Nazi-technologien
30.08.2005 um 19:29was zum thema hitlers atombombe
Hitlers Bombe
Die geheime Geschichte der deutschen Kernwaffenversuche
Rainer Karlsch: "Hitlers Bombe"
"Hitlers Bombe" - so lautet der volltönende Titel des neuen Sachbuchs von Rainer Karlsch. Ist die Atombombe für Hitler nun doch fertig geworden? Nach bisheriger Kenntnis war das deutsche Kernwaffenprojekt während der NS-Diktatur nicht über Vorstudien hinausgekommen. Der Verlag spricht von "sensationellen Ergebnissen" der "Wunderwaffe" Hitlers.
Was der Autor, ein solider Wirtschaftshistoriker an der Humboldt-Universität Berlin, hingegen liefert, sind etliche interessante Fakten der immer noch nicht ganz aufgearbeiteten Geschichte des vergeblichen deutschen Atombombenbaus. So erscheint Carl Friedrich von Weizsäcker zum Beispiel, Mitglied des damals renommierten "Uranvereins", in einem neuen Licht. Er hatte nach dem Krieg immer betont, die Uranspaltung in einem Reaktor so lange hinausgezögert zu haben, bis der Krieg zu Ende war.
Karlsch druckt jetzt den Auszug aus einer Patentanmeldung für eine "Plutoniumbombe" ab, die Weizsäcker bereits im Sommer 1941 verfasst hat. Darin heißt es: "Verfahren zur explosiven Erzeugung von Energie und Neutronen..., dadurch gekennzeichnet, dass das...'Element 94' in solcher Menge an einen Ort gebracht wird, z.B. in eine Bombe..." Aus dem Patent ist nichts geworden, Weizsäcker hat später nie davon gesprochen, geschweige denn, was er mit dem hochbrisanten Patent anzustellen gedacht hätte.
Rainer Karlsch konzentriert sich ansonsten bei seinen Recherchen auf Forschergruppen, die in Konkurrenz zum "Uranverein" am Bombenbau gearbeitet haben. Dabei stieß er auf ein Gewusel unterschiedlichster Teams von Heer, Luftwaffe und Marine. Ja sogar das Reichspostministerium mischte kräftig mit. Eine geradezu groteske Gemengelange von Profilierungssucht und Kompetenzwirrwarr.
Karlsch zu Folge unternahm noch im März 1945, zwei Monate vor Kriegsende die Gruppe Diebner im Auftrag des Heereswaffenamtes auf dem Manövergelände in Ohrdruf/Thüringen, auf dem auch eine Außenstelle des KZs Buchenwald eingerichtet war, einen Explosionsversuch mit einer Nuklearwaffe. Der Autor zitiert Zeugenberichte, die in den sechziger Jahren Staatssicherheitsoffiziere eingeholt hatten. Danach nahm die Aufsicht führende SS in Kauf, dass durch die Detonation Hunderte Strafgefangene ums Leben kamen, deren Leichen an Ort und Stelle verbrannt wurden. Wer in der weiteren Umgebung wohnte, litt unter den typischen Symptomen einer Strahlenverbrennung. Wie viele Menschen langfristig an den Spätschäden der Strahlenexposition gestorben sind, ist bis heute nicht dokumentiert. Radioaktivitätsuntersuchungen der letzten Jahre durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt an Ort und Stelle ergaben laut Karlsch erhöhte Caesium- und Kobalt-Werte, außerdem wurden Spuren von Uran und Plutonium entdeckt. Einem, von Karlsch zitierten renommierten Kernchemiker von der Universität Marburg zu Folge sind "während der Explosion auch deutlich Kernreaktionen und Energiefreisetzung abgelaufen." Doch laufen noch abschließende Untersuchungen der Bodenproben an europaweit angesehenen Instituten.
Karlsch entdeckte überdies auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz nahe Luckenwalde südlich Berlin die Reste eines, wie er glaubt, funktionsfähigen Reaktors, dessen Reste nach dem Krieg von den Sowjets demontiert und nach Moskau verbracht wurden. Neue strahlenmetrische Untersuchungen ergaben dort in den Fundamenten eine Kontamination mit Uran 235 und 238 sowie mit Plutonium. Nach Karlsch ist der Reaktor höchstens einige Tage bestimmungsgemäß in Betrieb gewesen und dann bei einem schweren Unfall geschmolzen. Das aber lässt sich mit letzter Sicherheit heute nicht mehr festzustellen und wird von Karlsch auch nicht behauptet.
Im Ganzen hat Karlsch also viele neue Details ausgegraben, das manchen der Beteiligten in ein neues Licht rückt. Aber die Geschichte muss deswegen nicht umgeschrieben werden.
Rainer Karlsch
Hitlers Bombe - Die geheime Geschichte der deutschen Kernwaffenversuche
Deutsche Verlagsanstalt DVA München
ca.450 S.
24,90 Euro
gefunden via google ^^
Der Ort: der Truppenübungsplatz Ohrdruf in Thüringen. Hierbei habe es sich um eine taktische Kernwaffe nach dem Hohlladungsprinzip gehandelt, kleinere Menge Uran seien zum Einsatz gekommen.
Wahrheit oder Legende?
Hatten die Deutschen also doch den Wettlauf mit den Amerikanern um die Atombombe gewonnen? "aspekte" hat vor Ort recherchiert und ist auf aufschlußreiche neue Fakten aber auch alte Halbwahrheiten und noch ältere Legenden gestoßen. Wir fragen nach: Hitlers Bombe - Sensation oder Spekulation? Dazu hat Christhard Läpple den Autor Dr. Rainer Karlsch befragt:
aspekte: Herr Karlsch, Ihr Buch macht Schlagzeilen bevor es überhaupt erschienen ist. Kernfrage: Hatte Hitler die Bombe oder hatte er sie nicht?
Rainer Karlsch
: Hitler hatte nicht die Bombe, die Atombombe, Hitler hatte
eine Bombe. Wir müssen bei diesem Thema
aufpassen, wovon wir sprechen. Ich spreche nicht davon, dass Hitler die
große Atombombe hatte, wie wir sie dann kennen lernen mussten nach ihrem Einsatz über Hiroshima und über Nagasaki. Was Hitler hatte, waren Prototypen einer kleinen Kernwaffe, in etwa vergleichbar mit späteren Atomgranaten.
aspekte: Die Berichterstattung bisher legt aber nahe, dass eine Wunderwaffe entwickelt worden ist, die praktisch fast den Wettlauf mit den Amerikanern gewonnen hätte - das ist der Verlagstext. Trifft das den Kern?
Karlsch: Der Text trifft insofern den Kern, als dass es deutsche Wissenschaftler waren, die als erste Kernenergie freigesetzt haben. Die Freisetzung der Kernenergie war allerdings nur auf einen Bruchteil dessen bezogen, was später in Hiroshima passierte.
aspekte: Kommen wir zunächst einmal zu dieser Bombe, die am 3. März 1945 gezündet worden sein soll. Was wissen wir über die Bombe?
Karlsch: »Die Bombe hat eine Druckwelle verursacht, sie hat eine große Hitzewirkung verursacht und sie hat Radioaktivität freigesetzt.«
Karlsch: Wir wissen über die Bombe, dass sie einen Vernichtungsradius hatte von ungefähr 500 Metern im Durchmesser. Wir wissen des Weiteren, dass einige Hundert Kriegsgefangene und Häftlinge beim Test umgekommen sind. Die Bombe hat eine Druckwelle verursacht, sie hat eine große Hitzewirkung verursacht und sie hat Radioaktivität freigesetzt. Es bleibt der weiteren Diskussion vorbehalten zu klären, ob die Bombe nur durch Kernspaltung oder Kernfusion oder aus einer Kombination beider Prozesse funktionierte.
aspekte: Auf welche Belege stützen Sie diese Aussage?
Karlsch: Ich stütze diese Aussage auf Belege aus russischen Archiven - das waren ganz interessante Funde. Die Sowjets haben vor Kriegsende, dass heißt nur wenige Tage nach dem Test auf dem Truppenübungsplatz Ohrdruf, von diesem Test erfahren und haben sehr detaillierte Berichte erhalten.
Diese Berichte sind so ernst genommen worden, dass der wissenschaftliche Leiter des sowjetischen Atomprojektes Igor Kurtschatov eine Stellungnahme für Stalin verfasst hat. In dieser Stellungnahme hat er die Berichte aus Deutschland als sehr glaubwürdig eingestuft. Er hatte natürlich Fragen: Warum ist das nur so eine kleine Vernichtungswirkung, die dort aus Thüringen vermeldet wurde? Warum ist kein größerer Vernichtungsradius zu erkennen? Diese Probleme konnte er auf Basis seines Wissens nicht klären.
Das ist ein wichtiger Beleg. Kommen wir zu weiteren wichtigen Belegen. Das sind Luftbildanalysen, die daraufhin deuten, dass in der Tat dort auf diesem Übungsplatz, wo es Zeitzeugenaussagen nahe legen, signifikante Veränderungen, das heißt Devastierungen eingetreten sind.
Das dritte Glied in der Beweiskette sind physikalische Messungen, Bodenproben. Das war für mich eine der größten Herausforderungen, als wir dieses Projekt begonnen haben: nicht nur auf Basis von schriftlichen Quellen, von Zeitzeugenaussagen und von Luftbildanalysen einen Nachweis zu erbringen, dass es ein nukleares Ereignis gegeben hat. Die Bodenproben weisen darauf hin, dass es eine signifikante Erhöhung von Cäsiumwerten gibt je näher man dem Zentrum der vermuteten Explosion kommt. Sie weisen des Weiteren darauf hin, dass Kobalt 60 entstanden ist.
