Non-Stop Müde,
18.03.2010 um 08:43
Es ist ein Unterschied, ob man sich von einer „gesunden Müdigkeit„ wieder angemessen erholen kann oder durch eine „krankhafte Müdigkeit„ langfristig und ohne Aussicht auf Regeneration ausgehöhlt zu werden droht. Denn eine solche „Regenerations-Unfähigkeit„ hat nicht nur körperliche, sondern auch seelische, geistige und vor allem psychosoziale Konsequenzen im Alltag von Partnerschaft, Familie, Beruf, ja Nachbarschaft, Freundeskreis u.a.
Und diese abnorme Tagesmüdigkeit (bei dazu noch mangelhafter nächtlicher Schlafqualität) nimmt offenbar zu. Schlagworte sind chronische Müdigkeit, abnorme Tagesschläfrigkeit, rasche Erschöpfbarkeit u.a. Und neuerdings auch weitere, schwer fassbare Beeinträchtigungen wie die Fibromyalgie, die umweltbezogene Krankheitsanfälligkeit, der Reizdarm usw. mit ihren eigenen zermürbenden Symptomen, wobei man immer öfter die wissenschaftliche Schlussfolgerung hört: Im Grunde gehört eigentlich alles zusammen.
Was also kann zur chronischen Müdigkeit führen? Nachfolgend eine etwas ausführlichere Darstellung:
Ungesunde Lebensweise: Chronische Müdigkeit kann Folge eines Lebensstils sein, in dem die kräftezehrenden, wenn nicht gar auslaugenden Aspekte überwiegen und zumindest nach und nach Entspannung, Regeneration und Erholung zu kurz kommen. Das beginnt mit einer für unsere Zeit typischen Lebensweise (siehe Manie?) und geht über die bekannten stress-intensiven Fehler in Beruf und Freizeit bis hin zum fortlaufenden Schlafdefizit (siehe Schlafstörungen). Dies alles scheint zumindest für die westlichen Zivilisationsländer charakteristisch zu sein – und hat seinen Preis.
Dazu gehören natürlich auch der unkritische Konsum von Alkohol, Zigaretten und sonstigen Genussmitteln, von Rauschdrogen ganz zu schweigen. Und der ganz offenkundige und auch noch zunehmende Bewegungsmangel der überwiegenden Mehrzahl der Bevölkerung.
Menschen mit einem solchen – mittel- bis langfristig im Grunde selbstzerstörerischen, krankheits-fördernden und damit letztlich die eigentlich statistisch zustehende Lebenserwartung verkürzenden – Lebensstil fühlen sich dann oft schon in den „besten Jahren„ chronisch müde, rasch erschöpft, ausgelaugt, seelisch-körperlich überfordert, energie- und lustlos u.a. Und wenn dann noch die Reihefolge „erschöpft è verbittert è ausgebrannt„ droht, dann haben wir es mit dem nächsten Problem zu tun, nämlich dem
Burnout-Syndrom: Das ist zwar noch keine allseits anerkannte Krankheit, aber ein Leiden, das einem gefährlichen Schwelbrand vergleichbar um sich greift, immer mehr Männer und Frauen (und nicht die schlechtesten!) bedroht, seelisch, geistig, körperlich und psychosozial ruiniert und zuletzt nur noch verbitterte und vielleicht gar noch zynische Opfer übrig lässt. Einzelheiten siehe Burnout-Syndrom.
Neben diesen mehr oder weniger steuerbaren Beeinträchtigungen im Bereich von Gesundheit, Partnerschaft, Familie, Freundeskreis, Nachbarschaft, Bekanntenkreis, Arbeitsplatz, Freizeit u.a. gibt es die chronische Müdigkeit als Folge körperlicher und seelischer Erkrankungen. Im Einzelnen:
Chronische Müdigkeit durch körperliche Erkrankungen
Chronische Müdigkeit durch körperlicher Erkrankungen kann insbesondere durch internistische und neurologische Leiden ausgelöst werden. Daneben gibt es allerdings noch andere medizinische Disziplinen bzw. ihre Krankheitsbilder, bei denen ebenfalls eine chronische Müdigkeit drohen kann, z. B. orthopädische (chronische Schmerzbilder durch Wirbelsäulen- und Gelenkleiden), HNO-ärztliche (chronischer Tinnitus), augenärztliche (schwere Sehstörungen, wenn nicht gar Blindheit), ja sogar hautärztliche (chronische Hautleiden, die beispielsweise durch nicht abstellbaren Juckreiz zermürben) u.a. Doch an erster Stelle der organischen Ursachen stehen die erwähnten internistischen und neurologischen Leiden. Im Einzelnen:
Internistische Erkrankungen: Hier findet sich das breiteste Spektrum möglicher Müdigkeits-Ursachen. Dazu gehören (in Fachausdrücken, Erläuterung siehe Spezial-Literatur):
Maligne Tumoren, hämatologische (Blut-)Grunderkrankungen, Elektrolyt- und Wasserhaushaltsstörungen, Autoimmunerkrankungen, lokalisierte oder systemische Infektionen, auch tropische Entzündungen (Tourismus!), endokrine Leiden, Vitaminmangelsyndrome oder Mangel an Spurenelementen, schweres Übergewicht, Intoxikationen, Nebenwirkung bestimmter Arzneimittel u.a.
