Denksprüche und Zitate
08.08.2019 um 01:14
Das grösste Schwergewicht. – Wie, wenn dir eines Tages oder Nachts, ein Dämon in deine einsamste Einsamkeit nachschliche und dir sagte: „Dieses Leben, wie du es jetzt lebst und gelebt hast, wirst du noch einmal und noch unzählige Male leben müssen; und es wird nichts Neues daran sein, sondern jeder Schmerz und jede Lust und jeder Gedanke und Seufzer und alles unsäglich Kleine und Grosse deines Lebens muss dir wiederkommen, und Alles in der selben Reihe und Folge – und ebenso diese Spinne und dieses Mondlicht zwischen den Bäumen, und ebenso dieser Augenblick und ich selber. Die ewige Sanduhr des Daseins wird immer wieder umgedreht – und du mit ihr, Stäubchen vom Staube!“ – Würdest du dich nicht niederwerfen und mit den Zähnen knirschen und den Dämon verfluchen, der so redete? Oder hast du einmal einen ungeheuren Augenblick erlebt, wo du ihm antworten würdest: „du bist ein Gott und nie hörte ich Göttlicheres!“ Wenn jener Gedanke über dich Gewalt bekäme, er würde dich, wie du bist, verwandeln und vielleicht zermalmen; die Frage bei Allem und Jedem „willst du diess noch einmal und noch unzählige Male?“ würde als das grösste Schwergewicht auf deinem Handeln liegen! Oder wie müsstest du dir selber und dem Leben gut werden, um nach Nichts mehr zu verlangen, als nach dieser letzten ewigen Bestätigung und Besiegelung?
- Friedrich Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, Viertes Buch, Aphorismus 341
Was kann allein unsre Lehre sein? – Daß Niemand dem Menschen seine Eigenschaften giebt, weder Gott, noch die Gesellschaft, noch seine Eltern und Vorfahren, noch er selbst (– der Unsinn der hier zuletzt abgelehnten Vorstellung ist als »intelligible Freiheit« von Kant, vielleicht auch schon von Plato gelehrt worden). Niemand ist dafür verantwortlich, daß er überhaupt da ist, daß er so und so beschaffen ist, daß er unter diesen Umständen, in dieser Umgebung ist. Die Fatalität seines Wesens ist nicht herauszulösen aus der Fatalität alles Dessen, was war und was sein wird. Er ist nicht die Folge einer eignen Absicht, eines Willens, eines Zwecks, mit ihm wird nicht der Versuch gemacht, ein »Ideal von Mensch« oder ein »Ideal von Glück« oder ein »Ideal von Moralität« zu erreichen, – es ist absurd, sein Wesen in irgend einen Zweck hin abwälzen zu wollen. Wir haben den Begriff »Zweck« erfunden: in der Realität fehlt der Zweck... Man ist nothwendig, man ist ein Stück Verhängniß, man gehört zum Ganzen, man ist im Ganzen, – es giebt Nichts, was unser Sein richten, messen, vergleichen, verurtheilen könnte, denn das hieße das Ganze richten, messen, vergleichen, verurtheilen ... Aber es giebt Nichts außer dem Ganzen!
- Friedrich Nietzsche, Götzen-Dämmerung, Kapitel 8, Die vier großen Irrtümer