»Kobalt 60 ist ein künstliches Element, das nur entsteht, wenn schnelle Neutronen auf Eisen oder auf Nickel einwirken. Das sind Indizien, es ist kein letztgültiger Beweis.«
Das sind Indizien, es ist kein letztgültiger Beweis. Da müssen Analysen fortgesetzt werden, das ist sehr aufwendig, das ist sehr teuer, das möchte ich auch noch mal dazu sagen. Denn all diese Forschungen sind von meinem Kollegen und Mitstreiter Heiko Petermann und mir privat unternommen worden - und auch privat finanziert worden. Wir sind jetzt darauf angewiesen, dass Folgeuntersuchungen, noch eine Spezifizierung der Analysen, vorgenommen werden.
aspekte: Der Vorwurf beziehungsweise die These ist ja ungeheuerlich, die Deutschen hätten oder waren in der Lage, eine Atombombe oder eine Kernwaffe zu testen. Deswegen sind auch die Zweifel erheblich. Schon im Geheimdienstbericht heißt es beim Offizier Kurtschatov, dass er nicht sicher sein kann: "Ich bin nicht vollkommen überzeugt, dass tatsächlich Versuche mit einer Atombombe vorgenommen worden sind." Was macht Sie so sicher, dass an diesem 3. März wirklich ein Bombenversuch mit nuklearem Kern stattgefunden hat?
Karlsch: Na, Sie haben ja gerade Kurtschatov zitiert. Er musste natürlich von dem Kenntnisstand ausgehen, den er hatte. Kurtschatov hatte Tausende von Blättern amerikanischer Unterlagen über die Konstruktion einer Atomwaffe. Tausende von Blättern. Er wusste über die amerikanische alles, über die deutsche fast nichts. Er wusste, dass eine kritische Masse von circa 50 Kilogramm Uran 235 nötig ist, um eine Kettenreaktion zu verursachen und er konnte in etwa abschätzen, dass solch eine Bombe eine Vernichtungswirkung hat, die mehrere Kilometer Fläche betrifft.
Plötzlich bekommt er aus Deutschland einen Bericht, wo davon die Rede ist, dass eine Bombe gezündet wurde mit nur einer sehr geringen Wirkung. Das konnte er nicht erklären. Darum hatte er Zweifel, ob der Bericht in allen Punkten stimmig ist.
Diese Zweifel hatte ich auch und habe lange nach Erklärungen gesucht und nach wissenschaftlichen Wegen, die es ermöglicht haben, so eine Minibombe zu konstruieren. Dafür konnte ich in der Zwischenzeit eine Reihe von Belegen finden.
Aber wie viel hoch angereichertes Material stand denn überhaupt zur Verfügung oder kam zum Einsatz, um die Voraussetzung einer Atombombenexplosion zu erfüllen? Das wissen wir nicht genau. Ich kann lediglich nachweisen, dass einige Hundert Gramm hoch angereichertes Material zur Verfügung standen. Möglicherweise war es mehr. Die letzte Beweisführung ist mangels Unterlagen nicht möglich. Man kann aber mit Bodenanalysen sehr wohl Uran 238 und Uran 235 finden. Dass heißt die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass dieses Material aus der Explosion der Bombe stammt.
aspekte:
Eine Atombombe kann nicht gezündet werden ohne spaltbares Material, dafür braucht man einen Reaktor. War das denn überhaupt technisch möglich? Gab es denn Vorversuche?
»Es gab einen Reaktor in Gottow, das ist ein Versuchsgelände des Heereswaffenamtes, der für wenige Tage lief, das heißt der überkritisch wurde und dann in Folge eines Unfalls ausfiel. «
Karlsch: Ein Reaktor ist nicht zwingend erforderlich, um spaltbares Material zu produzieren. Es gibt zwei Wege. Es gibt den Weg der Isotopentrennung, da haben sie eine ganze Reihe von Verfahren, die genutzt werden können, um Uran 235 rein herzustellen. All diese Verfahren waren in Deutschland bekannt. Es gab insgesamt sieben Verfahren, um Uran 235 herstellen zu können. Allerdings - und das ist nun die große Problematik - ist die Isotopentrennung enorm aufwendig. Und dieser enorme Aufwand ist vom Dritten Reich aus den verschiedensten Gründen nicht betrieben worden.
Der Königsweg, die Gewinnung von Spaltstoffen durch einen Reaktor, den hat man versucht zu beschreiten. Auch damit ist letztendlich das Heereswaffenamt nicht fertig geworden. Es gab einen Reaktor in Gottow, das ist ein Versuchsgelände des Heereswaffenamtes, der für wenige Tage lief, das heißt der überkritisch wurde und dann in Folge eines Unfalls ausfiel.
Ich halte es daher für wenig wahrscheinlich, dass aus diesem Reaktor noch nennenswerte Mengen Spaltstoff entnommen werden konnte. Es muss also, um Ihre Frage noch mal aufzugreifen, es muss also Quellen gegeben haben, um die von mir zitierten einigen Hundert Gramm Uran herzustellen, die wir bisher noch nicht richtig betrachtet haben. Und das waren zum einen die Zentrifugen und zum anderen elektromagnetische Massentrenner. Beide Technologien waren vorhanden und haben die Produktion kleinerer Mengen ermöglicht.
aspekte: Die Frage, die auch in der Öffentlichkeit jetzt gestellt wird, ist, welche harten Beweise gibt es dafür? Ist dieser Versuch dokumentiert worden? Filmisch, optisch, durch Akten, durch Messreihen? Welche anderen Belege gibt es oder könnte es geben, dass man Ihrer These Glauben schenken kann?
Rainer Karlsch:
Der Versuch ist dokumentiert worden. Es gibt keine Protokolle über den Versuchsablauf, die habe ich bisher nicht gefunden. Es gibt aber einen sehr deutlichen Hinweis auf einen Film über den Versuch in Ohrdruf. Ich habe diesen Hinweis in einem russischen Archiv gefunden, wo es heißt: Auf einer Filmrolle ist der Test einer Atombombe und der Start einer Rakete festgehalten. Dieses Dokument ist datiert auf Mitte 1946. Das heißt Mitte 1946 kam es in ein russisches Archiv.
»Es gibt eine junge Frau, die diesen Test gesehen hat und detailliert beschreibt. Es gibt einen Arbeiter, der die Leichen verbrannt hat, das heißt die Verbrennung der Opfer mit ansehen musste. «
Damit kann man ausschließen, dass irgendein russischer Test gemeint war. Der erste sowjetische Atomtest hat im August 1949 erst stattgefunden. Und diese ganze Ablage ist eingerichtet worden um die deutschen Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet der Raketenforschung darzulegen. Leider ist der Film bis heute für die Forschung nicht zugänglich. Insofern bleibt abzuwarten, wann russische Archive die Nutzung gestatten und dann werden wir weitere Klarheit bekommen.
aspekte: Es gibt keine unmittelbaren Augenzeugen, es gibt den Film nicht, es gibt keine Messreihen ...
Karlsch: Stopp, stopp, stopp, jetzt muss ich einhaken. Es gibt Augenzeugen, die sind im Buch ja auch zitiert. Es gibt eine junge Frau, die diesen Test gesehen hat und detailliert beschreibt. Es gibt einen Arbeiter, der die Leichen verbrannt hat, das heißt die Verbrennung der Opfer mit ansehen musste. Das sind also sehr eindringliche Beschreibungen. Es gibt einen russischen Spion, der bereits im März 1945 über diesen Test sehr detailliert schreibt. Also wir haben mindestens drei Augenzeugen.
Wir haben einen vierten indirekten Zeugen, das ist der Adjutant von Himmler, Werner Grothmann, der beschreibt die Feierlichkeiten der SS-Führung, also im kleinsten Kreise zwei Tage nach dem Test. Und er erwähnt auch eine kleine Rede Himmlers, in der er sich auf diese Tests sehr deutlich bezieht. Also, wir haben Augenzeugen und die sind auch alle im Buch aufgeführt. Es gibt des Weiteren die bereits von mir erwähnten Messreihen, die recht starke Indizien beinhalten. Man kann das alles noch weitertreiben, den ultimativen Nachweis wird man mit einer Messzahl kaum erbringen können.
aspekte: Mir fällt auf, dass einer der Leiter der damaligen kernphysikalischen Forschung, Carl Friedrich von Weizsäcker, in dem Buch praktisch nicht vorkommt. Auch nicht als Quelle, auch nicht als Literaturangabe. Am 7. August 1945 wird in einem Memorandum Folgendes festgehalten: "Den Unterzeichnern sind keine Untersuchungen, etwa anderer Gruppen in Deutschland, bekannt geworden, die unmittelbar die Herstellung der Bombe zum Ziel gehabt hätten."Als wörtliches Zitat: "Wenn solche Versuche doch unternommen sein sollten, so waren sie jedenfalls von Dilettanten durchgeführt und nicht ernst zu nehmen." Kennen Sie dieses Zitat?
Karlsch: Ich kenne dieses Zitat. Es stammt aus den Farm Hall Protokollen, wo Weizsäcker, Heisenberg und die anderen sich zum deutschen Forschungsstand geäußert haben. Aus dem Zitat spricht natürlich auch eine gewisse intellektuelle Überhöhung und eine gewisse Überschätzung der eigenen Leistungen.
Ich bin völlig überein mit dem ersten Teil der Aussagen Weizsäckers, dass er und Heisenberg davon ausgingen, dass sie an der Spitze des wissenschaftlichen Fortschritts in der kernphysikalischen Forschung in Deutschland standen und dass sie nicht weit genug gekommen sind, um überhaupt eine Entscheidung für oder wider den Bau einer Atomwaffe fällen zu müssen. Stimme ich völlig mit überein. Und das unterstreiche ich auch in dem Buch.
