@Cleanboy Aus meinem Blog importiert - ein typischer Morgen in der Nähe von Süderlügum/NF:
Eilige Eileen
Wer sich mit der Geschichte des Volkes von der Grünen Insel auseinander setzt, der weiß: Außerhalb seines Hauses ist der Ire, die Irin zu Großem fähig. Da werden Eisenbahnlinien durch die Rockies gekloppt, Schafe in Australien geschoren, in Südafrika Diamanten ausgebuddelt und am St.Patrick's Day wird der Welt was grün gemacht. Die Welt verdankt den Iren so großartige Erfindungen wie Guinness vom Fass, Butter, die auch bei minus 18 Grad streichfähig bleibt und die singende Altkleidersammlung der Kelly-Family.
Bloß zu Hause kriegen Paddy und Maddy nix gebacken. Da kriegt man nicht mal die Engländer aus dem Land. Ich bitte Euch, ENGLÄNDER! Da genügt doch ein Handtuch auf der Sonnenliege, um sie zu verjagen! Die Volkswirtschaft des „keltischen Tigers“ hat sich erkältet und krebst nun irgendwo zwischen den PIGS herum. Katholischer Schlendrian eben. Abtreibung verbieten, Frauen hauen, saufen und dann traurige Lieder grölen. Das kriegt er hin, der irre Ire – aber mehr auch nicht.
Meine Frau ist Unternehmerin. Der Unternehmer heißt bekanntlich Unternehmer, weil er, bzw. in diesem Falle sie, etwas unternimmt. Beispielsweise Reisen. Schon Blaise Pascal wusste: „Das ganze Unglück der Menschen rührt daher, dass sie nicht still in einem Zimmer bleiben können.“
Keine Ahnung, wann und wo der meine Frau kennen gelernt hat.
„Morgen früh muss ich übrigens weg. Ein paar Kunden besuchen“ spricht die Liebste in ihr Abendessen.
„Wohin soll's gehen? Dublin, Paris?“
„Stuttgart“ tönt es aus vollem Munde.
„Auch nicht schön. Lange?“
„Weiß nicht. Paar Tage. Hilfst Du mir packen?“
Ich bin wie Heinrich VIII. Ich kann einer schönen Frau einfach nichts abschlagen. Höchstens den Kopf. Packen mit Eileen bietet mehr als einen Grund für diese Gewaltfantasie. Kleiderschrankfront (wir reden über mehrere Quadratmeter!) auf. Sachen raus auf's Bett: „Kriegst Du das irgendwie in die Koffer, ohne zu knittern?“ Klar, Schatz, ich kann das große Zelt von Roncalli in eine Seifendose packen, ohne zu knittern. So füllt sich Rollkoffer auf Rollkoffer, bis es aussieht, als würde ein Staatstheater auf Auslandstournee gehen wollen. Inklusive Theatergebäude. Für Jahrzehnte!
„Was ist jetzt wo drin?“ begehrt die Expeditionsleiterin zu wissen.
„In dem da sind legere Sommerklamotten. Da sind Unterwäsche, Strumpfhosen und Wasweißich drin und die „guten Sachen“ sind hier in diesen Hängehüllen.“
„Danke!“
„Ach ja, und da sind Pullover und Anoraks drin, falls es in Stuttgart zu einem plötzlichen Wintereinbruch kommen sollte.“ (Wetterbericht prognostiziert 34 Grad. Plus. Aber man weiß ja nie!)
„Und die Schuhe?“
„Im 20-Fuss-Container unten im Hof.“
„Alle?“
„Nee, alle passten nicht rein, Frau Marcos.“
Dann kommt noch der Schwung „Kulturbeutel“. Meine Frau musste lachen, als sie hörte, dass Deutsche in der Lage sind, ihre komplette Kultur in einen Beutel zu packen. Iren können das nicht. Entweder die haben mehr Kultur, was uns zu denken geben sollte, oder sie können einfach nur schlechter packen.
So, Operation „Pack dat“ ist beendet. Müde fallen wir ins Bett. Es ist schon spät und morgen geht es früh raus. Kuss, umdreh, schnarch. So ist das nach langen Ehejahren. Ich finde erst Schlaf, nachdem ich einen Gürtel mit fieser Schnalle aus meinem Bett entferne. Wozu der wohl gehört? Bestimmt zieht Eileen beim Kundenbesuch genau diese Hose an. Dann steht sie da, trägt ihr Kampagnen-Konzept vor, die Hose rutscht und die ganzen alten Säcke starren auf ihren roten Stringtanga. Während ich noch überlege, ob das für den Etat gut ist oder schlecht, schlafe ich ein.
Kurz darauf schrillt der Wecker. SCRAMBLE! Alarmstart! Im Haus geht es zu wie auf einem RAF-Stützpunkt während der Battle of Britain. Alles hastet durcheinander. Kaffeemaschinen werden betankt, Toaster aufmunitioniert, Eierkocher gestartet, Badezimmer evakuiert, Untertassen fliegen durch die Küche. Alles ist in heller Aufregung. Bis auf eine. Die schnarcht.
„Eileen! Aufstehen!! Du must lo-hos! Komm, Arsch aus dem Bett!“
Aus dem Schlafzimmer dringt ein gälischer Fluch, der höflich übersetzt so etwas heißt wie „fucking hell!“ und die Rede ist von einem Teufel, der die Wecker und vor allem die Ehemänner holen soll. Ganz besonders einen. Madame ist Morgenmuffel und hat dann eine Laune wie Dschingis Khan an schlechten Tagen.
