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Ursula Poznanski - Saeculum
07.12.2024 um 13:24
Dieser 2011 veröffentlichte Thriller der österreichischen Star-Autorin Ursula Poznanski wurde von Presse und Fachwelt gefeiert, und mich haut er nicht um. Auf dem Reißbrett wurde ein Thriller nach dem Muster von Blair Witch gestaltet.
Eine 15-köpfige Gruppe von jungen Menschen um die 20 aus Köln fahren mit der Mittelalter-Rollenspielgruppe Saeculum in ein naturbelassenes Waldstück bei dem niederösterreichischen Ort Wieselburg, um eine fünftägige Konvention abzuhalten, bei der nur mittelalterliche Gegenstände zugelassen sind. Auch moderne Medikamente sind verboten. Es geschieht Eigenartiges, Leute verschwinden, der Gruppenneuling Bastian (Sohn eines berühmten Chirurgen und strebsamer Medizinstudent) wird langsam zum Ziel, da der Organisator Paul sein von dem gemeinsamen Vater verleugnete Halbbruder ist. Als die Gruppe in einem Burgkeller mit einer Gruft, wohin sie wegen eines Gewitters geflohen sind, durch einen Felssturz eingesperrt ist, wollen etwa 10 esoterisch Durchgeknallte der Gruppe auf Basis einer Ortssage, laut der ein Bastard des Burgherrn einen Fluch ausgesprochen hat, der nur durch den Tod eines rechtmäßigen und reichen Erbsohnes aufgehoben werden kann, Bastian töten. Doch Paul (wie Bastian ein Muskelpaket) schützt ihn und sperrt ihn in ein schwer zugängliches Verlies, wo Bastian verdursten und verhungern soll. Und siehe da, plötzlich findet die Gruppe einen andern Weg ins Freie.
Am Ende löst Poznanski die mysteriösen Ereignisse auf. Paul, der ein Jahr lang geplant hat, um seinen Halbbruder Bastian in diese Falle zu locken, holt seinen Vater zum Verlies, um die ausständigen Alimente zu erpressen. Und nicht nur das, der um seinen Ruf besorgte Chirurg lässt auch einen Hubschrauber einfliegen, um einen Schwerverletzten in ein Krankenhaus zu fliegen.
Nebenhandlung: Die 17-jährige Harfinistin Iris wird von ihrem rothaarigen psychopathischen Exfreund Simon gestalkt, der sich rächen will, weil sie von ihm davongelaufen ist, und Paul hat ihn als "Mann fürs Grobe" für diese Konvention angeheuert. Warum ihn, wird nicht erklärt. Als er Iris gewaltsam zwingen will, mit ihm wegzugehen, fügt ihm Bastian, der in Iris eine Seelenverwandte sieht, eine schwere Beinwunde mit einem in der Gruft rumliegenden Schwert zu. Da Simon im Krankenhaus eine Pflegerin attackiert, wird er in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen. Die Geschichte von dem Burgkeller mit der Gruft glaubt ihm kein Mensch. Welche Story der Chirurg seinen Kollegen aufgetischt hat, bleibt im Dunkeln.
Ein Spannungsbogen wie nach Literaturwerkstattlehrbuch ist vorhanden, doch die Charakere bleiben eindimensional und die Geschichte ist sowas von konstruiert, dass bei mir nie Spannung aufgekommen ist. Allesamt waren die Teilnehmer:innen sowas von durchgedreht und unsympathisch. Dazu kommt, dass die deutsche Gruppe einen Naturwald in Österreich vollkackt, sodass beinahe Freude aufkam, wenn der nächsten Person was passiert ist.
Erhellend über den Literaturbetrieb sind die Dankesworte von Poznanski am Ende des Buchs:
Ich danke ... meiner Agentur, der AVA international - namentlich Roman Hocke und Dr. Uwe Neumahr, die aus dem Bummelzug meiner Autorenlaufbahn einen ICE gemacht habenDa steht wohl im Hintergrund eine Maschinerie, welche nun seit über einem Jahrzehnt das Phänomen Poznanski vorantreibt. Ein Thriller mit aktuellen Themen nach dem anderen. Und talentiert ist sie ja.
Wobei mir einfällt, ab nächstem Jahr wollen Verlage Manuskripte von einer KI prüfen lassen, ob sie ein Verkaufsschlager werden können. Ob wir dann viel Poznanski-Style AKA Poznanski-Epigonen bekommen?