Mit dem zweiten Teil seiner Aussage habe ich allerdings ein Problem. Er kannte eine Reihe von Forschungsgruppen überhaupt nicht. Weizsäcker ist 1942 nach Strassburg gegangen, hat dort eine Professur angenommen, und saß sozusagen an der Peripherie der Forschung und war auch nur noch einen kleinen Teil seiner Arbeitszeit mit dem Uran-Projekt beschäftigt.
Im überwiegenden Teil seiner Forschungszeit hat er sich ganz anderen Dingen zugewandt, ganz bewusst anderen Themen zugewandt. Er war also nicht mehr informiert über die Dinge, die beim Heereswaffenamt, bei der Marine und bei anderen Gruppen abgingen. Diejenigen, die es wussten, Gerlach und Diebner, haben dazu geschwiegen. Sie haben das Memorandum mit unterschrieben, obwohl sie es besser wussten.
aspekte: Diese entscheidenden Sätze am 7. August 1945 sind unterzeichnet worden von den Hauptunterzeichnern Carl Friedrich von Weizsäcker und dem - wie Sie es sagen - Vater der Bombe von Ohrdruf Walther Gerlach selbst. Also hat Walter Gerlach dort bewusst gelogen?
Karlsch: An der Stelle hat er nicht die Wahrheit gesagt. Wenn Sie die Farm Hall Protokolle lesen, dann werden Sie feststellen, dass zwei Herren sich auffallend zurückhalten, dass sie durch lautes Schweigen glänzen. Das sind Walther Gerlach und Kurt Diebner. Beide haben gar nicht so physisch darunter gelitten, dass sie nicht alles preisgeben konnten, was sie wussten, und dass die Amerikaner schneller waren als sie selbst. Gerlach fühlte sich in Farm Hall wie ein geschlagener General. Und Diebner bekam Weinkrämpfe. Also diese Psychogramme müssen Sie auch mit bedenken, wenn Sie sich mit Farm Hall beschäftigen.
»Wenn Sie sich die Arbeiten von Diebner in der Nachkriegszeit anschauen, so werden Sie feststellen, dass er da fortgesetzt hat, wo er 1945 aufhören musste.«
Ich will es noch einen Schritt weiter treiben und auf die Nachkriegszeit eingehen. Die Konstellationen, die es bereits während des Krieges gab, sind kaum verändert auch nach dem Krieg wiederzufinden. Es gibt diejenigen Wissenschaftler, die sehr vorsichtig mit dem Atomproblem umgegangen sind und nicht so recht wollten. Es gab diejenigen, die die Bombe wollten, also die Bombenfraktion. Wenn Sie sich die Arbeiten von Diebner in der Nachkriegszeit anschauen, so werden Sie feststellen, dass er da fortgesetzt hat, wo er 1945 aufhören musste.
Er hat 1955, in dem ersten Monat, als überhaupt die Wiederaufnahme kernphysikalischer Forschung der Bundesrepublik möglich war, Dutzende Patente eingereicht. Zur Reaktorentwicklung - das kann man ja noch verstehen. Aber er hat auch Patente eingereicht, um eine Wasserstoffbombe bauen zu können. Er hat zwei Patente für die Entwicklung einer Wasserstoffbombe eingereicht - oder einreichen wollen. Das ist eine Kontinuität, die ich da feststelle, ganz eindeutig.
Weitere Sendungen zum Thema
Weitere Informationen zum Thema "Hitlers Bombe" erhalten Sie in Guido Knopps neuester Ausgabe der ZDF-Sendung "History" am 20. März 2005.
aspekte: Man sagt ja, das Leben wird nach Vorne gelebt und nach Rückwärts verstanden. Heißt das unterm Strich, dass Sie nach vier Jahren Forschung sagen, dass die Deutschen die "Vaterschaft" beantragen können für die Atombombe? Haben die Deutschen die Atombombe vor den Amerikanern entwickelt?
Karlsch: Die deutschen Wissenschaftler haben Kernenergie in kleineren Mengen freigesetzt. Ich würde nicht so weit gehen, dass sie als erste eine Atombombe - wie wir sie gemeinhin kennen - entwickelt hatten. Fragt sich jetzt: Was ist eine Atombombe? Darüber sollten wir diskutieren. Wo fängt eine Atombombe an?
Dieser Begriff ist historisch besetzt. Historisch besetzt dahingehend, dass wir unter Atombombe verstehen: eine Bombe, die 50 Kilogramm Uran 235 oder mindestens 10 Kilogramm Plutonium beinhaltet und eine riesige Vernichtungssumme freisetzt. Das war es nicht, was die Deutschen konnten. Sie waren auf dem Weg zur Entwicklung taktischer Kernwaffen. Ich finde, das ist eine bedrückende Erkenntnis, das macht dieses Regime ja keinen Deut besser. Im Gegenteil. Es zeigt auf, wie wichtig es war, dieses Regime niederzulegen und möglichst rasch niederzulegen.
»Es sind nicht mehr die großen Bedrohungs-Szenarien, dass sich zwei Großmächte mit einem gefüllten Arsenal von Kernwaffen gegenüber stehen, sondern dass es eine Reihe von anderen Mächten gibt, die mit kleineren Kernwaffen hantieren und damit eine gefährliche Absenkung der nuklearen Schwelle möglich wird.«
Aspekte: Man kann es aber auch genau andersrum verstehen. Da liegt ja die Brisanz darin, dass Sie sagen, Sie wollen die Deutschen Kernphysiker rehabilitieren. Sie waren zu mehr in der Lage als geschrieben wird. Das ist ja ein Tabu.
Karlsch: Wenn es so war, dass die deutschen Physiker mehr wussten als man es in der früheren Nachkriegszeit in den amerikanischen Darlegungen nachlesen konnte, dann ist es eine Tatsache, daran können wir nicht vorbei gehen. Und das gehört auf den Tisch. Es wirft neue Fragen auf, es wirft Fragen nach dem Verhalten, nach dem Schweigen, nach der Gefährlichkeit auf, denen wir uns stellen müssen.
Es wirft auch Fragen auf in Richtung der Absenkung der nuklearen Schwelle. Das ist auch das, was heute interessiert. Es sind nicht mehr die großen Bedrohungsszenarien, dass sich zwei Großmächte mit einem gefüllten Arsenal von Kernwaffen gegenüber stehen, sondern dass es eine Reihe von anderen Mächten gibt, die mit kleineren Kernwaffen hantieren und damit eine gefährliche Absenkung der nuklearen Schwelle möglich wird. Das ist eigentlich die Brisanz des Themas bis heute.
Atombombentest
4. März 1945
Vor 60 Jahren wurde in Thüringen vor hunderten von KZ-Häftlingen eine Atombombe gezündet
Vor 60 Jahren – am Abend des 4. März 1945 – fand auf dem Truppenübungsplatz bei Ohrdruf, südwestlich von Erfurt in Thüringen, ein Test statt, an den wir uns erinnern müssen. In den späten Jahren des Dritten Reiches gab es mehrere Gruppen von Wissenschaftlern und Technikern, die sich mit der Entwicklung einer Atombombe befaßt haben. Es gibt viel Literatur über Werner Heisenberg und Carl-Friedrich von Weizsäcker, nur sehr spärlich sind die Informationen über die konkurrierende Gruppe im Heereswaffenamt unter Kurt Diebner. Das ist erstaunlich, weil Diebner und nicht Heisenberg den technischen Durchbruch noch kurz vor Kriegsende geschafft hatte.