Bei den endokrinologischen Erkrankungen sind es beispielsweise Morbus Addison, Hypothyreose, Morbus Cushing, Hypophyseninsuffizienz (Hypopituitarismus) und ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus.
Chronische Müdigkeit finden sich aber auch bei verschiedenen Formen von Testosteronmangel bei Männern und bei endokrin bedingter Adipositas (metabolisches Syndrom).
Bei den so genannten exogenen (von außen einwirkenden) Ursachen muss man insbesondere an die Möglichkeit von Intoxikationen (Vergiftung) und an die Nebenwirkungen von (vor allem sedierenden, beruhigenden, dämpfenden) Medikamenten denken. Weitere Einzelheiten dazu siehe später.
Neurologische Erkrankungen: Bei den neurologischen oder im Rahmen der Neurologie mitbehandelten Leiden sind es vor allem eine Reihe von Hirntumoren (insbesondere Hypothalamusbereich), die zuerst durch Tagesschläfrigkeit auf sich aufmerksam machen, ferner nächtliche Krampfanfälle (nächtliches Einnässen, Blut- und Speichelspuren auf dem Kopfkissen, ohne Erinnerung am nächsten Tag, dafür aber Müdigkeit und Abgeschlagenheit), schließlich Schädel-Hirn-Unfälle, Enzephalitis/Meningitis (Hirn- bzw. Hirnhautentzündung), die zu einer so genannten symptomatischen Hypersomnie (zu viel an Schlaf) führen können. Schließlich kataplektische Attacken im Rahmen einer Narkolepsie (siehe das entsprechende Kapitel), die morgendliche Schlaftrunkenheit (Fachbegriff: Non-REM- oder symptomatische Hypersomnie) bzw. episodische Hypersomnie (z. B. das Kleine-Levin-Syndrom) und nicht zuletzt das mehrere medizinische Fächer beschäftigende und immer häufiger werdende Schlaf-Apnoe-Syndrom (nächtliches lautes Schnarchen mit langer Atempause („Aussetzer„) und hier oft Männer mit Übergewicht).
Weitere neurologische, insbesondere neuromuskuläre Erkrankungen mit Müdigkeitsfolgen sind die Multiple Sklerose, die Myasthenia gravis, die Myopathien u.a.
Arzneimittel: Zu den erwähnten exogenen (äußeren) Ursachen gehören insbesondere bestimmte Arzneimittel, die müde machen können, selbst wenn man sie abends einnimmt, die Nachwirkungen aber bis in den nächsten Tag hinein reichen. Die häufigsten Beispiele sind mittel- und niederpotente Neuroleptika (Antipsychotika), stimmungsaufhellende, aber trotzdem dämpfende Antidepressiva, vor allem aber Tranquilizer (Beruhigungsmittel) vom Benzodiazepin-Typ. Allerdings auch Schlafmittel mit überlanger Einwirkung (Fachbegriff: hang over) sowie bestimmte Antihypertonika (Hochdruckmittel).
Dabei muss es sich gar nicht um Missbrauch oder gar Abhängigkeit handeln, es führen auch ärztlich kontrollierte Arzneimittel mit entsprechender Beeinträchtigung zu Tagesmüdigkeit bzw. chronischer Müdigkeit. Das erläutert der Arzt dann auch schon bei der Rezept-Ausstellung und es steht natürlich im Beipackzettel.
