Derzeit geistern hier ja viele Dinge durchs Forum bezüglich der Lage in den AKWs in Japan. Da einiges davon falsch ist und viele durch Fehlinformationen aus den Medien befeuert wird, dachte ich mir, hier mal ein paar Fakten zur Lage zusammenzufassen:
1) Ist das, was da passiert, ein Super-GAU?
Ein Super-GAU ist es, wenn mehr Strahlung austritt, als die Grenzwerte erlauben. Insofern handelt es sich bereits um einen Super-GAU.
2) Laufen die Dinge im AKW nach Plan?
Nein. Die Pläne sind im Betriebshandbuch definiert und dort geht man davon aus, dass das Kühlsystem der Brennstäbe funktioniert. Dies ist offenbar zumindest teilweise nicht mehr der Fall. Spätestens an diesem Punkt arbeitet man definitiv außerhalb irgendwelcher Pläne. Es ist nun ein Katastrophenmanagement.
3) Was kann schlimmstenfalls passieren?
Das hängt von vielen Faktoren ab. Nehmen wir mal an, die Brennstäbe der Reaktoren werden so heiß, das sie sich aus dem eigentlichen Reaktor herausbrennen. Nehmen wir weiterhin an, das dabei sehr große Mengen an Rauch und Dampf durch Grundwasser freigesetzt werden und wir die Situation aus diesem Grund mit Tschernobyl vergleichen könnten. Tokio ist mindestens 200 km entfernt. Etwas näher am AKW Tschernobyl befindet sich die Stadt Babrujsk - sie ist bis heute bewohnt. Die Rate der Kinder, die an strahlenbedingten Krankheiten leidet ist dort allerdings höher als anderswo. Das Tokio evakuiert wird, ist ausgeschlossen. Zum einen ist die Stadt zu weit weg, als das eine akute Gefahr realistisch erscheint, zum anderen ist es praktisch unmöglich, eine so große Stadt zu räumen.
Anders sieht die Sache bei den umliegenden Ortschaften aus. Es wäre denkbar, das diese Ortschaften für einen gewissen Zeitraum gesperrt bleiben müssen.
4) Wie lange wird es dauern, die Situation unter Kontrolle zu bringen?
Das ist schwer zu sagen. Das abkühlen von Brennstäben dauert sehr lange. Nicht umsonst werden auch die alten Brennstäbe in Wasser gelagert, das in einem Kühlsystem eingebunden ist. Das Problem ist jetzt aber, das nicht nur die Brennstäbe zu heiß geworden sind, sondern, das eben das Kühlsystem selbst schwer beschädigt ist. Sollte es nicht möglich sein, die Kontrolle über das Kühlsystem zurückzuobern (danach sieht es derzeit nicht aus) könnte sich der Zustand möglicherweise über Monate oder sogar Jahre hinziehen. Die Auswirkung auf die direkte Umgebung (also dem besagte 20 oder 30 km Radius) ist schwer absehbar.
5) Könnte Tokio unbewohnbar werden?
Es ist nur meine persönliche Meinung, aber: Nein. Das halte ich für ausgeschlossen. Ich würde vielleicht gerade nicht unbedingt hinfliegen, aber verglichen mit der größten Katastrophe mit radioaktivem Material sind das alles nur Peanuts. Ich persönlich vermute, es ist diese hier:
Wikipedia: Kyschtym-UnfallInsbesondere, da das Material Hauptsächlich in der Region verblieb. Auch dort gibt es in 200 km Entfernung große Städte.
6) Das Best-Case-Szenario
Im besten Falle wird die Anlage noch ein paar Wochen weiterrauchen. Aus diesem Grunde halte ich es für wahrscheinlich, das die Anwohner in dieser Zeit nicht zurück in den evakuierten Bereich dürfen. Sofern man das Kühlsystem aber wieder in den Griff bekommt, ist es durchaus möglich, dass das ganze glimpflich ausgeht. Sollte man das Kühlsystem nicht in den Griff bekommen, würde bestenfalls die Zeit, in der das Gebiet gesperrt ist, ausgedehnt, mindestens einige Monate, schlimmstenfalls Jahre. An der Größe des Evakuierungsradius dürfte sich aber eigentlich nichts ändern.