hernach dann Kamera und Beleuchtung zum Inspizieren betroffener Organe und Gefäße. Und so geschah es denn auch - am 4. Advent 2010 wurde erstmalig in meinem nunmehr 54 Jahre währenden Leben, durch geschulte Chirurgenaugen ein kritischer Blick in meinen Leib getan. Zuvor wurde ich noch mit albern ausschauenden, weißen Thrombose-Strümpfen und dem obligatorischen "Flügelhemd" maskiert...
Die junge Narkoseärztin und deren Assistenten hatte ich kurz vor Beginn ihrer Tätigkeit und schon im Operationssaal liegend noch schnell gefragt, was denn die meisten Patienten als letztes vor dem geistigen "Wegtreten" verbal noch so von sich geben würden...? Eine Antwort hatten die beiden da -eigenartigerweise- nicht parat - worauf zumindest ich mich mit einem ebenso fröhlichen wie hoffnungsvollen "Auf WIEDERsehen...!" in´s Reich der Träume verabschiedete...
Während dieser meiner "Abwesenheit" ergab sich dann zunächst während der Bauchspiegelung folgender Sachverhalt, wie mir der Chirurg später berichtete: Beim Blick in den Bauchinnenraum
erkannte er eine äußerst seltene Form von "Nekrose" (griechisch: nékrosis „Absterben“); auch als "akzidenteller Zelltod" bezeichnet. Das "Bauchnetz" ("Omentum majus"), ein Geflecht aus Nerven und Blutgefäßen an dem u.a. eine Reihe von Organen und Därmen "befestigt" ist, hätte sich ihm zu großen Teilen "schwarz und abgestorben dargestellt"; daraus hatte sich dann die Entzündung der Gallenblase ergeben. Aus der Routineuntersuchung wurde nun sehr rasch eine "richtige" Operation mit einem großen Bauchschnitt zu dem ich -wie allgemein üblich- bereits im Vorwege meine Einwilligung gegeben hatte. Kosmetische Aspekte waren mir aber sowas von egal dabei gewesen! Und auf diese Weise wurden nun in einem Zeitraum von etwa 2 Stunden die Überreste dieser "innerlichen Verwesung" aus dem lebendigen Körper entfernt. Als mögliche vermutete Ursache kam ein Gefäß- oder Organinfarkt in Frage, bei dem die Blutversorgung der betroffenen Bereiche unterbrochen wurde. So jedenfalls habe ich die fachmännischen Ausführungen in meinem medizinisch-laienhaften Denken verstanden und versucht, diese einigermaßen nachvollziehbar und verständlich Euch hier wieder zu geben...
Im Gegensatz zu meiner ersten Operation unter Vollnarkose vor über 20 Jahren, war zunächst nach glücklich überstandenem Eingriff kein Grund für irgendwelchen showmäßigen "Firlefanz";
vielleicht wird man im Alter auch abgeklärter, realistischer und... - ängstlicher. Wobei sich das jetzt keinesfalls auf die wirklich wunderbare Behandlung und Versorgung durch Ärzte, Pfleger und Schwestern im "Klinikum Passau" bezieht. Nicht einen Moment -vom Eintreffen in der "Chirurgischen Aufnahme" bis zur Entlassung durch den stellvertretenden Chefarzt- gab es bei mir ein Gefühl von mangelndem Vertrauen, Hilflosigkeit oder Uninformiertheit. Und wirklich jede/n Mitarbeiter/in des Hauses habe ich lieber kommen denn gehen sehen. Nein, es war bei mir -als ein doch relativ sensibles Menschenkind mit all seinen diesbezüglichen Auswirkungen auf mich und andere- mehr die allgemeine Unsicherheit meinen -zunächst mysteriösen- Zustand betreffend, welcher -durchaus auch- das Schlimmste fürchten ließ. Nein, Krebs ist es Gottlob nicht gewesen - natürlich immer bei solchen Geschichten die erste Frage, welche sich stellt...
Die Erinnerung daran, wie ich im "Aufwachraum" wieder zu mir kam, ist ziemlich nebulös - Realität und Vorstellungen verwischen sich stark. Es ist mir entsinnlich, daß mich eine freundliche und attraktive Schwester mit viel vertrauensbildendem Blickkontakt umsorgte- das gab für mich in dieser Situation -wie auch im wirklichen Leben- ein schönes, sicheres Gefühl von "Nähe". "Mein"
Operateur schaute vorbei - auch später, nach etwa 2 Stunden "erwachen" und zurück im Patientenzimmer auf der Station, informierte er sich noch persönlich über das Wohlergehen des
Frischoperierten - und mich über das, was er festgestellt und medizinisch notwendig unternommen hatte. In den Folgetagen allerdings ward er nicht mehr gesehen - möglicherweise nach diesem letzten Dienstwochenende vor dem Fest in den wohlverdienten Weihnachtsurlaub gegangen. Schade - hätte mich gerne noch bei ihm für seine großartige Leistung, vom "täglich Brot" innerhalb Minuten auf einen durchaus als "exotisch" zu bezeichnenden, schweren Eingriff umzusteuern, bedankt...
Frisch operiert... - zeigt der Patient bereits einen Tag nach dem Eingriff seinen Verband über der etwa 30 cm langen Wundnarbe.