Cläre Werner berichtete 1962 vor Kultur- und SED-Funktionären:/ “Ich kann mich noch gut an den Tag erinnern. Es war der 4. März 1945. Für den Tag hatten wir eine Geburtstagsfeier für den Abend, diese wurde abgesagt. Am Nachmittag war der BDM von Gotha auf der Burg. Hans war auch da und half uns noch, dann sagte er uns, daß heute auf dem Platz Weltgeschichte geschrieben wird. Es wird etwas gemacht, was es auf der Welt noch nicht gegeben hat. Wir sollen am Abend auf den Turm (der Wachsenburg, d.Vf.) gehen und in Richtung Röhrensee schauen. Er wisse auch nicht, wie das neue Ding aussehen wird. So waren wir ab 20 Uhr auf dem Turm. Nach 21 Uhr, gegen halb Zehn, war hinter Röhrensee mit einmal eine Helligkeit wie Hunderte von Blitzen, innen war es rot und außen war es gelb, man hätte die Zeitung lesen können. Es war alles sehr kurz, und wir konnten dann alle nichts sehen, wir merkten nur, daß es eine mächtige Sturmbö gab, aber dann alles ruhig war. Ich wie auch viele Einwohner von Röhrensee, Holzhausen, Mühlberg, Wechmar und Bittstädt hatten am anderen Tag oft Nasenbluten, Kopfschmerzen und auch einen Druck auf den Ohren. Am Nachmittag, gegen 14 Uhr, waren so zwischen 100 und 150 SS-Leute auf einmal auf der Burg, sie fragten wo die Leichen seien, wo sie hingebracht worden seien und wer schon da war. Wir wußten von nichts, und sie fragten uns, ob sie hier im “Objekt Burg” seien. Ich sagte ihnen, sie seien hier auf der Veste Wachsenburg, die im Volk immer nur als Burg bezeichnet wird. Ein Kradfahrer gab eine Meldung ab, daß die “Burg” über Ringhofen zu erreichen ist. Daraufhin fuhren die Autos von der Burg nach Mühlberg. Ich sah vom Turm, daß sie dann zum Übungsplatz fuhren.”/
Ein anderer Zeuge, Heinz Wachsmut, berichtete: /“Nach einer Straftat … wurde ich zwangsverpflichtet. Wir waren sechs Deutsche und hatten zur Hilfe 18 Häftlinge, darunter sieben Ungarn, fünf Polen und vier Russen; es waren alles Techniker, sie trugen keine Häftlingsanzüge, sondern Felddienst, und wurden auch mit uns verpflegt. Unsere Hauptaufgabe war, Tarnarbeiten durchzuführen. An gelandeten Flugzeugen, an Objekten, an Transportgut, das nicht immer sofort eingelagert werden konnte, und auch zu Hilfsarbeiten (wurden wir eingesetzt), wenn zu viele Häftlinge verstorben waren. Dazu mußten wir dann oft Holzhaufen errichten, wo die Leichen dann draufgelegt und angezündet wurden. Es gab keine Listen über die verstorbenen Häftlinge. Ein Tag, der immer in meinem Leben Bilder vor den Augen macht, war der Nachmittag des 5. März 1945. Wir mußten in der Polte Rudisleben Gerüste errichten für einen Versuch, der in wenigen Tagen stattfinden sollte. Am Nachmittag fuhr die SS mit LKWs vor, eigentlich hatte uns die SS nichts zu sagen, da wir ja immer mit Sonderbefehlen arbeiteten, die immer die Stempel der Reichspost bzw. des Forschungsrates trugen und nach dem Lesen sofort vernichtet werden mußten. Es war ein Befehl, der die Unterschrift von Kammler trug. Wir mußten alles Holz, das verfügbar war, aufladen. Die Fahrt ging nach Röhrensee, dort waren einige SS-Ärzte tätig, da eine große Anzahl von Bewohnern Kopfschmerzen hatte und Blut spuckte. Wir waren dort falsch und wurden sofort nach Gut Ringhofen bei Mühlberg gebracht. Dort wurde uns gesagt, wir müssen Holzhaufen am Waldrand errichten, ca. 12x12 m und nur höchstens 1 m hoch, dazu mußten wir Vollschutz tragen, auch unsere Häftlinge. Am Waldrand sahen wir schon einige Haufen von Menschenleichen, die wohl ehemalige Häftlinge waren. Die Menschen hatten alle absolut keine Haare mehr, teils fehlten Kleidungsteile, sie hatten aber auch zum Teil Hautblasen, Feuerblasen, nacktes rohes Fleisch, teilweise waren einige Teile nicht mehr vorhanden. SS und Häftlinge brachten die Leichen an. Als wir die ersten sechs Haufen fertig hatten, wurden die Leichen darauf gelegt, je Haufen ca. 50 Stück, und Feuer gelegt. Wir wurden zurückgefahren. Im Gut mußten wir den Schutz und unsere gesamte Kleidung ausziehen. Diese wurde ebenfalls sofort von der SS angezündet, wir mußten uns waschen und erhielten neue Kleidung und neuen Schutz, dazu jeder eine Flasche Schnaps, auch unsere Häftlinge. Ein hoher SS-Mann sagte mir, es habe da oben eine große Stichflamme gegeben gestern, man hat etwas neues gemacht, davon wird die ganze Welt sprechen, und wir Deutschen sind die ersten. Leider sei dabei einiges nicht so gelaufen wie geplant und einige Nichtsnutze habe man weniger. Beim zweiten Einsatz wurden nochmals drei Haufen errichtet. Dabei sahen wir, wie aus dem Wald einige völlig unmenschliche Lebewesen angekrochen kamen. Wahrscheinlich konnten einige nichts mehr sehen. – Pause – Ich kann es auch heute nicht beschreiben. Von zwei SS-Leuten wurden diese ca. zwölf bis fünfzehn Menschen sofort erschossen. Ob sie wirklich schon erschossen waren, kann ich nicht sagen, da einige noch den Mund bewegten. Sie wurden bzw. mußten von anderen Häftlingen auf die in Flammen stehenden Haufen getragen werden. Wir wurden wieder zum Gut gebracht und es wiederholte sich alles. Gegen 23 Uhr fuhren wir zurück zur Polte. Am Waldrand waren 14 Feuerstellen zu sehen. Wir konnten an diesem und den nächsten Tagen nichts essen, es gab für uns und die Häftlinge immer wieder Schnaps. Einer unserer russischen Häftlinge sagte uns, er habe einen der Erschossenen noch verstanden, >… großer Blitz – Feuer, viele sofort tot, von der Erde weg, einfach nicht mehr da, viele mit großen Feuerwunden, viele blind, Gruß an Mutter von Olek Barto nach Gurjew …<”./
(Zitate nach Edgar Mayer und Thomas Mehner: Die Atombombe und das Dritte Reich, Kopp Verlag, Rottenburg a.N. 2002.)
Wir haben Gründe genug, uns voll Trauer an diesen 4. März zu erinnern. Aus der Anzahl der Scheiterhaufen läßt sich die ungefähre Anzahl der getöteten Häftlinge abschätzen. Diese mehrere hundert KZ-Häftlinge, die um die Atombombe herum aufgestellt worden waren, um die Wirkung zu erfahren, sind mit einiger Sicherheit die ersten Opfer einer Atombombe überhaupt. Nach einer Gedenktafel etwa oder irgendeinem offiziellen Hinweis auf den 4. März 1945 sucht man allerdings vergebens. Der Truppenübungsplatz bei Ohrdruf ist nach wie vor Truppenübungsplatz – heute der Bundeswehr. Sollten sich nicht noch irgendwelche Spuren dieses mörderischen Tests finden? Der Wirtschaftshistoriker Rainer Karlsch hat nach solchen Spuren gesucht. Er beschreibt den Krater, den die Testexplosion im Boden hinterlassen hat. Er hat das jüngste Buch über “Hitlers Bombe” geschrieben, es wird noch in diesem Frühjahr bei der Deutschen Verlags-Anstalt erscheinen. Es gibt nicht nur den Krater, es gibt auch den Nachweis von Radionukliden im Boden an dieser Stelle, die die Bombenthese bestätigen. Karlsch ist es sogar gelungen, in Moskau Berichte des russischen Geheimdienstes auszugraben, in denen über den 4. März 1945 berichtet wird. Der russische Vater der Atombombe, Kurtschatow, hat sich damit beschäftigt und Stalin informiert – die Berichte passen sehr gut zu den oben zitierten Augenzeugenberichten. Es lohnt sich, die Bücher von Mayer/Mehner und Karlsch aufmerksam zu lesen.
Nach Kriegsende haben zunächst die Amerikaner, etwas später die Russen alles, was sich irgendwie bewegen ließ – Unterlagen, Geräte, Menschen – gezielt gesucht und in die USA bzw. nach Rußland abtransportiert. Große Teile dieser Unterlagen sind in den USA noch heute unter Verschluß, so daß es einiger detektivischer Energie bedarf, zu rekonstruieren, was da am 4. März genau gezündet wurde. Diebner publizierte 1962 in der Fachzeitschrift Kerntechnik, deren Mitherausgeber er war und die gleichzeitig Publikationsorgan der Studiengesellschaft zur Förderung der Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt in Hamburg gewesen ist, einen Artikel mit dem Titel: “Fusionsprozesse mit Hilfe konvergenter Stoßwellen – einige ältere und neuere Versuche und Überlegungen”[1]
Diebner beschreibt in dieser Arbeit hinter vorgehaltener Hand, aber unmißverständlich, welche zweifellos physikalisch-technisch pfiffigen Überlegungen hinter der Explosion am 4. März 1945 standen. In seiner Publikation kommt natürlich die Bombe nicht direkt vor – Diebner spricht aber von technischen Anwendungen im Bereich unterirdischer Explosionen und Großraumsprengungen, zum Beispiel für den Hafenbau. Diebner hat 1955 zusammen mit Erich Bagge die Gründung der Studiengesellschaft zur Förderung der Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt betrieben und saß dort im geschäftsführenden Vorstand. Ebenfalls mit Bagge zusammen hat er die Zeitschrift Atomkernenergie mitbegründet. Schon 1956 wurde die Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt – den Leserinnen und Lesern des Strahlentelex heute besser als GKSS bekannt und berüchtigt – wiederum unter maßgeblicher Mitarbeit von Diebner gegründet, er war einige Zeit dort stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender. Wer es noch nicht verstanden hat: Die Atombombe, die am 4. März 1945 mehrere hundert KZ-Häftlinge auf schreckliche Weise umgebracht hat, funktionierte nach einem Prinzip, das unter Führung von Diebner entwickelt wurde und zehn Jahre später von demselben Diebner in der neuen nordwestdeutschen Kernphysik angesiedelt wurde. Dieses Prinzip steckt hinter den sogenannten “PAC-Kügelchen”, an denen wir uns heute aufreiben, weil in der Elbmarsch, wo sie in den Gärten umherliegen, Kinder an Leukämie erkranken.
Viele Fragen bleiben offen: Weshalb wurde die Testexplosion vom 4. März 1945 fast 60 Jahre lang von den eigentlich für solche Fragen zuständigen Historikern unterschlagen? Weshalb wurde das Buch von Meyer und Mehner nahezu völlig ignoriert oder lediglich angepöbelt? Weshalb haben die Konkurrenten von Diebner – die berühmten Professoren Heisenberg und Weizsäcker in ihren zahlreichen Schriften dieses Kapitel übersprungen? Weshalb hat Diebner die Göttinger Erklärung der 18 Atomwissenschaftler vom 12. April 1957 nicht mitunterzeichnet? Weshalb wurde 1990 das bis dahin strikte Verbot für deutsche Atomwaffen nach dem Paragraphen 16 des Kriegswaffenkontrollgesetzes fast vollständig aufgehoben? Weshalb drücken sich die deutschen Friedensforschungsinstitute und Friedensorganisationen vor diesem Geschehen?