Chronische Müdigkeit ist übrigens auch durch Psychostimulantien (Weckmittel, Putschmittel, meist Amphetamine) nicht auszuschließen, die doch eigentlich „beleben, frischer und aktiver„ machen sollten (in etwas weniger ausgeprägter Form übrigens auch bei den Appetitzüglern mit chemisch ähnlicher Struktur). Die auf den ersten Blick irritierende Ursache (Weckmittel sollen müde machen?) liegt in der Kipp-Reaktion bei längerfristigem Ge- bzw. Missbrauch, was zuletzt zu Müdigkeit, Mattigkeit und Konzentrationsstörungen führen kann, wobei an die ursprüngliche Anregung eine dann aber unangenehme innere Unruhe bis Überdrehtheit erinnert, trotz „ausgelaugter Erschlaffung„.
Zur Frage der Rauschdrogen- und Medikamenten-Abhängigkeit mit ihren Müdigkeits-Folgen siehe später.
Müdigkeit als Symptom seelischer Störungen
Müdigkeit, vor allem krankhafte Müdigkeit findet sich auch häufig bei psychischen Erkrankungen. Hier ist dann neben dem Hausarzt und der internistischen Abklärung der Psychiater oder Nervenarzt gefragt. Welches sind nun die häufigsten Müdigkeits-Ursachen aus psychiatrischer Sicht?
Depressionen stehen an erster Stelle, und zwar sowohl nach Häufigkeit als auch Intensität des Beschwerdebildes. Man spricht von etwa 10 bis 15 (wenn nicht gar mehr) Prozent von Betroffenen in der Allgemeinbevölkerung. Die Zahl der lästigen bis quälenden seelischen, körperlichen und psychosozialen Symptome geht in die Dutzende. Zu den psychosomatischen Konsequenzen (seelische Störungen äußern sich körperlich, wenngleich ohne fassbare Ursache) gehören auch Klagen wie passiv, schwach, kraftlos, leicht und schnell ermüdbar bis erschöpfbar (schon nach kleinen Anstrengungen oder Routinearbeiten), ohne Aktivität, Initiative, Schwung, Antrieb, Spannkraft, Ausdauer, Geduld, schließlich sogar willenlos, welk, matt, ja apathisch bis seelisch-körperlich versteinert. Einzelheiten dazu siehe die Depressionen.
Das Gegenstück einer Depression, nämlich die manische Hochstimmung, braucht fast keinen Schlaf (bzw. nutzt einen kurzen, aber überaus erquicklichen Tief- und Traum-Schlaf) und ist aktiv wie noch nie. Dies wird man aber später durch eine Erschöpfung („Kahlschlag der Reserven„), wenn nicht gar durch eine depressive Phase „bezahlen„ müssen. Und hier sind es dann ebenfalls Tagesmüdigkeit, Schwunglosigkeit, Initiativelosigkeit u.a., mit Depression qualvoll, ohne Depression zumindest belastend.
Zu den neurotischen Störungen zählte man früher die Angstneurose, die Phobien, die neurotische Depression, die Hypochondrie, Hysterie u.a. Heute wird das alles anders definiert und klassifiziert, was die Situation zumindest für den Laien noch schwerer überblickbar macht.
Bemerkenswert ist auf jeden Fall, dass solche oft mittel- bis langfristigen neurotischen Leiden bisweilen als „überdreht„ erscheinen, im Grunde aber über eine chronische Müdigkeit, Mattigkeit, Abgeschlagenheit und damit Antriebsschwäche klagen.
Umgekehrt kann sich Müdigkeit auch als so genanntes Konversions-Symptom äußern (vom lateinischen: conversio = Wendung, also der unbewusste Versuch, einen verdrängten seelischen Konflikt in ein körperliches Krankheitszeichen umzusetzen; eindrucksvolles Beispiel: hysterische Blindheit ohne organische Ursache). So kann sich beispielsweise bei Konflikten Müdigkeit als Schutz-Symptom einstellen und den Betreffenden davor bewahren, sich zu einem in seinen Augen oder für seine Umgebung unannehmbaren Verhalten hinreißen zu lassen (z. B. Wut- oder Eifersuchtsreaktionen). Dadurch bleibt er müde, matt und abgeschlagen, und zwar ohne organischen Grund, schützt sich aber vor einem gesellschaftlich oder von seinem eigenen Wert-Muster nicht akzeptierten „Fehlverhalten„, wenngleich auch um einen hohen Preis.
Ähnliches gilt übrigens auch für nicht wenige Ess-Störungen (Anorexia nervosa, Bulimia nervosa) und weitere psychogene (rein seelisch ausgelöste) Funktionsstörungen. Einzelheiten dazu siehe die speziellen Kapitel.
