Wie wärs mal mit nem neuen Trend ?
07.06.2008 um 14:33
Die Goa-Szene
Goa-Party - dieser Begriff findet sich seit Mitte 2002 immer häufiger im polizeilichen Sprachgebrauch wieder. Meist ist mit ihm aber auch die Frage verbunden: Was ist Goa und vor allem, woher kommt der Begriff? - Hier ein Erklärungsversuch:
Hintergrund
Goa ist eine Region an der Westküste Vorderindiens. Das Gebiet spielte in den 60er Jahren eine tragende Rolle, als sich dort in den Wintermonaten zahlreiche Hippie-Anhänger zusammenfanden, um Parties zu feiern und sich gemeinsam auf die Suche nach spiritueller Erfahrung und Sinnfindung zu machen.
Kennzeichnend für die Goa-Szene sowohl damals als auch heute ist das Zusammengehörigkeitsgefühl der Szene, das einhergeht mit dem Feiern von Festen sowie dem Konsum von Drogen. Die heutige Goa-Szene lehnt sich weitestgehend an die Philosophie der Hippie-Bewegung an. Lediglich die Musikrichtung hat sich geändert. Auf heutigen Goa-Parties ist Trance-Musik vorherrschend; eine Variante des sich in den 90er Jahren entwickelten Technos. Ein von den Partygängern angestrebtes Ziel ist die Belebung ihrer Sinne. Dies soll sowohl mit Hilfe von Musik unterstützt durch optische Reize wie fluoreszierende Kleidung und ultraviolette Lichtspiele als auch mit Hilfe des Konsums von Betäubungsmitteln geschehen. Als bevorzugte Betäubungsmittel spielen hier insbesondere halluzinogene Drogen wie LSD, Psilocybin-Pilze und Cannabisprodukte eine Rolle, aber auch Ecstasy und Amphetamine werden von einigen Szenemitgliedern konsumiert.
In Rheinland-Pfalz wurde man erstmals im Mai 2002 auf das Phänomen aufmerksam. Ausschlaggebend war eine Routinekontrolle einer ungenehmigten Goa-Party, bei der man neben diversen Verkaufsständen für Essen, Trinken und Textilien auch zahlreiche verkaufsfertig abgepackte Minigrip-Tütchen mit psilocybinhaltigen Pilzen, Haschisch und Marihuana auffand. Eine Großzahl der Veranstaltungsteilnehmer stand Berichten der eingesetzten Beamten zufolge unter deutlichem Drogeneinfluss.
Durch das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz wurden daraufhin Internetrecherchen durchgeführt, durch die man die Erkenntnis erlangte, dass es sich bei der festgestellten Goa-Party nicht um einen Einzelfall handelte, sondern dass derartige Veranstaltungen regelmäßig sowohl in Rheinland-Pfalz als auch deutschland- und europaweit durchgeführt werden. Das Internet dient hierbei der Szene als Kommunikations- und Informationsmedium.
Auffällig war zu Beginn der Recherchen, dass Goa-Parties bei den zuständigen Behörden und den Vermietern der Örtlichkeiten häufig als „private Veranstaltung" (z.B. Geburtstagsfeier) deklariert worden waren. Tatsächlich wurde jedoch, und wird auch immer noch, via Internet öffentlich zu den Veranstaltungen eingeladen, außerdem werden regelmäßig Eintrittsgelder erhoben und es findet entgeltlicher Getränkeausschank statt. Bei den Party-Lokalitäten handelt es sich zum überwiegenden Teil um abgelegene Felder und Wiesen (sog. Outdoor-Parties) mit ausreichend Raum zum Übernachten in Zelten oder Campingwagen.
Mittlerweile hat in Bezug auf die Beantragung erforderlicher Genehmigungen ein Wandel stattgefunden. Ein Großteil der Veranstaltungen findet heute offiziell mit Genehmigung der zuständigen Behörden statt.
Hintergrund für diesen Wandel ist zum einen die Tatsache, dass Goa-Parties mittlerweile einen regen Zulauf szenefremder Personen vermelden können und einige Veranstalter den damit verbundenen finanziellen Nutzen erkannt haben, zum anderen erscheint es manchen Szenegängern sinnvoller, eine behördlich genehmigte Veranstaltung durchzuführen, als die Gefahr der Auflösung einer ungenehmigten Veranstaltung einzugehen.
Jedoch tragen nicht alle Szenemitglieder diese Kommerzialisierung mit. Vielmehr wünschen sich viele die Rückkehr zu ursprünglichen, versteckten Parties in kleinem Kreis, um dort ungestört von Behörden und szenefremden Teilnehmern auf ihre Art feiern zu können.
Szeneverhalten
Um sich - insbesondere als Polizei - in der Goa-Szene zurecht zu finden und lagegerecht Maßnahmen durchführen zu können, ist eine umfassende Kenntnis des Szeneverhaltens unumgänglich.
In diesem Zusammenhang ist die Kommunikation sowohl über Internet als auch über Handy als besonders wichtig anzusehen. Im Internet gibt es zahlreiche Homepages, die sich mit dem Thema „Goa-Party" befassen und auf denen man neben Veranstaltungskalendern und Tipps zum Umgang mit Behörden und Betäubungsmitteln, auch Gästebücher sowie Chatrooms findet, die von der Szene zur Informationsweitergabe genutzt werden.
