Narrenschiffer
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Martin Walser - Das dreizehnte Kapitel
09.03.2025 um 15:09
Dieser Briefroman Walsers erschien 2012 und "dokumentiert" einen Brief- und Mailwechsel zwischen dem wohl über 60-jährigen Schriftsteller Basil Schlupp (Selbstcharakterisierung: "gefallsüchtig") und der wohl gut 50-jährigen Theologin Maja Schneilin. Beide sind verheiratet. Schlupp, ein Frauennarr, sieht die Theologin bei einem Empfang beim Bundespräsidenten, ist von ihr beeindruckt, findet ihre Adresse heraus und schreibt ihr einen Brief, auf den sie antwortet. Schneilin möchte den Briefwechsel mehrfach aus unterschiedlichen Gründen abbrechen, doch Schlupp stalkt sie weiter: "Sehr verehrte Frau Schneilin, dass Sie meine Briefe nicht mehr lesen, ist für mich kein Grund, Ihnen nicht mehr zu schreiben."
Beide beginnen, ihre Briefe als Monologe zu gestalten, in denen sie ihre Gemütslage und ihr Befinden ausbreiten und immer mehr über ihre jeweiligen Ehepartner preisgeben. So hat Schupps Frau, die Kinderfernsehserien produziert, immer kalte Hände und kann nicht gut Auto fahren. Selbst über Sex schreibt Schupp. Schneilins Mann ist erfolgreicher Chemiker und entwickelt mit seiner Firma hochmoderne Medikamente "nach Maß".
Walser nimmt im Verlauf der Kommunikation Schupp immer mehr raus, und als die Schneilins nach einer angeblich erfolgreichen Bauchkrebsoperation des Mannes mit dem Rad in Kanada entlang des Yukon fahren, schreibt nur noch sie. Dies sind die interessantesten Passagen dieses Romans.
Das Ende ist für eine Theologin ein überraschender Cop out. Mehrfach schreibt sie, dass ihr Mann sie fragt, ob sie überall mit ihm hingehen werde. Faktum ist, dass der Krebs nicht besiegt ist, er nur mehr eine kurze Lebensspanne vor sich hat, und sie geht gemeinsam mit ihm in den Tod.
Auch wenn manche Dialoge thematisch durchaus interessant sind, sind immer wieder Platitüden im Text. Beispiele:
Der Wikipediaeintrag zu diesem Roman schlüsselt vieles in diesem Roman im Stile einer Germanistikseminararbeit auf.
- Kinder sind Attentate der Natur
- Alle Frauen, die ich sehe, sehe ich nackt.
- Das Leben ist zu kurz, um schlechte Weine zu trinken.
- Zweimal gurgeln pro Tag und abends Gymnastik.
- Wer wenig verlangt, will wenig geben.