Und für Persönlichkeitsstörungen, bei denen ja nicht nur „unruhige„ bis „unzumutbare„, wenn nicht gar grenzwertige oder kriminelle, sondern auch ängstliche, vermeidende, asthenische (hilflos-schwache), zwanghafte u.a. Persönlichkeiten vorkommen. Und diese zweite Gruppe ist es dann vor allem, die mit einer chronischen Müdigkeit zu ringen hat, die sie ständig im Alltag „ausbremse„.
Rauschdrogenkonsum, Alkoholismus und Medikamenten-Missbrauch: Nicht zu vergessen sind die Suchtkrankheiten, von denen viele Betroffene, gleich welcher Substanz sie erlegen sind, über chronische Tagesmüdigkeit, rasche Erschöpfbarkeit, Schwunglosigkeit, ja über müde, matt und abgeschlagen klagen. Und wenn sie versuchen, sich mit oder ohne ärztlich-psychologische Hilfe davon zu befreien, wird sie in der Entzugs-Phase vor allem eines quälen: ein chronisches Müdigkeits-Syndrom. Und dies oft in Kombination mit innerlich unruhig, nervös und gespannt, einer überaus zermürbenden seelisch-körperlichen Kombination.
Auch Psychose-Erkrankte klagen häufig über Müdigkeit, und zwar sowohl die endogenen (biologischen) Psychosen Schizophrenie und schizoaffektive Störung (bei der Depressionen und manische Hochstimmungen parallel zu schizophrenen Erkrankung vorkommen) als auch exogene (durch äußere Ursachen ausgelöste) Psychosen durch Kopfunfall, Gehirngefäßverkalkung, Stoffwechselstörungen u.a.
Wetter, Klima und chronische Müdigkeit?
Wetter und Klima gehören neben Gesundheit und aktuellen Fragen aus Sport, Wirtschaft und Politik zu den häufigsten Gesprächsthemen. Dies betrifft vor allem die Wetterfühligen, und das ist in unseren Breiten ein gutes Drittel der Bevölkerung: Frauen mehr als Männer, Ältere mehr als Jüngere (die aber aufzuholen beginnen), seelisch und körperlich Beeinträchtigte mehr als Gesunde.
Doch Wetterfühligkeit ist kein Leiden an sich. Meteorologische Faktoren treffen alle gleich. Nur die Reaktion darauf fällt individuell aus (siehe oben).
Als die häufigsten und wahrscheinlich auch belastendsten witterungsabhängigen Beschwerden gelten neben unruhigem Schlaf, Merk- und Konzentrationsstörungen, Arbeitsunlust, Miss-Stimmung, Kopfdruck, vermehrter Fehlerneigung, vegetativen sowie Herz- und Kreislaufstörungen (z. B. Schwindel, Flimmern vor den Augen, Herzbeschwerden), degenerative Veränderungen von Wirbelsäule und Gelenken und sogar Störungen der Sinnesorgane (vor allem Sehen und Hören, besonders bei vorbestehender Beeinträchtigung). Außerdem ein Phänomen, das erst einmal als nicht sonderlich „krankhaft„ eingestuft wird, nämlich: Müdigkeit, Mattigkeit, rasche Erschöpfbarkeit, zumindest aber mangelnde Frische, Aktivität und Leistungsfähigkeit. Einzelheiten siehe die Fachliteratur (Fachbegriffe: Medizin-Meteorologie, Biometeorologie, Klimatologie bzw. Meteoropathie, Wetterfühligkeit, Wetterempfindlichkeit).
Dass vor allem extreme Wetterwechsel nicht ohne Einfluss bleiben, besonders bei seelischen oder körperlichen Schwachpunkten, wo Kaltfront, Warmfront, Fön u.a. besonders nachhaltig angreifen können, wird weitgehend anerkannt. Doch auch das Klima hat seinen Einfluss, und hier insbesondere etwas, was jeder aus seinen Reisen in den Süden kennt: Hitze, vor allem die sommerliche Wärmebelastung in Form von Schwüle, d. h. hoher Temperatur und hohem Wasserdampfgehalt der Luft.
Schwüle gehört zu den riskantesten klimatischen und meteorologischen Gefahren, weshalb bei labiler Gesundheit selbst die Urlaubsplanung unter bioklimatischen Gesichtspunkten zu prüfen ist (und von der Ärzteschaft auch durchaus individuell beurteilt wird). Ohne Alternative, aber nicht minder belastend ist sie aber auch im Alltag zu Hause (und dazu noch bei den üblichen Leistungs-Anforderungen), wenn es sich um einen zwar ersehnten, letztlich aber dann doch zu heißen bis schwülen Sommer handelt. Und hier nimmt dann die ohnehin verbreitete Müdigkeit oder Mattigkeit noch zu, nachvollziehbar zwar, bei Menschen mit Mehrfach-Belastung, die auch andere Müdigkeits-Ursachen einschließt, natürlich doppelt.