Nehmen wir den 4. März in die unübersichtliche Reihe deutscher Gedenktage auf. In Deutschland wurden nicht nur die physikalisch-chemischen Grundlagen der Kernspaltung entwickelt und die Idee der Bombe formuliert, sondern auch gezielt die ersten Menschen mit einer Atombombe ermordet. Es ist nicht völlig abwegig, bei der Vorstellung zu frieren, die Nazis hätten nur wenige Wochen länger Zeit gehabt.
fight for your rights
Hitlers Bombe
Die geheime Geschichte der deutschen Kernwaffenversuche
Rainer Karlsch: "Hitlers Bombe"
"Hitlers Bombe" - so lautet der volltönende Titel des neuen Sachbuchs von Rainer Karlsch. Ist die Atombombe für Hitler nun doch fertig geworden? Nach bisheriger Kenntnis war das deutsche Kernwaffenprojekt während der NS-Diktatur nicht über Vorstudien hinausgekommen. Der Verlag spricht von "sensationellen Ergebnissen" der "Wunderwaffe" Hitlers.
Was der Autor, ein solider Wirtschaftshistoriker an der Humboldt-Universität Berlin, hingegen liefert, sind etliche interessante Fakten der immer noch nicht ganz aufgearbeiteten Geschichte des vergeblichen deutschen Atombombenbaus. So erscheint Carl Friedrich von Weizsäcker zum Beispiel, Mitglied des damals renommierten "Uranvereins", in einem neuen Licht. Er hatte nach dem Krieg immer betont, die Uranspaltung in einem Reaktor so lange hinausgezögert zu haben, bis der Krieg zu Ende war.
Karlsch druckt jetzt den Auszug aus einer Patentanmeldung für eine "Plutoniumbombe" ab, die Weizsäcker bereits im Sommer 1941 verfasst hat. Darin heißt es: "Verfahren zur explosiven Erzeugung von Energie und Neutronen..., dadurch gekennzeichnet, dass das...'Element 94' in solcher Menge an einen Ort gebracht wird, z.B. in eine Bombe..." Aus dem Patent ist nichts geworden, Weizsäcker hat später nie davon gesprochen, geschweige denn, was er mit dem hochbrisanten Patent anzustellen gedacht hätte.
Rainer Karlsch konzentriert sich ansonsten bei seinen Recherchen auf Forschergruppen, die in Konkurrenz zum "Uranverein" am Bombenbau gearbeitet haben. Dabei stieß er auf ein Gewusel unterschiedlichster Teams von Heer, Luftwaffe und Marine. Ja sogar das Reichspostministerium mischte kräftig mit. Eine geradezu groteske Gemengelange von Profilierungssucht und Kompetenzwirrwarr.
Karlsch zu Folge unternahm noch im März 1945, zwei Monate vor Kriegsende die Gruppe Diebner im Auftrag des Heereswaffenamtes auf dem Manövergelände in Ohrdruf/Thüringen, auf dem auch eine Außenstelle des KZs Buchenwald eingerichtet war, einen Explosionsversuch mit einer Nuklearwaffe. Der Autor zitiert Zeugenberichte, die in den sechziger Jahren Staatssicherheitsoffiziere eingeholt hatten. Danach nahm die Aufsicht führende SS in Kauf, dass durch die Detonation Hunderte Strafgefangene ums Leben kamen, deren Leichen an Ort und Stelle verbrannt wurden. Wer in der weiteren Umgebung wohnte, litt unter den typischen Symptomen einer Strahlenverbrennung. Wie viele Menschen langfristig an den Spätschäden der Strahlenexposition gestorben sind, ist bis heute nicht dokumentiert. Radioaktivitätsuntersuchungen der letzten Jahre durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt an Ort und Stelle ergaben laut Karlsch erhöhte Caesium- und Kobalt-Werte, außerdem wurden Spuren von Uran und Plutonium entdeckt. Einem, von Karlsch zitierten renommierten Kernchemiker von der Universität Marburg zu Folge sind "während der Explosion auch deutlich Kernreaktionen und Energiefreisetzung abgelaufen." Doch laufen noch abschließende Untersuchungen der Bodenproben an europaweit angesehenen Instituten.
Karlsch entdeckte überdies auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz nahe Luckenwalde südlich Berlin die Reste eines, wie er glaubt, funktionsfähigen Reaktors, dessen Reste nach dem Krieg von den Sowjets demontiert und nach Moskau verbracht wurden. Neue strahlenmetrische Untersuchungen ergaben dort in den Fundamenten eine Kontamination mit Uran 235 und 238 sowie mit Plutonium. Nach Karlsch ist der Reaktor höchstens einige Tage bestimmungsgemäß in Betrieb gewesen und dann bei einem schweren Unfall geschmolzen. Das aber lässt sich mit letzter Sicherheit heute nicht mehr festzustellen und wird von Karlsch auch nicht behauptet.
Im Ganzen hat Karlsch also viele neue Details ausgegraben, das manchen der Beteiligten in ein neues Licht rückt. Aber die Geschichte muss deswegen nicht umgeschrieben werden.
Rainer Karlsch
Hitlers Bombe - Die geheime Geschichte der deutschen Kernwaffenversuche
Deutsche Verlagsanstalt DVA München
ca.450 S.
24,90 Euro
gefunden via google ^^
Der Ort: der Truppenübungsplatz Ohrdruf in Thüringen. Hierbei habe es sich um eine taktische Kernwaffe nach dem Hohlladungsprinzip gehandelt, kleinere Menge Uran seien zum Einsatz gekommen.
Wahrheit oder Legende?
Hatten die Deutschen also doch den Wettlauf mit den Amerikanern um die Atombombe gewonnen? "aspekte" hat vor Ort recherchiert und ist auf aufschlußreiche neue Fakten aber auch alte Halbwahrheiten und noch ältere Legenden gestoßen. Wir fragen nach: Hitlers Bombe - Sensation oder Spekulation? Dazu hat Christhard Läpple den Autor Dr. Rainer Karlsch befragt:
aspekte: Herr Karlsch, Ihr Buch macht Schlagzeilen bevor es überhaupt erschienen ist. Kernfrage: Hatte Hitler die Bombe oder hatte er sie nicht?
Rainer Karlsch
: Hitler hatte nicht die Bombe, die Atombombe, Hitler hatte
eine Bombe. Wir müssen bei diesem Thema
aufpassen, wovon wir sprechen. Ich spreche nicht davon, dass Hitler die
große Atombombe hatte, wie wir sie dann kennen lernen mussten nach ihrem Einsatz über Hiroshima und über Nagasaki. Was Hitler hatte, waren Prototypen einer kleinen Kernwaffe, in etwa vergleichbar mit späteren Atomgranaten.
aspekte: Die Berichterstattung bisher legt aber nahe, dass eine Wunderwaffe entwickelt worden ist, die praktisch fast den Wettlauf mit den Amerikanern gewonnen hätte - das ist der Verlagstext. Trifft das den Kern?
Karlsch: Der Text trifft insofern den Kern, als dass es deutsche Wissenschaftler waren, die als erste Kernenergie freigesetzt haben. Die Freisetzung der Kernenergie war allerdings nur auf einen Bruchteil dessen bezogen, was später in Hiroshima passierte.
aspekte: Kommen wir zunächst einmal zu dieser Bombe, die am 3. März 1945 gezündet worden sein soll. Was wissen wir über die Bombe?
Karlsch: »Die Bombe hat eine Druckwelle verursacht, sie hat eine große Hitzewirkung verursacht und sie hat Radioaktivität freigesetzt.«
Karlsch: Wir wissen über die Bombe, dass sie einen Vernichtungsradius hatte von ungefähr 500 Metern im Durchmesser. Wir wissen des Weiteren, dass einige Hundert Kriegsgefangene und Häftlinge beim Test umgekommen sind. Die Bombe hat eine Druckwelle verursacht, sie hat eine große Hitzewirkung verursacht und sie hat Radioaktivität freigesetzt. Es bleibt der weiteren Diskussion vorbehalten zu klären, ob die Bombe nur durch Kernspaltung oder Kernfusion oder aus einer Kombination beider Prozesse funktionierte.
aspekte: Auf welche Belege stützen Sie diese Aussage?
Karlsch: Ich stütze diese Aussage auf Belege aus russischen Archiven - das waren ganz interessante Funde. Die Sowjets haben vor Kriegsende, dass heißt nur wenige Tage nach dem Test auf dem Truppenübungsplatz Ohrdruf, von diesem Test erfahren und haben sehr detaillierte Berichte erhalten.
Diese Berichte sind so ernst genommen worden, dass der wissenschaftliche Leiter des sowjetischen Atomprojektes Igor Kurtschatov eine Stellungnahme für Stalin verfasst hat. In dieser Stellungnahme hat er die Berichte aus Deutschland als sehr glaubwürdig eingestuft. Er hatte natürlich Fragen: Warum ist das nur so eine kleine Vernichtungswirkung, die dort aus Thüringen vermeldet wurde? Warum ist kein größerer Vernichtungsradius zu erkennen? Diese Probleme konnte er auf Basis seines Wissens nicht klären.
Das ist ein wichtiger Beleg. Kommen wir zu weiteren wichtigen Belegen. Das sind Luftbildanalysen, die daraufhin deuten, dass in der Tat dort auf diesem Übungsplatz, wo es Zeitzeugenaussagen nahe legen, signifikante Veränderungen, das heißt Devastierungen eingetreten sind.
Das dritte Glied in der Beweiskette sind physikalische Messungen, Bodenproben. Das war für mich eine der größten Herausforderungen, als wir dieses Projekt begonnen haben: nicht nur auf Basis von schriftlichen Quellen, von Zeitzeugenaussagen und von Luftbildanalysen einen Nachweis zu erbringen, dass es ein nukleares Ereignis gegeben hat. Die Bodenproben weisen darauf hin, dass es eine signifikante Erhöhung von Cäsiumwerten gibt je näher man dem Zentrum der vermuteten Explosion kommt. Sie weisen des Weiteren darauf hin, dass Kobalt 60 entstanden ist.