Früher schickte ich in solchen Fällen immer die Kinder. Mama wachkitzeln. Seit sie aber angekündigt hat, sie im Wiederholungsfalle an belgische Kinderprostituiertenringe zu verkaufen, trauen sich die Kinder nicht mehr.
Während die gestresste Familie frühstückt, schlurft eine finstere Gestalt durch die Küchentür, mit dem Aussehen einer pensionierten Crackhure und dem Gesichtsausdruck von Norman Bates vorm Duschvorhang.
„Ich muss gleich los und ihr sitzt hier seelenruhig rum und fresst! Kann ich 'n Kaffee? Ich geh' duschen.“
Der Trick dabei ist, den Kaffee so stark zu kochen, dass er unter der Dusche ruhig verdünnt werden kann. Es darf nur kein Shampoo hinein, dann schäumt er und schmeckt nicht. Nicht, dass meine Frau das stören würde. Ihre Geschmacksnerven liegen noch oben und schlafen.
In vergleichsweise kurzer Zeit ist sie wieder da. Strahlend schön wie der junge Morgen. Eigentlich erstaunlich, verlängert sich doch üblicherweise die Zeit, die eine Frau morgens im Bad verbringt nach einer komplizierten Formel überproportional zum Lebensalter. Unsere Tochter beispielsweise kommt mit 13 Jahren mit einer Zehntelsekunde aus. Zähneputzen und Haare kämmen is for sissies! Meine Herzallerliebste kann schon mal Stunden brauchen. Erst recht, wenn Rasiergerätschaften im Spiel sind. Merke: Frauen haben zwar von Natur aus wesentlich weniger Haare als Männer, rasieren sich aber an deutlich mehr Körperstellen. Hinterher keift mein Sohn wieder: „Uärks! Da sind überall Mamas Schamhaare in der Duschwanne. Ich geh' nicht duschen!“ So geht dann die Körperhygiene des einen zu Lasten des anderen Menschen. Und der arme Junge wird obendrein noch schwer traumatisiert, weil er Frauen nur mit Haaren in Verbindung bringt wie Yeti mit Pelz.
Zwischen zwei Bissen Toast, die ich ihr in den Mund zwänge „Du musst was essen, Eileen!“ würgt sie mit panischem Blick auf die Küchenuhr hervor „Scheiße, schon so spät! ich muss mich beeilen!“
„Dein Auto schafft nur 240. Du hättest fliegen sollen!“
„Mit DEM Gepäck? Spinnst Du? Was das kostet!“
„Vielleicht hättest Du Dir für das Gepäck in Hohn eine Transall leihen können? Okay, die Schuhe hätten nicht reingepasst, aber sonst...“
Glücklicherweise habe ich ihr den Rest Toast in den Rachen gewürgt und unterdrücke so ihre Antwort.
Nun aber. „Bring' schon mal die Sachen ins Auto.“ Die Karawane zieht los. Vater und Kinder, bepackt wie Ostpreussen auf der Flucht, stellen alles vor die hinteren Türen des Wagens.
„Schlüssel?!“
„Weiß nich, hat Mama!“
Hat Mama natürlich nicht. Hat Mama nie. Hat Papa Reserveschlüssel. Kennt Papa Mama lange genug.
Aus der Haustür tönt Mama: „Wo ist mein Autoschlüssel?“
„Weiß nich, hat Mama!“
„Kann ich Deinen Schlüssel haben, find meinen nicht!“
„Ja, klar. Ich such' Deinen nachher.“
Die Pilotin küsst ihre Lieben ein letztes Mal und besteigt den Schwabenland-Express. Gentlemen, start your engines! In einer Staubwolke verschwindet der Cayenne vom Hof, während das Abschiedskomittee winkt. Kurz werden Uhren verglichen, Ohren gespitzt und Wetten abgeschlossen. Wendemarke erreicht. Motorengeräusch schwillt wieder an. Das Abschiedskomittee wandelt sich zum Empfangskomittee.
„Hallo Eileen! Schön das Du wieder da bist. Wir haben Dich vermisst. Willkommen daheim. Reise gut verlaufen?“
Aus dem geöffneten Fenster dringt ein gälischer Fluch, gefolgt vom Schrei „Wo ist mein Mob?!“
Damit meint sie nicht uns, wie man vermuten könnte, sondern ihr Mobiltelefon.
„Mob!“ schreit Vater den Sohn an.
„Mob!“ schreit der seine kleine Schwester an.
„Maul!“ antwortet sie und sprintet ins Haus.
Mit dem Handy in den Händen kommt sie zurück. „Da, Mama.“
„Ladegerät?!“ faucht es aus dem Wageninneren.
„Rollkoffer 14, kleine Tasche vorn oben!“ Gut, wenn man mal im Hafen gearbeitet hat. Da kennt man sich mit Stauplänen aus.
„Bye, ich muss jetzt aber...“ der Rest geht im Aufheulen des Motors unter.
Wir bleiben noch eine Weile stehen, bis wir sicher sind, dass sie mindestens schon am Elbtunnel ist. Das schafft sie von der dänischen Grenze in einer Stunde.
Dann gehen wir ins Haus und suchen den Autoschlüssel. Der liegt auf der kleinen Kommode im Flur in dieser hässlichen Glasschale. Wie immer. Daneben ihre Lesebrille. Das merkt sie aber bestimmt erst in Stuttgart. Deswegen kommt sie nicht zurück. Wir können uns also erholen, bis sie wieder da ist.