Was schaut Ihr gerade? (Seite 128)

Ich habe gerade eine Columbo-Folge gesehen:

"Wein ist dicker als Blut".

In den 90er Jahren sah ich sie schon einmal im Fernsehen und verstand sie nicht und habe sie mir jetzt zweimal hintereinander auf DVD angesehen und sie immer noch nicht verstanden.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Zwei feindliche Brüder haben ein Weingut geerbt. Einer will das Land gegen den Willen des anderen verkaufen, der andere schlägt ihn deshalb nieder und versteckt ihn im Weinkeller, in dem sich wohltemperiert eine Sammlung kostbarster Weine befindet und geht dann auf eine einwöchige Reise.

Das Opfer wird von seiner Verlobten vermisst, die sich an Columbo wendet.

Nach der Rückkehr zieht der Mörder seinem immer noch vermissten, aber zwischenzeitlich im Weinkeller verstorbenen Bruder einen Taucheranzug an und wirft ihn ins Meer, um einen Tauchunfall vorzutäuschen. Den Sportwagen des Opfers stellt der Mörder am Ufer ab.

Columbo findet sehr schnell heraus, dass es nach dem Verschwinden des Opfers und vor dessen Auffindung geregnet hat, aber der hochglanzpolierte Wagen des Toten keine Regenspuren aufweist. Das Opfer ist also offensichtlich erst nach dem Regentag ins Meer gelangt. Damit ist es unwahrscheinlich, daß der Tod im Meer und der Zeitpunkt des Verschwindens identisch waren. Dies spricht gegen einen Tauchunfall.

Der Gerichtsmediziner stellt fest, dass das Opfer nicht ertrunken, sondern erstickt ist. Weiterhin wird festgestellt, dass das Opfer zwei Tage vor seinem Tod nichts mehr gegessen hatte.

Columbo vermutet also, dass das Opfer -
zwei Tage nach seinem Verschwinden und vor der Ablegung im Meer und dem Abstellen des PKW an der Steilküste - an Land erstickt sein muss. Eine Beobachtung des Pförtners des Weinguts gibt den Hinweis, dass der tote Bruder das Weingut am Sonntag betreten hat und es möglicherweise nicht mehr verlassen hat. Der Tod könnte also am Dienstag eingetreten sein.

Nun ist es naheliegend, der Wahrheit entsprechend, anzunehmen, dass der Tote von Sonntag bis zu seinem Ableben am Dienstag in dem Weinkeller gelegen hat und dort erstickt sein könnte.

Soweit so gut, aber eine Beweisführung ist das nicht. Denn natürlich könnte der Tote auch nach seinem Verschwinden bis zu seinem Ableben ganz woanders gewesen sein.

Grotesk und überhaupt nicht mehr nachvollziehbar wird die Geschichte dadurch, dass Columbo nach dem Willen des Drehbuchautors einen "genialen kriminalistischen Trick" anwendet, um den Mörder zu entlarven.

Denn als der Mörder ihm den Weinkeller zeigt und ihm dabei vor allem zeigt, dass man den Weinkeller jederzeit wieder verlassen kann, weil die Tür von innen leicht zu öffnen ist, läßt Colombo in einem unbeobachteten Moment unbemerkt eine Flasche teuren Portweins mitgehen.

Wenig später lädt er den Mörder und dessen Sekretärin zu einem Abendessen ein und lässt zum Dessert die geklaute Flasche Portwein servieren, ohne die Herkunft der Flasche aufzuklären. Der Mörder, der ein exzellenter Weinkenner ist, merkt sofort, dass der kredenzte Wein verdorben ist, weil er kurzzeitig sehr stark überhitzt wurde.

(Es wird erklärend eingeführt, dass es in der Woche, in der der Mörder verreist war, einen Tag gab, an dem die Außentemperaturen über 40° C betrugen.)

Ohne Erklärung für den Zuschauer, wie der Täter darauf kommt, dass die eine ihm im Restaurant servierte Flasche verdorbener Portwein bedeutet, dass alle Flaschen in seinem eigenen klimatisierten Weinkeller verdorben sein könnten (weil er ja offensichtlich noch gar nicht wissen kann, dass der Portwein aus seinem eigenen Keller stammt) fährt der Täter zurück nach Hause und vernichtet alle seine uralten, kostbaren Weine, indem er sie ins Meer wirft.

Es gibt in dem Film absolut keinen Hinweis darauf, dass etwa die Klimaanlage im Weinkeller kurzzeitig ausgefallen oder gar ausgeschaltet worden sein könnte, während sich der Mörder auf Reisen befand. Insofern sind die Szenen mit dem im Weinkeller durch Hitze verdorbenen Wein für mich völlig unverständlich. Das war der Grund, warum ich mir die Episode zweimal hintereinander angesehen habe.

Columbo ertappt den Täter dabei, wie er die Weinflaschen im Meer entsorgt, an derselben Stelle an der man auch den toten Bruder gefunden hat.

Als der Täter bei seiner Rückkehr von der Steilküste, über die er seinen Bruder und später die Weinflaschen geworfen hatte, Columbo an seinem Wagen lehnen sieht, ist er sofort bereit, ein Geständnis abzulegen.

Kann mir jemand erklären, was das mit dem verdorbenen Wein auf sich hat?

Kann es sein, dass in meiner Version auf DVD vielleicht entscheidende Szenen herausgeschnitten worden sind, die für das Verständnis der Geschichte unverzichtbar sind?

Bin ich einfach nur minderbegabt? Oder wird die Genialität Columbos und seiner Drehbuchautoren überschätzt?

melden

Katori Diskussionsleiter