»Kobalt 60 ist ein künstliches Element, das nur entsteht, wenn schnelle Neutronen auf Eisen oder auf Nickel einwirken. Das sind Indizien, es ist kein letztgültiger Beweis.«
Das sind Indizien, es ist kein letztgültiger Beweis. Da müssen Analysen fortgesetzt werden, das ist sehr aufwendig, das ist sehr teuer, das möchte ich auch noch mal dazu sagen. Denn all diese Forschungen sind von meinem Kollegen und Mitstreiter Heiko Petermann und mir privat unternommen worden - und auch privat finanziert worden. Wir sind jetzt darauf angewiesen, dass Folgeuntersuchungen, noch eine Spezifizierung der Analysen, vorgenommen werden.
aspekte: Der Vorwurf beziehungsweise die These ist ja ungeheuerlich, die Deutschen hätten oder waren in der Lage, eine Atombombe oder eine Kernwaffe zu testen. Deswegen sind auch die Zweifel erheblich. Schon im Geheimdienstbericht heißt es beim Offizier Kurtschatov, dass er nicht sicher sein kann: "Ich bin nicht vollkommen überzeugt, dass tatsächlich Versuche mit einer Atombombe vorgenommen worden sind." Was macht Sie so sicher, dass an diesem 3. März wirklich ein Bombenversuch mit nuklearem Kern stattgefunden hat?
Karlsch: Na, Sie haben ja gerade Kurtschatov zitiert. Er musste natürlich von dem Kenntnisstand ausgehen, den er hatte. Kurtschatov hatte Tausende von Blättern amerikanischer Unterlagen über die Konstruktion einer Atomwaffe. Tausende von Blättern. Er wusste über die amerikanische alles, über die deutsche fast nichts. Er wusste, dass eine kritische Masse von circa 50 Kilogramm Uran 235 nötig ist, um eine Kettenreaktion zu verursachen und er konnte in etwa abschätzen, dass solch eine Bombe eine Vernichtungswirkung hat, die mehrere Kilometer Fläche betrifft.
Plötzlich bekommt er aus Deutschland einen Bericht, wo davon die Rede ist, dass eine Bombe gezündet wurde mit nur einer sehr geringen Wirkung. Das konnte er nicht erklären. Darum hatte er Zweifel, ob der Bericht in allen Punkten stimmig ist.
Diese Zweifel hatte ich auch und habe lange nach Erklärungen gesucht und nach wissenschaftlichen Wegen, die es ermöglicht haben, so eine Minibombe zu konstruieren. Dafür konnte ich in der Zwischenzeit eine Reihe von Belegen finden.
Aber wie viel hoch angereichertes Material stand denn überhaupt zur Verfügung oder kam zum Einsatz, um die Voraussetzung einer Atombombenexplosion zu erfüllen? Das wissen wir nicht genau. Ich kann lediglich nachweisen, dass einige Hundert Gramm hoch angereichertes Material zur Verfügung standen. Möglicherweise war es mehr. Die letzte Beweisführung ist mangels Unterlagen nicht möglich. Man kann aber mit Bodenanalysen sehr wohl Uran 238 und Uran 235 finden. Dass heißt die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass dieses Material aus der Explosion der Bombe stammt.
aspekte:
Eine Atombombe kann nicht gezündet werden ohne spaltbares Material, dafür braucht man einen Reaktor. War das denn überhaupt technisch möglich? Gab es denn Vorversuche?
»Es gab einen Reaktor in Gottow, das ist ein Versuchsgelände des Heereswaffenamtes, der für wenige Tage lief, das heißt der überkritisch wurde und dann in Folge eines Unfalls ausfiel. «
Karlsch: Ein Reaktor ist nicht zwingend erforderlich, um spaltbares Material zu produzieren. Es gibt zwei Wege. Es gibt den Weg der Isotopentrennung, da haben sie eine ganze Reihe von Verfahren, die genutzt werden können, um Uran 235 rein herzustellen. All diese Verfahren waren in Deutschland bekannt. Es gab insgesamt sieben Verfahren, um Uran 235 herstellen zu können. Allerdings - und das ist nun die große Problematik - ist die Isotopentrennung enorm aufwendig. Und dieser enorme Aufwand ist vom Dritten Reich aus den verschiedensten Gründen nicht betrieben worden.
Der Königsweg, die Gewinnung von Spaltstoffen durch einen Reaktor, den hat man versucht zu beschreiten. Auch damit ist letztendlich das Heereswaffenamt nicht fertig geworden. Es gab einen Reaktor in Gottow, das ist ein Versuchsgelände des Heereswaffenamtes, der für wenige Tage lief, das heißt der überkritisch wurde und dann in Folge eines Unfalls ausfiel.
Ich halte es daher für wenig wahrscheinlich, dass aus diesem Reaktor noch nennenswerte Mengen Spaltstoff entnommen werden konnte. Es muss also, um Ihre Frage noch mal aufzugreifen, es muss also Quellen gegeben haben, um die von mir zitierten einigen Hundert Gramm Uran herzustellen, die wir bisher noch nicht richtig betrachtet haben. Und das waren zum einen die Zentrifugen und zum anderen elektromagnetische Massentrenner. Beide Technologien waren vorhanden und haben die Produktion kleinerer Mengen ermöglicht.
aspekte: Die Frage, die auch in der Öffentlichkeit jetzt gestellt wird, ist, welche harten Beweise gibt es dafür? Ist dieser Versuch dokumentiert worden? Filmisch, optisch, durch Akten, durch Messreihen? Welche anderen Belege gibt es oder könnte es geben, dass man Ihrer These Glauben schenken kann?
Rainer Karlsch:
Der Versuch ist dokumentiert worden. Es gibt keine Protokolle über den Versuchsablauf, die habe ich bisher nicht gefunden. Es gibt aber einen sehr deutlichen Hinweis auf einen Film über den Versuch in Ohrdruf. Ich habe diesen Hinweis in einem russischen Archiv gefunden, wo es heißt: Auf einer Filmrolle ist der Test einer Atombombe und der Start einer Rakete festgehalten. Dieses Dokument ist datiert auf Mitte 1946. Das heißt Mitte 1946 kam es in ein russisches Archiv.
»Es gibt eine junge Frau, die diesen Test gesehen hat und detailliert beschreibt. Es gibt einen Arbeiter, der die Leichen verbrannt hat, das heißt die Verbrennung der Opfer mit ansehen musste. «
Damit kann man ausschließen, dass irgendein russischer Test gemeint war. Der erste sowjetische Atomtest hat im August 1949 erst stattgefunden. Und diese ganze Ablage ist eingerichtet worden um die deutschen Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet der Raketenforschung darzulegen. Leider ist der Film bis heute für die Forschung nicht zugänglich. Insofern bleibt abzuwarten, wann russische Archive die Nutzung gestatten und dann werden wir weitere Klarheit bekommen.
aspekte: Es gibt keine unmittelbaren Augenzeugen, es gibt den Film nicht, es gibt keine Messreihen ...
Karlsch: Stopp, stopp, stopp, jetzt muss ich einhaken. Es gibt Augenzeugen, die sind im Buch ja auch zitiert. Es gibt eine junge Frau, die diesen Test gesehen hat und detailliert beschreibt. Es gibt einen Arbeiter, der die Leichen verbrannt hat, das heißt die Verbrennung der Opfer mit ansehen musste. Das sind also sehr eindringliche Beschreibungen. Es gibt einen russischen Spion, der bereits im März 1945 über diesen Test sehr detailliert schreibt. Also wir haben mindestens drei Augenzeugen.
Wir haben einen vierten indirekten Zeugen, das ist der Adjutant von Himmler, Werner Grothmann, der beschreibt die Feierlichkeiten der SS-Führung, also im kleinsten Kreise zwei Tage nach dem Test. Und er erwähnt auch eine kleine Rede Himmlers, in der er sich auf diese Tests sehr deutlich bezieht. Also, wir haben Augenzeugen und die sind auch alle im Buch aufgeführt. Es gibt des Weiteren die bereits von mir erwähnten Messreihen, die recht starke Indizien beinhalten. Man kann das alles noch weitertreiben, den ultimativen Nachweis wird man mit einer Messzahl kaum erbringen können.
aspekte: Mir fällt auf, dass einer der Leiter der damaligen kernphysikalischen Forschung, Carl Friedrich von Weizsäcker, in dem Buch praktisch nicht vorkommt. Auch nicht als Quelle, auch nicht als Literaturangabe. Am 7. August 1945 wird in einem Memorandum Folgendes festgehalten: "Den Unterzeichnern sind keine Untersuchungen, etwa anderer Gruppen in Deutschland, bekannt geworden, die unmittelbar die Herstellung der Bombe zum Ziel gehabt hätten."Als wörtliches Zitat: "Wenn solche Versuche doch unternommen sein sollten, so waren sie jedenfalls von Dilettanten durchgeführt und nicht ernst zu nehmen." Kennen Sie dieses Zitat?
Karlsch: Ich kenne dieses Zitat. Es stammt aus den Farm Hall Protokollen, wo Weizsäcker, Heisenberg und die anderen sich zum deutschen Forschungsstand geäußert haben. Aus dem Zitat spricht natürlich auch eine gewisse intellektuelle Überhöhung und eine gewisse Überschätzung der eigenen Leistungen.
Ich bin völlig überein mit dem ersten Teil der Aussagen Weizsäckers, dass er und Heisenberg davon ausgingen, dass sie an der Spitze des wissenschaftlichen Fortschritts in der kernphysikalischen Forschung in Deutschland standen und dass sie nicht weit genug gekommen sind, um überhaupt eine Entscheidung für oder wider den Bau einer Atomwaffe fällen zu müssen. Stimme ich völlig mit überein. Und das unterstreiche ich auch in dem Buch.
Mit dem zweiten Teil seiner Aussage habe ich allerdings ein Problem. Er kannte eine Reihe von Forschungsgruppen überhaupt nicht. Weizsäcker ist 1942 nach Strassburg gegangen, hat dort eine Professur angenommen, und saß sozusagen an der Peripherie der Forschung und war auch nur noch einen kleinen Teil seiner Arbeitszeit mit dem Uran-Projekt beschäftigt.