Dass man diese Aspekte nicht unterschätzen sollte, lehrt auch ein altes Problem, dass viele Wissenschaftlicher schon vor Jahrhunderten beschäftigt hat, nämlich Wetter, Klima und Kriminalität. Die Art der bisherigen Fachliteratur erstreckt sich von z. T. fantastisch anmutenden Überlegungen über diskussionswürdige Hypothesen bis hin zu realistischen Schlussfolgerungen aus umfangreichen polizeilichen Daten. Nicht wegzudiskutieren ist aber die Erkenntnis, dass Reizbarkeit und Aggressivität bei steigender relativer Luftfeuchtigkeit zunehmen und derlei in feucht-heißen Sommern besonders auffällig ist. Das bezieht sich übrigens nicht nur auf alltägliche Auseinandersetzungen bis hin zu einem aggressiven Fahrstil, sondern schließt offenbar auch bedenkliche Statistiken zur Kriminalität generell ein.
Was auf jeden Fall bleibt ist die nachvollziehbare Schlussfolgerung: Schwülebelastung macht müde, matt und abgeschlagen, vor allem in jenen Breiten, in denen die Bevölkerung bisher darauf gesundheitlich nicht eingestellt war (und sich auch nicht nach einem schwülen Sommerurlaub im Süden wieder in ihren wohl-temperierten heimischen Regionen erholen kann).
Das chronische Müdigkeitssyndrom als eigenständiges Leiden?
Was versteht man nun unter einem chronischen Müdigkeits-Syndrom? Und vor allem: Ist das ein neues Phänomen, ein Charakteristikum unserer Zeit und Gesellschaft?
Die Antwort lautet, wie erwartet: Müdigkeit ist so alt wie die Menschheit und sogar chronische Müdigkeit wurde bereits in den Anfängen der chinesischen Medizin und in der antiken, insbesondere römischen Literatur beschrieben (Cicero, römischer Politiker und Schriftsteller, 106-43 v. Chr.).
Daraus entwickelten sich übrigens schon damals therapeutische Hinweise, die bis heute gelten (siehe später). Das Mittelalter brachte bekanntlich wenig medizinische Fortschritte und in der Renaissance besann man sich vorwiegend auf die alten römischen Quellen. Erst im 19. Jahrhundert kamen wieder konstruktive Überlegungen auf und hier insbesondere der Begriff der Neurasthenie („Nervenschwäche„), wobei auch die (chronische) Müdigkeit wieder ins Zentrum der Überlegungen vorstieß. Und seither wird dieses Thema in der Allgemeinheit zum ständigen Gesprächsthema und in der Wissenschaft kontrovers diskutiert.
Dies vor allem nachdem schon vor rund 30 bis 40 Jahren auch körperliche Krankheiten, speziell Virusinfektionen ins Gespräch gebracht wurden (siehe unten). 1987 schließlich schuf man den Begriff „chronisches Müdigkeits-Syndrom„ (chronic fatigue syndrome - CFS) – und seither beherrscht diese „Krankheit„ Gesellschaft, Wissenschaft, Medien und Allgemeinheit, obgleich es sie nach Ansicht vieler Wissenschaftler als eigenständige Krankheit gar nicht gibt.
Ein Beweis für diese Kritik, der allerdings nur ironisch gemeint ist, sind u.a. die vielen bedeutungsgleichen Begriffe (Fachbegriff: Synonyme) für diese „Erschöpfungskrankheit„, die nachfolgend im Kasten aufgeführt werden (Erklärung siehe Fachliteratur).
Bedeutungsgleiche und -ähnliche Begriffe der „Erschöpfungskrankheit
Neurasthenie, atypische Poliomyelitis, „Iceland disease„, „royal free disease„, epidemische Neuromyasthenie, idiopathisches chronisches Erschöpfungs- und Myalgiesyndrom, epidemische myalgische Enzephalomyelitis, postvirales Syndrom, benigne myalgische Enzephalomyelitis, chronisches Mononukleosesyndrom, chronisch-infektiöse Mononukleose, chronisch-aktive Epstein-Barr-Virusinfektion, „Lake Tahoe disease„, chronisches Müdigkeits-Syndrom - CFS, postinfektiöses chronisches Fatigue-Syndrom, idiopathisches chronisches Fatigue-Syndrom u.a.m.
Was wird als Ursache diskutiert?
