Original anzeigen (3,0 MB)Das Gebäude ist das Alfelder Rathaus, wie ich es in einer klaren Mondnacht aufgenommen habe. Es wurde in seinen Ursprüngen irgendwann Mitte des 15. Jahrhunderts gebaut, im 16. Jahrhundert im Renaissancestil umgebaut und wird bis heute als Verwaltungsgebäude genutzt. (Ein Beispiel für nachhaltige Bürogebäudenutzung).
Im Keller befindet sich ein Restaurant , das Ratskeller heißt und heute von einem vorzüglichen Italiener betrieben wird. Es ist als Lokal schon so alt, dass schon Wallensteins Soldaten dort die Weinvorräte ausgesoffen haben.
Ich weiß aus privater Quelle, daß vor ein paar Jahren ein Pächter des Lokals, der eine Dienstwohnung im Rathaus bewohnte, nachts wiederholt eine unheimliche Musik und Stimmen aus dem leeren Restaurant hörte. Er beauftragte einen esoterisch angehauchten Heilpraktiker aus Alfeld mit der Klärung dieser Präsenz, der alle Räume gründlich mit Indianersalbei räucherte. In diesem Zusammenhang sollen auch Fotos in der Wohnung gemacht worden sein, die ein Sofa zeigen: auf dem einen Bild sieht man eine verschwommene Gestalt auf dem Sofa sitzen, auf einem anderen eine etwas klarere Gestalt, eine unbekannte Person, die eine Schirmmütze trägt. (Leider verfüge ich über diese Bilder nicht und kann sie deswegen auch hier nicht einstellen...)
Ich selbst war kurz vor meinem zweiten Staatsexamen während meiner Referendarzeit eine Zeit lang dort im Rathaus tätig und musste einmal ein Gutachten über die Instandhaltungspflicht an einer Straßenbegrenzungsmauer erstellen. Ich stieg deshalb in das oberste Stockwerk, unmittelbar unter dem Dachboden, um juristische Fachzeitschriften einzusehen, die dort archiviert sind. Die Räume, in denen die Zeitschriftenbände standen, sind eine ehemalige alte Dienstbotenwohnung. Die vergilbten Tapeten aus der Zeit um die Jahrhundertwende sind dort noch an den Mauern. Seit längerem wird sie nicht mehr als Wohnung, sondern als Lagerraum genutzt. Ich konnte uralte Personalunterlagen aus der Zeit um 1900 in einem Regal liegen sehen.
Es war so still in diesen selten betretenen alten Räumen, dass ich meinte, man könne die Staubkörner zu Boden fallen hören... Nach einiger Zeit hatte ich das Gefühl, dass mich jemand beobachtet. Es hört sich vielleicht ein bisschen seltsam an, aber ich spürte irgendwie, dass es eine Frau war, in einem langen Kleid. Nervös blickte ich durch die Lücken in den Regalen... in der klammen Furcht, dass dort ein Gesicht auftauchen könnte, genauso verstaubt wie die Umgebung... Irgendwann hatte ich so ein gruseliges Empfinden, dass ich mir den Zeitschriftenband packte und runter in mein Büro ging, um ihn dort zuende durchzusehen...
Eigentlich war gar nichts geschehen, aber es gibt Orte, die einfach durch eine irgendwie geartete Präsenz auf uns wirken und dieser gehört dazu. Vielleicht nisten sich in Räumen, die zu lange nicht regelmäßig von Menschen betreten werden, auch Dinge ein, mit denen man sich lieber nicht konfrontieren möchte....