Im überwiegenden Teil seiner Forschungszeit hat er sich ganz anderen Dingen zugewandt, ganz bewusst anderen Themen zugewandt. Er war also nicht mehr informiert über die Dinge, die beim Heereswaffenamt, bei der Marine und bei anderen Gruppen abgingen. Diejenigen, die es wussten, Gerlach und Diebner, haben dazu geschwiegen. Sie haben das Memorandum mit unterschrieben, obwohl sie es besser wussten.
aspekte: Diese entscheidenden Sätze am 7. August 1945 sind unterzeichnet worden von den Hauptunterzeichnern Carl Friedrich von Weizsäcker und dem - wie Sie es sagen - Vater der Bombe von Ohrdruf Walther Gerlach selbst. Also hat Walter Gerlach dort bewusst gelogen?
Karlsch: An der Stelle hat er nicht die Wahrheit gesagt. Wenn Sie die Farm Hall Protokolle lesen, dann werden Sie feststellen, dass zwei Herren sich auffallend zurückhalten, dass sie durch lautes Schweigen glänzen. Das sind Walther Gerlach und Kurt Diebner. Beide haben gar nicht so physisch darunter gelitten, dass sie nicht alles preisgeben konnten, was sie wussten, und dass die Amerikaner schneller waren als sie selbst. Gerlach fühlte sich in Farm Hall wie ein geschlagener General. Und Diebner bekam Weinkrämpfe. Also diese Psychogramme müssen Sie auch mit bedenken, wenn Sie sich mit Farm Hall beschäftigen.
»Wenn Sie sich die Arbeiten von Diebner in der Nachkriegszeit anschauen, so werden Sie feststellen, dass er da fortgesetzt hat, wo er 1945 aufhören musste.«
Ich will es noch einen Schritt weiter treiben und auf die Nachkriegszeit eingehen. Die Konstellationen, die es bereits während des Krieges gab, sind kaum verändert auch nach dem Krieg wiederzufinden. Es gibt diejenigen Wissenschaftler, die sehr vorsichtig mit dem Atomproblem umgegangen sind und nicht so recht wollten. Es gab diejenigen, die die Bombe wollten, also die Bombenfraktion. Wenn Sie sich die Arbeiten von Diebner in der Nachkriegszeit anschauen, so werden Sie feststellen, dass er da fortgesetzt hat, wo er 1945 aufhören musste.
Er hat 1955, in dem ersten Monat, als überhaupt die Wiederaufnahme kernphysikalischer Forschung der Bundesrepublik möglich war, Dutzende Patente eingereicht. Zur Reaktorentwicklung - das kann man ja noch verstehen. Aber er hat auch Patente eingereicht, um eine Wasserstoffbombe bauen zu können. Er hat zwei Patente für die Entwicklung einer Wasserstoffbombe eingereicht - oder einreichen wollen. Das ist eine Kontinuität, die ich da feststelle, ganz eindeutig.
Weitere Sendungen zum Thema
Weitere Informationen zum Thema "Hitlers Bombe" erhalten Sie in Guido Knopps neuester Ausgabe der ZDF-Sendung "History" am 20. März 2005.
aspekte: Man sagt ja, das Leben wird nach Vorne gelebt und nach Rückwärts verstanden. Heißt das unterm Strich, dass Sie nach vier Jahren Forschung sagen, dass die Deutschen die "Vaterschaft" beantragen können für die Atombombe? Haben die Deutschen die Atombombe vor den Amerikanern entwickelt?
Karlsch: Die deutschen Wissenschaftler haben Kernenergie in kleineren Mengen freigesetzt. Ich würde nicht so weit gehen, dass sie als erste eine Atombombe - wie wir sie gemeinhin kennen - entwickelt hatten. Fragt sich jetzt: Was ist eine Atombombe? Darüber sollten wir diskutieren. Wo fängt eine Atombombe an?
Dieser Begriff ist historisch besetzt. Historisch besetzt dahingehend, dass wir unter Atombombe verstehen: eine Bombe, die 50 Kilogramm Uran 235 oder mindestens 10 Kilogramm Plutonium beinhaltet und eine riesige Vernichtungssumme freisetzt. Das war es nicht, was die Deutschen konnten. Sie waren auf dem Weg zur Entwicklung taktischer Kernwaffen. Ich finde, das ist eine bedrückende Erkenntnis, das macht dieses Regime ja keinen Deut besser. Im Gegenteil. Es zeigt auf, wie wichtig es war, dieses Regime niederzulegen und möglichst rasch niederzulegen.
»Es sind nicht mehr die großen Bedrohungs-Szenarien, dass sich zwei Großmächte mit einem gefüllten Arsenal von Kernwaffen gegenüber stehen, sondern dass es eine Reihe von anderen Mächten gibt, die mit kleineren Kernwaffen hantieren und damit eine gefährliche Absenkung der nuklearen Schwelle möglich wird.«
Aspekte: Man kann es aber auch genau andersrum verstehen. Da liegt ja die Brisanz darin, dass Sie sagen, Sie wollen die Deutschen Kernphysiker rehabilitieren. Sie waren zu mehr in der Lage als geschrieben wird. Das ist ja ein Tabu.
Karlsch: Wenn es so war, dass die deutschen Physiker mehr wussten als man es in der früheren Nachkriegszeit in den amerikanischen Darlegungen nachlesen konnte, dann ist es eine Tatsache, daran können wir nicht vorbei gehen. Und das gehört auf den Tisch. Es wirft neue Fragen auf, es wirft Fragen nach dem Verhalten, nach dem Schweigen, nach der Gefährlichkeit auf, denen wir uns stellen müssen.
Es wirft auch Fragen auf in Richtung der Absenkung der nuklearen Schwelle. Das ist auch das, was heute interessiert. Es sind nicht mehr die großen Bedrohungsszenarien, dass sich zwei Großmächte mit einem gefüllten Arsenal von Kernwaffen gegenüber stehen, sondern dass es eine Reihe von anderen Mächten gibt, die mit kleineren Kernwaffen hantieren und damit eine gefährliche Absenkung der nuklearen Schwelle möglich wird. Das ist eigentlich die Brisanz des Themas bis heute.
Atombombentest
4. März 1945
Vor 60 Jahren wurde in Thüringen vor hunderten von KZ-Häftlingen eine Atombombe gezündet
Vor 60 Jahren – am Abend des 4. März 1945 – fand auf dem Truppenübungsplatz bei Ohrdruf, südwestlich von Erfurt in Thüringen, ein Test statt, an den wir uns erinnern müssen. In den späten Jahren des Dritten Reiches gab es mehrere Gruppen von Wissenschaftlern und Technikern, die sich mit der Entwicklung einer Atombombe befaßt haben. Es gibt viel Literatur über Werner Heisenberg und Carl-Friedrich von Weizsäcker, nur sehr spärlich sind die Informationen über die konkurrierende Gruppe im Heereswaffenamt unter Kurt Diebner. Das ist erstaunlich, weil Diebner und nicht Heisenberg den technischen Durchbruch noch kurz vor Kriegsende geschafft hatte.