Fachleute erkennen schon aus den verschiedenen Begriffen (siehe Kasten), welche Vielfalt möglicher oder zumindest diskutierter Ursachen beim chronischen Müdigkeits-Syndrom ins Spiel gebracht werden. Deshalb bleibt vorerst der Satz unwiderlegbar:
Beim chronischen Müdigkeits-Syndrom handelt es sich um ein Beschwerdebild, dem wahrscheinlich mehrere und vor allem ganz unterschiedliche auslösende Faktoren zugrunde liegen.
Um aber wenigstens ein wenig Ordnung in die mehrschichtigen Ursachen-Bündel zu bringen, schlug man in Wissenschaftskreisen vier größere Gruppen vor, nämlich
postinfektiöse Ursachen (Fachbegriff: postinfektiöses chronisches Müdigkeits-Syndrom) durch bakterielle oder virale Infektionen.
Durch seelische und psychosoziale Auslöser verursachtes chronisches Müdigkeits-Syndrom (Fachbegriff: neurasthenisch somatisiertes chronisches Müdigkeits-Syndrom), wenn entsprechende Ursachen objektiviert werden können (z. B. depressive und angstgetönte Störungen).
Chronisches Müdigkeits-Syndrom mit Schwerpunkt auf Muskelbeschwerden (Fachbegriff: myalgisches chronisches Müdigkeits-Syndrom), insbesondere wenn die für das Fibromyalgie-Syndrom typischen Schmerzpunkte und Begleitsymptome sowie ein Hinweis auf genetische (erbliche) Aspekte gesichert werden können (z. B. gehäuftes Auftreten von Allergien bei diesen Patienten und in ihren Familien).
Chronisches Müdigkeits-Syndrom ohne fassbare Ursache (Fachbegriff: idiopathisches chronische Müdigkeits-Syndrom), bei dem aber trotzdem konkrete Ursachen diskutiert werden müssen, z. B.
- endokrinologische, toxikologische oder andere umweltbedingte Einflüsse bzw.
- im Rahmen von autoimmunen organspezifischen bzw. -unspezifischen Erkrankungen (z. B. wenn die körpereigene Abwehr durch bestimmte Krankheiten beeinträchtigt ist).
Als äußere Auslöser gelten auch langanhaltender Stress bzw. seelische und/oder psychosoziale Belastungen, wie sie durch sexuellen Missbrauch im Kindesalter, durch Schädel-Hirn- oder andere Unfälle, durch Operationen, verstärkte Infektneigung, jedenfalls nicht mehr richtig abheilende „Dauer-Infektionen„ vorkommen können, aber auch Überempfindlichkeitsreaktionen auf Nahrungsmittel oder bestimmte Medikamente u.a.m. Entscheidend scheint sich aber keines dieser Belastungsfaktoren auszuwirken, höchstens als zusätzliche Beeinträchtigung.
Das Gleiche gilt für die Persönlichkeitsstruktur, die sowohl beim chronischen Müdigkeits-Syndrom als auch bei der Fibromyalgie (sowie bei der Umwelterkrankung und dem Colon irritabile?) gefunden worden sein sollen: Genau bis übergenau, ja perfektionistisch (zwanghaft ordnungsliebend), starkes Gerechtigkeitsgefühl (und hier ein wenig unflexibel?), ehrgeizig und sozial engagiert, aber auch von geringem Selbstwertgefühl geschlagen und nicht selten überaus ängstlich und verletzbar, bis hin zu zwanghaften Befürchtungen (Phobien). Unverkennbar offenbar auch eine etwas hypochondrische Neigung (überzogene Krankheitsfurcht), manchmal sogar mit hysterischem Einschlag.
Wie äußert sich ein chronisches Müdigkeits-Syndrom?
Die häufigsten Beschwerden im Rahmen eines chronischen Müdigkeits-Syndroms sind (in abnehmender Häufigkeit):
Müdigkeit, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen, Muskelschwäche, Merk- und Konzentrationsstörungen bis zur Vergesslichkeit, manchmal sogar leichte „Verwirrtheit„, ferner Reizbarkeit, Niedergeschlagenheit, Schlafstörungen, Halsschmerzen, erhöhte Temperatur, Atemenge bis Atemnot sowie schmerzhafte Lymphknoten, Heiserkeit, brennende Schleimhäute von Mund und Nase u.a.
Interessanterweise – und das lässt eine Verbindung zwischen diesen Leidensbildern vermuten – haben auch die Fibromyalgie und die Multiple chemische Sensitivität ein ähnliches Verteilungsmuster.