Und gerade die kommenden drei Tage sollten -abgesehen von der Anfangszeit meiner Beschwerden mit den schrecklichen Leibschmerzen- noch einmal eine ganz besondere Härte darstellen. Nein, nicht die Operation, das entfernte tote Gewebe oder die lange Narbe stellten hier nun ein großes Übel dar. Außer etwas Wundschmerz, der zudem mit entsprechender Medikamentation unterdrückt wurde, tat auch nix weh. Aber das im Rahmen der zunächst laparoskopisch ("Knopflochchirurgie") vorgenommenen Untersuchung eingeblasene Gas hatte sich -trotz großem Bauchschnitt und der dadurch ja eigentlich geschaffenen Möglichkeit sofort wieder zu entweichen- offenbar im Darmbereich festgesetzt und wollte partout weder nach vorne ("Bäuerchen") noch (naheliegender) über den "Anus" meinen Körper wieder verlassen. Eine milchige Flüssigkeit mit leckerem Bananengeschmack wurde mehrfach verabreicht - brachte gleichwohl nicht den gewünschten Effekt, die "Darmwinde" sturmhaft wehen zu lassen. Nach dem beschriebenen Zeitraum ergab es sich dann eher unbemerkt und ohne große Anstrengung, daß sich die lästige "Flatulenz" (Darmaufblähung) von selbst löste - ab diesem Moment kehrten auch der seit rund zwei Wochen nicht mehr gegenwärtige Appetit, ja sogar richtiger Hunger zurück! Für mich, der ich mir einbilde meine Psyche und den dazugehörigen Körper einigermaßen zu kennen und einschätzen zu können, ein eindeutiges, gutes Zeichen von beginnender Heilung und absehbarer Genesung...
Und so war es auch. Zwar -wie schon erwähnt- mochten sich einige Organe und auch die Blutwerte zunächst noch nicht dauerhaft an die neuen "Spielregeln" ihres Gastkörpers halten. Das ging an einem Tage sogar so weit, daß mir aufgrund dieser, bei der morgendlichen Blutabnahme gemessenen "Querelen", fast das Mittagessen versagt worden wäre! Lecker Fisch gab es - und erst nach einer nochmaligen "Blutspende" (bei der die Werte sich lediglich etwas verbessert präsentierten) und knapp vor Ablauf einer (sicherlich notwendigen) streng gehandhabten Aufbewahrungsfrist für die einst schwimmende Mittagskost um 14.00 Uhr, wünschte dann der zuständige Stationsarzt telefonisch "Guten Appetit". Da stelle ich mich über alle medizinisch-akademischen Erkenntnisse, Befunde und Eventualitäten: Mag ich essen, geht´s mir gut...!
Frische Gesichtsfarbe... - und schon wieder zu einem Späßchen bereit, zeigt hier während der Visite unser "Commissaire" seinen vom Brustende bis in die Hüfte reichenden "Bauchschmiß".
Als alleinstehender und -weitgehend- zurückgezogen lebender Mensch ist ein Krankenhaus-Aufenthalt immer etwas zwiespältig. Die Zahl an Besuche(r)n hält sich in Grenzen; so ganz großen Wert lege ich, in der ja doch recht "intimen" Situation eines Klinik-Aufenthaltes, auch nicht darauf. Die Versorgung meiner Tiere wurde durch meine tollen Vermieter mehr als ausreichend sicher gestellt - dieses war mir am Allerwichtigsten! Demzufolge sah ich das nahende Weihnachtsfest auch nicht als unumstößlichen Termin, noch vorher wieder nach Hause zurück zu kehren. In fachlicher Sicherheit und der menschlichen Zuwendung des Krankenhauses fühlte ich mich so wohl, daß ich dem Chefarzt schon frühzeitig bei einer der täglichen Visiten zu verstehen gab, daß ich die anstehende "Entlassungswelle" am Morgen des Heiligen Abend -respektive den Tagen davor- nicht unbedingt in Anspruch nehmen müsse - ich hätte mich tatsächlich daheim allein recht hilflos gefühlt. "Gut zu wissen..." kommentierte er meine Aussage - und so erlebte ich die Feiertage in der ganz besonderen Atmosphäre eines wunderbaren Klinikums, mit ungeheuer -und gerade auch an diesen Tagen- engagierten Mitarbeiter/innen sowie deren geduldigen Patienten. Und natürlich auch stimmungsvoller Andacht in der altehrwürdigen, hauseigenen Kapelle - umgeben von Leidensgenossen und ihren Angehörigen; mit Segen, Chor und Orgelspiel - und einem einfühlsamen (erkälteten) Pfarrer. Dem erst nach einer halben Stunde Gottesdienst auffiel, daß er die elektrischen Kerzen am festlich geschmückten großen Christbaum nicht eingeschaltet hatte...
Am Vormittag des 28. Dezember 2010 näherte sich mein erster Krankenhaus-Aufenthalt mit Vollnarkose-Operation seit über 20 Jahren, seinem Ende. Ein kleines monetäres "Dankeschön" für die Kaffeekasse "meiner" Stationsmitarbeiter/innen war selbstverständlich - ich habe sie alle in sehr guter Erinnerung behalten. Der diensthabende Oberarzt verabschiedete mich mit den Worten: "Nun ruhen sie sich vier Wochen gut aus - und dann vergessen sie die ganze Sache möglichst schnell...!". So soll es sein...