Cläre Werner berichtete 1962 vor Kultur- und SED-Funktionären:/ “Ich kann mich noch gut an den Tag erinnern. Es war der 4. März 1945. Für den Tag hatten wir eine Geburtstagsfeier für den Abend, diese wurde abgesagt. Am Nachmittag war der BDM von Gotha auf der Burg. Hans war auch da und half uns noch, dann sagte er uns, daß heute auf dem Platz Weltgeschichte geschrieben wird. Es wird etwas gemacht, was es auf der Welt noch nicht gegeben hat. Wir sollen am Abend auf den Turm (der Wachsenburg, d.Vf.) gehen und in Richtung Röhrensee schauen. Er wisse auch nicht, wie das neue Ding aussehen wird. So waren wir ab 20 Uhr auf dem Turm. Nach 21 Uhr, gegen halb Zehn, war hinter Röhrensee mit einmal eine Helligkeit wie Hunderte von Blitzen, innen war es rot und außen war es gelb, man hätte die Zeitung lesen können. Es war alles sehr kurz, und wir konnten dann alle nichts sehen, wir merkten nur, daß es eine mächtige Sturmbö gab, aber dann alles ruhig war. Ich wie auch viele Einwohner von Röhrensee, Holzhausen, Mühlberg, Wechmar und Bittstädt hatten am anderen Tag oft Nasenbluten, Kopfschmerzen und auch einen Druck auf den Ohren. Am Nachmittag, gegen 14 Uhr, waren so zwischen 100 und 150 SS-Leute auf einmal auf der Burg, sie fragten wo die Leichen seien, wo sie hingebracht worden seien und wer schon da war. Wir wußten von nichts, und sie fragten uns, ob sie hier im “Objekt Burg” seien. Ich sagte ihnen, sie seien hier auf der Veste Wachsenburg, die im Volk immer nur als Burg bezeichnet wird. Ein Kradfahrer gab eine Meldung ab, daß die “Burg” über Ringhofen zu erreichen ist. Daraufhin fuhren die Autos von der Burg nach Mühlberg. Ich sah vom Turm, daß sie dann zum Übungsplatz fuhren.”/
Ein anderer Zeuge, Heinz Wachsmut, berichtete: /“Nach einer Straftat … wurde ich zwangsverpflichtet. Wir waren sechs Deutsche und hatten zur Hilfe 18 Häftlinge, darunter sieben Ungarn, fünf Polen und vier Russen; es waren alles Techniker, sie trugen keine Häftlingsanzüge, sondern Felddienst, und wurden auch mit uns verpflegt. Unsere Hauptaufgabe war, Tarnarbeiten durchzuführen. An gelandeten Flugzeugen, an Objekten, an Transportgut, das nicht immer sofort eingelagert werden konnte, und auch zu Hilfsarbeiten (wurden wir eingesetzt), wenn zu viele Häftlinge verstorben waren. Dazu mußten wir dann oft Holzhaufen errichten, wo die Leichen dann draufgelegt und angezündet wurden. Es gab keine Listen über die verstorbenen Häftlinge. Ein Tag, der immer in meinem Leben Bilder vor den Augen macht, war der Nachmittag des 5. März 1945. Wir mußten in der Polte Rudisleben Gerüste errichten für einen Versuch, der in wenigen Tagen stattfinden sollte. Am Nachmittag fuhr die SS mit LKWs vor, eigentlich hatte uns die SS nichts zu sagen, da wir ja immer mit Sonderbefehlen arbeiteten, die immer die Stempel der Reichspost bzw. des Forschungsrates trugen und nach dem Lesen sofort vernichtet werden mußten. Es war ein Befehl, der die Unterschrift von Kammler trug. Wir mußten alles Holz, das verfügbar war, aufladen. Die Fahrt ging nach Röhrensee, dort waren einige SS-Ärzte tätig, da eine große Anzahl von Bewohnern Kopfschmerzen hatte und Blut spuckte. Wir waren dort falsch und wurden sofort nach Gut Ringhofen bei Mühlberg gebracht. Dort wurde uns gesagt, wir müssen Holzhaufen am Waldrand errichten, ca. 12x12 m und nur höchstens 1 m hoch, dazu mußten wir Vollschutz tragen, auch unsere Häftlinge. Am Waldrand sahen wir schon einige Haufen von Menschenleichen, die wohl ehemalige Häftlinge waren. Die Menschen hatten alle absolut keine Haare mehr, teils fehlten Kleidungsteile, sie hatten aber auch zum Teil Hautblasen, Feuerblasen, nacktes rohes Fleisch, teilweise waren einige Teile nicht mehr vorhanden. SS und Häftlinge brachten die Leichen an. Als wir die ersten sechs Haufen fertig hatten, wurden die Leichen darauf gelegt, je Haufen ca. 50 Stück, und Feuer gelegt. Wir wurden zurückgefahren. Im Gut mußten wir den Schutz und unsere gesamte Kleidung ausziehen. Diese wurde ebenfalls sofort von der SS angezündet, wir mußten uns waschen und erhielten neue Kleidung und neuen Schutz, dazu jeder eine Flasche Schnaps, auch unsere Häftlinge. Ein hoher SS-Mann sagte mir, es habe da oben eine große Stichflamme gegeben gestern, man hat etwas neues gemacht, davon wird die ganze Welt sprechen, und wir Deutschen sind die ersten. Leider sei dabei einiges nicht so gelaufen wie geplant und einige Nichtsnutze habe man weniger. Beim zweiten Einsatz wurden nochmals drei Haufen errichtet. Dabei sahen wir, wie aus dem Wald einige völlig unmenschliche Lebewesen angekrochen kamen. Wahrscheinlich konnten einige nichts mehr sehen. – Pause – Ich kann es auch heute nicht beschreiben. Von zwei SS-Leuten wurden diese ca. zwölf bis fünfzehn Menschen sofort erschossen. Ob sie wirklich schon erschossen waren, kann ich nicht sagen, da einige noch den Mund bewegten. Sie wurden bzw. mußten von anderen Häftlingen auf die in Flammen stehenden Haufen getragen werden. Wir wurden wieder zum Gut gebracht und es wiederholte sich alles. Gegen 23 Uhr fuhren wir zurück zur Polte. Am Waldrand waren 14 Feuerstellen zu sehen. Wir konnten an diesem und den nächsten Tagen nichts essen, es gab für uns und die Häftlinge immer wieder Schnaps. Einer unserer russischen Häftlinge sagte uns, er habe einen der Erschossenen noch verstanden, >… großer Blitz – Feuer, viele sofort tot, von der Erde weg, einfach nicht mehr da, viele mit großen Feuerwunden, viele blind, Gruß an Mutter von Olek Barto nach Gurjew …<”./
(Zitate nach Edgar Mayer und Thomas Mehner: Die Atombombe und das Dritte Reich, Kopp Verlag, Rottenburg a.N. 2002.)
Wir haben Gründe genug, uns voll Trauer an diesen 4. März zu erinnern. Aus der Anzahl der Scheiterhaufen läßt sich die ungefähre Anzahl der getöteten Häftlinge abschätzen. Diese mehrere hundert KZ-Häftlinge, die um die Atombombe herum aufgestellt worden waren, um die Wirkung zu erfahren, sind mit einiger Sicherheit die ersten Opfer einer Atombombe überhaupt. Nach einer Gedenktafel etwa oder irgendeinem offiziellen Hinweis auf den 4. März 1945 sucht man allerdings vergebens. Der Truppenübungsplatz bei Ohrdruf ist nach wie vor Truppenübungsplatz – heute der Bundeswehr. Sollten sich nicht noch irgendwelche Spuren dieses mörderischen Tests finden? Der Wirtschaftshistoriker Rainer Karlsch hat nach solchen Spuren gesucht. Er beschreibt den Krater, den die Testexplosion im Boden hinterlassen hat. Er hat das jüngste Buch über “Hitlers Bombe” geschrieben, es wird noch in diesem Frühjahr bei der Deutschen Verlags-Anstalt erscheinen. Es gibt nicht nur den Krater, es gibt auch den Nachweis von Radionukliden im Boden an dieser Stelle, die die Bombenthese bestätigen. Karlsch ist es sogar gelungen, in Moskau Berichte des russischen Geheimdienstes auszugraben, in denen über den 4. März 1945 berichtet wird. Der russische Vater der Atombombe, Kurtschatow, hat sich damit beschäftigt und Stalin informiert – die Berichte passen sehr gut zu den oben zitierten Augenzeugenberichten. Es lohnt sich, die Bücher von Mayer/Mehner und Karlsch aufmerksam zu lesen.
Nach Kriegsende haben zunächst die Amerikaner, etwas später die Russen alles, was sich irgendwie bewegen ließ – Unterlagen, Geräte, Menschen – gezielt gesucht und in die USA bzw. nach Rußland abtransportiert. Große Teile dieser Unterlagen sind in den USA noch heute unter Verschluß, so daß es einiger detektivischer Energie bedarf, zu rekonstruieren, was da am 4. März genau gezündet wurde. Diebner publizierte 1962 in der Fachzeitschrift Kerntechnik, deren Mitherausgeber er war und die gleichzeitig Publikationsorgan der Studiengesellschaft zur Förderung der Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt in Hamburg gewesen ist, einen Artikel mit dem Titel: “Fusionsprozesse mit Hilfe konvergenter Stoßwellen – einige ältere und neuere Versuche und Überlegungen”[1]
Diebner beschreibt in dieser Arbeit hinter vorgehaltener Hand, aber unmißverständlich, welche zweifellos physikalisch-technisch pfiffigen Überlegungen hinter der Explosion am 4. März 1945 standen. In seiner Publikation kommt natürlich die Bombe nicht direkt vor – Diebner spricht aber von technischen Anwendungen im Bereich unterirdischer Explosionen und Großraumsprengungen, zum Beispiel für den Hafenbau. Diebner hat 1955 zusammen mit Erich Bagge die Gründung der Studiengesellschaft zur Förderung der Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt betrieben und saß dort im geschäftsführenden Vorstand. Ebenfalls mit Bagge zusammen hat er die Zeitschrift Atomkernenergie mitbegründet. Schon 1956 wurde die Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt – den Leserinnen und Lesern des Strahlentelex heute besser als GKSS bekannt und berüchtigt – wiederum unter maßgeblicher Mitarbeit von Diebner gegründet, er war einige Zeit dort stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender. Wer es noch nicht verstanden hat: Die Atombombe, die am 4. März 1945 mehrere hundert KZ-Häftlinge auf schreckliche Weise umgebracht hat, funktionierte nach einem Prinzip, das unter Führung von Diebner entwickelt wurde und zehn Jahre später von demselben Diebner in der neuen nordwestdeutschen Kernphysik angesiedelt wurde. Dieses Prinzip steckt hinter den sogenannten “PAC-Kügelchen”, an denen wir uns heute aufreiben, weil in der Elbmarsch, wo sie in den Gärten umherliegen, Kinder an Leukämie erkranken.
Viele Fragen bleiben offen: Weshalb wurde die Testexplosion vom 4. März 1945 fast 60 Jahre lang von den eigentlich für solche Fragen zuständigen Historikern unterschlagen? Weshalb wurde das Buch von Meyer und Mehner nahezu völlig ignoriert oder lediglich angepöbelt? Weshalb haben die Konkurrenten von Diebner – die berühmten Professoren Heisenberg und Weizsäcker in ihren zahlreichen Schriften dieses Kapitel übersprungen? Weshalb hat Diebner die Göttinger Erklärung der 18 Atomwissenschaftler vom 12. April 1957 nicht mitunterzeichnet? Weshalb wurde 1990 das bis dahin strikte Verbot für deutsche Atomwaffen nach dem Paragraphen 16 des Kriegswaffenkontrollgesetzes fast vollständig aufgehoben? Weshalb drücken sich die deutschen Friedensforschungsinstitute und Friedensorganisationen vor diesem Geschehen?
Nehmen wir den 4. März in die unübersichtliche Reihe deutscher Gedenktage auf. In Deutschland wurden nicht nur die physikalisch-chemischen Grundlagen der Kernspaltung entwickelt und die Idee der Bombe formuliert, sondern auch gezielt die ersten Menschen mit einer Atombombe ermordet. Es ist nicht völlig abwegig, bei der Vorstellung zu frieren, die Nazis hätten nur wenige Wochen länger Zeit gehabt.
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