Messenger-Aufbruch

Dies ist der erste Band der Bestseller-Serie Keeper of the Lost Cities (bei den deutschen Ausgaben nicht übersetzt) von Shannon Messenger aus dem Jahr 2012, auf Deutsch 2021. Oberflächlich ist es ein Harry-Potter-Epigone mit einer weiblichen Heldin (Sophie, 12 Jahre). Sophie wächst als Elfe unter Menschen auf, wird aufgespürt und ins Elfenreich geholt. Allen Menschen, die sie kennen, wird sie aus dem Gedächtnis gestrichen. Im Elfenreich besucht sie eine Eliteschule und es stellt sich heraus, dass sie über unglaubliche telepathische und telekinetische Fähigkeiten verfügt wie auch über die Fähigkeit, anderen Schmerzen zuzufügen.

Wie es sich für eine Kind-Superheldin gehört, wird sie vor große Aufgaben gestellt. So lodern um viele Menschenstädte verheerende Brände und es wird vermutet, dass Elfen mit verbotenen pyrokinetischen Fähigkeiten diese gelegt haben. Unbekannte statten Sophie mit allen Mitteln aus, um das Feuer in einer Flasche einzufangen, um es analysieren zu können. Mit Hilfe eines feuerfesten Flugsauriers, der "mitgeliefert" wird gelingt es. Drei wohl einer bösen Seite angehörige dunkel gekleidete Männer entführen sie und wollen ihre Wissen stehlen, doch mit Hilfe von Freunden gelingt es ihr zu fliehen.

Zur Story gehören noch die typischen Bubengeschichten (sie hat einen Fan-Club), Prüfungsängste (in eigentümlichen Elfenfächern), Familienängste (sie scheint ein künstlich befruchtetes Elfenkind zu sein, deren Fähigkeiten ihr eingepflanzt wurden) nach ihrer Entführung ins Elfenreich, bis schließlich sie von einer Familie, die für die Menschen ausgestorbene Tierarten in einem Reservat betreut und ihre leibliche Tochter in einem Hausfeuer verloren hat, adoptiert wird.

Doch der Plot ist nicht die Essenz. Messenger kreiert einen Elfenstaat, der als faschistisch zu bezeichnen ist.

  • Ein zwölfköpfiger Hoher Rat beherrscht seit Jahrtausenden die beinahe unsterblichen Elfen. Er ist Gesetzgeber, Regierung und Gericht in einem. Gewaltenteilung gibt es nicht.
  • Die Leibgarde des Rats besteht aus muskulösen, großen Kobolden, einer Art SS.
  • Die Elfen werden nach ihren angeborenen Fähigkeiten eingeteilt und so einer gesellschaftlichen Schicht zugeteilt.
  • Die Selektion erfolgt an Schulen, in denen ihre Fähigkeiten ausgetestet werden.
  • Talentlose werden nach Exillium verbannt.
  • Minder Talentierte gehen in die Produktion oder den Handel.
  • Sehr talentierte erwartet ein Platz in der adeligen Elite.
  • Hochtalentierte werden von anderen Elfenkindern abgeschottet unterrichtet.
  • Allen Elfen wird bei Geburt eine riesige Menge Geld zur Verfügung gestellt, welche für das ganze lange Leben reichen soll.
  • Es existieren eigene Städte für Produktion und Handel.
  • Arbeit ist Bedürfnis. (Arbeitszwang?)
  • Für untergeordnete Arbeiten werden Gnome herangezogen.
  • Gnome werden nicht als Sklaven gesehen, sondern als freiwillige Vertragsarbeiter.
  • Die adelige Elite lebt abgeschottet in riesigen Prunkpalästen.
  • Ein Medienwesen gibt es nicht, Informationen werden vom Rat zur Verfügung gestellt.
  • Es gibt verbotenes Wissen.
  • Es gibt verbotene Fähigkeiten (Pyrokinese).
  • Es gibt keine Opposition.
  • Elfen mit konträren Ansichten zum Rat werden zur Unterwerfung gedrängt.
  • Wer sich nicht unterwirft, wird nach Exillium verbannt.
  • Weiterhin agierende Oppositionsgruppen werden als Terroristen bekämpft.
  • Der Rat unterhält eine Geheimpolizei an Telepathen, welche in die Gehirne eindringen dürfen, und an Vollziehern mit unbeschränkter Machtbefugnis.
  • Die Gerichtsverhandlungen vor dem Tribunal des Hohen Rats sind öffentliche Schauprozesse.
  • Den Elfen wird ein "Signaturanhänger" um den Hals gehängt, damit sie jederzeit identifizierbar und aufspürbar sind.
  • Die Gesellschaft greift in Partnerschaften ein. Es gibt "kompatible" und "unkompatible" Paare.


Der Kernkonflikt zwischen Menschen und Elfen ist, dass Erstere einen Vertrag mit den Elfen gebrochen haben und seitdem von ihnen in Ruhe gelassen werden, was zu den menschlichen Problemen wie Krieg, Gewalt, Umweltverschmutzung, Armut, Hunger geführt habe. Als die Menschen Massenvernichtungswaffen entwickelt haben, gab es eine Abstimmung im Rat, ob die Menschheit ausgelöscht werden solle. Er hat sich dagegen ausgesprochen. Nun scheinen zwei Gruppen unabhängig vom Rat zu agieren. Eine will die Exterminierung der Menschen durchführen, die andere mit der Bezeichnung Big Swan will dies unterbinden. Da beide Organisationen außerhalb des Rats und dessen Gesetze agieren, sind sie illegal.

Unklar ist am Ende des ersten Bandes, wer Sophie mit ihren überelfischen Fähigkeiten und Talenten ausgestattet hat. Man weiß nur, dass Black Swan sie Projekt Mondlerche genannt hat und ein gewisser Prentice dieses Wissen gehütet hat. Der Hohe Rat hat bei dem Versuch, dieses Wissen durch einen "Erinnerungsbruch" aus seinem Gehirn zu holen, Prentice' Gehirn zerstört. Er fristet sein Dasein nun als Geistesschwacher. Aber der Hohe Rat konnte Sophies Aufenthaltsort bei den Menschen aufspüren.

Fies ist, dass Kinder mit dieser an der Oberfläche spannenden Fantasygeschichte für ein faschistisches Regime angefixt werden. Die Identifikationsfigur ist Sophie. Sie lebt, wenn man die Abenteuer abzieht, in einer reichen Überflussgesellschaft und bei sie liebenden Adoptiveltern. Sie hat Freunde, der Rat hat sie bei Übertretungen nie aus der Eliteschule Foxfire geworfen oder gar in die Verbannung geschickt. Für Sophie und vermutlich auch für junge Leser:innen besteht der Hohe Rat aus sehr netten Menschen. Mit Ausnahme von Bronte, der Sophie nicht in der Elite haben will.

Geborgenheit gibt es bei ausreichenden angeborenen Fähigkeiten und wenn kein Dissent herrscht. Und was abweichend ist, bestimmt eine nicht zu hinterfragende Autorität. Ist das die faschistische Botschaft dieses Kinderbuchs?