Auffällig ist, dass ein Großteil der Betreiber solcher Internetseiten selbst bereits polizeilich in Erscheinung getreten ist, überwiegend wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Geplante Veranstaltungen werden in so genannte „Partykalender" oder bei kleineren Veranstaltungen in Gästebüchern eingetragen. Häufig erhält man als Ortsinformation lediglich das regionale Gebiet, in dem die Party stattfindet (z.B. Raum Mainz), sowie die Veranstaltungszeit. Oft werden Hotline-Nummern angegeben, über die man wenige Tage vor Veranstaltungsbeginn die exakte Örtlichkeit erfragen kann. Vor Ort wird der Weg zum Partygelände dann meist mit „Flyern" gekennzeichnet, die zur besseren Orientierung zuvor im Internet veröffentlicht werden. Durch diese Taktik soll eine kurzfristige bedarfsgerechte und kräfteintensive Lagebewältigung durch die zuständige Polizeibehörde erschwert werden.
Vor polizeilichen Ermittlungen im Internet wird mittlerweile gewarnt. Die Szenemitglieder werden aufgefordert, Informationen überwiegend per Handy oder mit Hilfe von Mundpropaganda innerhalb der Szene zu verbreiten. Ebenso werden in der Szene bekannt gewordene polizeiliche Maßnahmen im Zusammenhang mit einer Veranstaltung zeitnah im Internet auf Webseiten und über Newsletter veröffentlicht. Interessant ist auch, dass bei einigen Outdoor-Veranstaltungen die zu verkaufenden Betäubungsmittel bereits im Vorfeld in Erddepots versteckt werden, um auf diese Weise der polizeilichen Strafverfolgung zu entgehen.
Zu den Teilnehmerzahlen von Goa-Parties lässt sich keine allgemeingültige Aussage treffen. Nach Erfahrungen in Rheinland-Pfalz schwanken die Zahlen zwischen 30 und 3.000 Teilnehmern. Gespräche mit den Veranstaltern über geplante Teilnehmerzahlen sind daher unumgänglich.
Polizeiliche Reaktion
In Rheinland-Pfalz werden Goa-Parties überwiegend durch offene Präsenz sowohl im Vorfeld als auch während der Veranstaltung überwacht. Weiterhin werden die Ordnungsbehörden im Rahmen der Vollzugshilfe bei der Durchsetzung von Auflagen/Verbotsverfügungen unterstützt. Repressive Maßnahmen erfolgen überwiegend in Form von Kontrollmaßnahmen des ankommenden und abfließenden Verkehrs, aber auch durch offene und verdeckte Einsatzkräfte im Bereich des Veranstaltungsgeländes.
Der Erfolg des polizeilichen Einsatzes bei einer Goa-Party hängt im Wesentlichen von der Einsatzvorbereitung ab. Eine umfassende Informationssammlung im Internet sowie beim Veranstalter selbst, ein fortwährender Informationsaustausch zwischen den beteiligten Behörden, Absprachen hinsichtlich des Erteilens von Auflagen und Genehmigungen sowie der Vorgehensweise bei Nichteinhaltung erteilter Auflagen sind sinnvoll. Weiterhin sollten polizeiliche Maßnahmen im Vorfeld der Veranstaltung mit Vertretern der Staatsanwaltschaft und der Bußgeldstelle abgestimmt werden. Gewonnene Informationen müssen fortwährend aktualisiert werden. Je nach Erkenntnislage sollte auch die Durchsuchung des Veranstaltungsgeländes nach Rauschgift-Erddepots vor Veranstaltungsbeginn angestrebt werden.
Als Einsatzmaßnahmen während der Veranstaltung haben sich das Einrichten von Kontrollstellen zur Überwachung des An-/Abreiseverkehrs sowie die offene Präsenz der Einsatzkräfte im Einlassbereich bewährt, um eine Verunsicherung der Szene zu erreichen. Ziel dieser Verunsicherung ist die Reduzierung insbesondere des Drogenkonsums bzw. -handels. Ebenso kann der Einsatz verdeckter Aufklärungskräfte im Veranstaltungsbereich zur Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten insbesondere aus dem Bereich der Rauschgiftkriminalität beitragen.
Fazit:
Goa-Parties sind eine neue Erscheinungsform der Rauschgiftkriminalität, die zunehmend professionellen Veranstaltern eine Plattform für Drogenhandel-, -erwerb und -konsum bieten. Dabei stellt das teilweise bundesweite Geflecht der Veranstalter eine besondere Herausforderung an Polizei, Ordnungsbehörden und Staatsanwaltschaft, der nur durch eine professionelle Lagebewältigung begegnet werden kann und sollte.
Der Erfolg konsequenter polizeilicher Maßnahmen wurde in Rheinland-Pfalz bereits erkennbar. Im Vergleich zum Vorjahr konnte im Jahr 2003 ein deutlicher Rückgang der Veranstaltungszahlen registriert werden, während Internetrecherchen zufolge europaweit ein Anstieg der Veranstaltungszahlen zu verzeichnen war.
Sicherlich hat die starke, polizeiliche Präsenz auch einen Verdrängungseffekt zur Folge; in der Regel ist dies jedoch nur bei Großveranstaltungen der Fall, die mit hohen Kosten verbunden sind und bei denen der Veranstalter der Gefahr der Party-Auflösung aus dem Weg gehen möchte. Stellt man diesem Verdrängungseffekt die durch die polizeiliche Präsenz verursachte Verunsicherung der Szene gegenüber, kann man eine derartige Reaktion durchaus in Kauf nehmen. Selbst wenn die Party an eine andere Örtlichkeit verlegt wird, sind die Veranstalter erfahrungsgemäß darauf bedacht um Unannehmlichkeiten mit den Behörden und dadurch entstehende Kosten zu vermeiden, die Partyteilnehmer zur Zurückhaltung zu ermahnen. Zumindest der erste Schritt in die richtige Richtung.
Auszug aus der Internetseite www.lovefamiliycastle.de als Reaktion auf die Einsatzmaßnahmen zur Goa-Veranstaltung „Love Family Castle" auf der Festung Ehrenbreitstein/Koblenz:
Love Family sagt Danke!