Als weitere Zusammenhänge finden sich das plötzliche Auftreten („aus heiterem Himmel„), der oft schubförmige Verlauf, der Wechsel von einem Krankheitszeichen zum anderen, die Abhängigkeit der Beschwerden von äußeren Faktoren (z. B. Monatsblutung, Stress, Wettereinfluss) und ihre Beeinflussbarkeit durch körperliche und geistige Aktivität.
Als zusätzliche bzw. schon erwähnte Belastungen, die einen regelrechten Teufelskreis anheizen können, gelten:
Schlafstörungen, vor allem Ein- und Durchschlafstörungen: 30 bis 80% aller Betroffenen beklagen eine deutliche Abnahme der Schlaftiefe und zeigen tatsächlich im Schlaflabor einen verminderten REM-(Traum-)Schlafanteil.
Eine verstärkte Infektanfälligkeit, beispielsweise mit gehäuften Nasennebenhöhlenentzündungen,
aber auch von Muskulatur und Schleimhäuten von Darm, Blase und Lunge (Stichwörter: Reizdarm, Reizblase, Reizhusten).
Spannungskopfschmerzen bis hin zu Migräne-artigen Beschwerden.
Kognitive Einbußen mit Merk- und Konzentrationsstörungen (Wortfindungsstörungen, Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses).
Angststörungen mit vegetativen Symptomen. Beispiele: schwindelige Benommenheit, Herzklopfen, Schwitzen, Kältegefühl, Mundtrockenheit, Augenbrennen, (wandernde) Missempfindungen, ferner starke Durstgefühle oder Heißhungerattacken. Manchmal regelrechte überfallartige Panikattacken.
Depressive Zustände mit Resignation, Niedergeschlagenheit, Bedrücktheit, Lustlosigkeit, Freudlosigkeit u.a.
Seh- und Hörstörungen. Beispiele: verschwommenes Sehen, Tinnitus (Ohrgeräusche), Hörsturz u.a., die bisweilen einem chronischen Müdigkeits-Syndrom (und einer Fibromyalgie) vorausgehen können.
Psychosoziale Folgen: Nicht nur auf der so genannten Symptom-Ebene (siehe oben), sondern psychosozial verhängnisvoll sind natürlich die Konsequenzen in zwischenmenschlicher Hinsicht: Partnerschaft, vor allem Ehe, Familie und Erziehung, aber auch Nachbarschaft, Freundeskreis, insbesondere aber im Beruf und Verkehr oder sonstigen Situationen, die geistige Frische und gesunde Reaktionsfähigkeit verlangen. Man denke nur an Arbeitsplätze mit laufenden Maschinen und die Folgen der Müdigkeit am Steuer, vom Einschlafen („Sekunden-Schlaf„) ganz zu schweigen. Letzteres soll zum Beispiel eine viel häufigere Ursachen von Verkehrsunfällen sein als bisher exakt nachweisbar (die Zahl der müdigkeitsbedingten Verkehrsunfälle variiert sehr stark, nämlich zwischen 1 und 30%, wobei vor allem das Schlaf-Apnoe-Syndrom mit einem erhöhten Unfallrisiko verbunden ist.
Wen trifft das chronische Müdigkeits-Syndrom?
An Betroffenen mangelt es nicht, wohl aber an einer gewissen Einheitlichkeit jener Aspekte, die sich bei besser definierbaren Erkrankungen häufen und damit das gesamte Leidens-Spektrum schärfer fassen lassen.
Was man bisher weiß, sind folgende Erkenntnisse:
Frauen sind häufiger betroffenen als Männer (2- bis 3-mal öfter?).
Vom Alter her sind praktisch alle Altersstufen vertreten.
Sogar Kinder und Jugendliche können beeinträchtigt sein, wobei deren Beschwerdebild dann nicht so ausgeprägt oder auch nur flüchtig nachweisbar ist, am ehesten als Leistungseinbuße in der Schule oder als Entwicklungs-Verzögerung.
Die Häufigkeit ist schwer festlegbar, vor allem wenn die Definition und Klassifikation noch nicht allseits akzeptiert ist. So spricht man beispielsweise von 2,3 bis 7,4 pro 100.000 Menschen bei den über 18-Jährigen mit einem mittleren Alter von 35 bis 38 Jahren.
Therapie:
Bisher gibt es keine effektive, insbesondere kausale Therapie, die die entscheidenden Ursachen beheben könnte (da man sie noch nicht kennt). Man wird also von Fall zu Fall herausfinden müssen, welche Maßnahmen am besten das jeweilige Beschwerdebild beeinflussen. Vor allem darf der Patient über diese Situation nicht im Unklaren gelassen werden. Entscheidend ist also eine gute Arzt-Patient-Beziehung, eine ungeschönte Aufklärung und konkrete Hinweise, was der Betroffene selber tun kann.
In seelischer und psychosozialer Hinsicht gilt es besonders Konfliktsituationen aufzudecken, auf tiefgreifende Störungen des inneren Gleichgewichts zwischen Anspannung und Entspannung hinzuweisen und die Patienten darüber aufzuklären, dass zwischen den bestehenden Lebensbedingungen und den geklagten Beschwerden ein möglicher (meist tatsächlich zutreffender) Zusammenhang besteht.
Dies alles sind Möglichkeiten, die den Betreffenden nicht „entlarven„ („Hypochonder„), sondern auf die eigentlichen Ursachen zurückführen sollen. Denn wenn ihm von allen Seiten nur die Unbedenklichkeit seiner geklagten Stör-Ursachen bescheinigt werden, das Leidensbild aber unverändert belastet oder gar immer unerträglicher wird, dann kann es nur einen Weg zur Milderung oder gar Heilung geben: die richtige Ursache, z. B. in seelischer Hinsicht.
Auf psychologischer Ebene müssen die Patienten lernen, vermehrt „nein„ zu sagen, und zwar sowohl gegenüber den Forderungen von anderen als auch ihren eigenen Ansprüchen, die meist ebenfalls nicht gerade kräfte-schonend sind, was Perfektionismus, Arbeitstempo, Leistungsanforderungen u.a. anbelangt. Was zu viel ist, muss reduziert, wenn nicht abgebaut werden. Es gilt einen neuen Rhythmus zwischen Anspannung und Entspannung zu finden, zu trainieren und vor allem durchzuhalten.
Physiotherapeutisch empfiehlt sich – je nach Beschwerdebild – auch der Einsatz von Kälte oder Wärme (siehe Fibromyalgie und Colon irritabile).
Die Selbstbehandlung mit körperlicher Aktivität (täglicher Gesundmarsch bei Tageslicht), gymnastischen Übungen und vor allem Entspannungstechniken mit konsequenter Anwendung von Autogenem Training, Yoga oder Progressiver Muskelrelaxation sollten eigentlich zur (selbst-)therapeutischen Grundausstattung gehören.
Medikamentös geht es meist um die Linderung des jeweiligen Beschwerde-Schwerpunktes, dem man psycho- und soziotherapeutisch sonst nicht befriedend beikommen konnte. Beispiele: Schlafstörungen, Schmerzen, Depressionen, Angstzustände, kräftezehrende innere Unruhe, Nervosität und Anspannung, Muskelverkrampfungen u.a. Demzufolge verordnet der Arzt Schmerzmittel, Antirheumatika, Schlafmittel, Beruhigungsmittel, stimmungsaufhellende Antidepressiva sowie – meist als ersten Versuch – pflanzliche Arzneimittel wie Johanniskraut, Baldrian, Hopfen, Melisse usw.
Ziel der übergeordneten lebensbegleitenden Maßnahmen (Lebensplanung) ist vor allem eine bessere Stressbewältigung, die Änderung von belastenden Lebensgewohnheiten, der Abbau von Versagensängsten und unnötigen Verstimmungszuständen, vor allem aber die körperliche Aktivität und gesunde Lebensweise in jeglicher Form.
Wenn es Not tut und der Patient sich deshalb nicht abgewertet fühlt (Verdacht, seine Leidenshinweise würden als Simulation missdeutet, deshalb konsequente Aufklärungs- und Informationsarbeit!), dann empfehlen sich auch ambulante (notfalls stationäre) psychotherapeutische Maßnahmen, speziell verhaltenstherapeutisch orientiert.
Naturheilverfahren pflegen zwar in der Schulmedizin auf weniger Zustimmung zu stoßen, doch werden ohnehin alternative Therapieverfahren versucht, was gerade bei diesen Patienten durchaus seinen Sinn haben kann (Angst vor Nebenwirkungen chemischer Arzneimittel, die durch die skeptische und furchtsame Einstellung deren Effektivität von vornherein untergraben können). Manchmal bringt sogar die gleichzeitige Anwendung schulmedizinischer und alternativer Behandlungsmöglichkeiten einen erstaunlichen Fortschritt, obgleich dies sicher von beiden Seiten erst einmal abgelehnt wird.
(psychosoziale-gesundheit.net)