Boie-Chicago

Ein Gaslighting-Furioso aus dem Jahr 1999. Als Niklas einen neuen Klassenkameraden namens Karl erhält, müssen sie gemeinsam ein Referat in Geschichte erarbeiten. Bei zwei Besuchen stiehlt Karl eine CD und ein CD-ROM-Laufwerk, leugnet jedoch alles ab, er behauptet sogar, er habe es für 100 Mark gekauft. Auch stiehlt er den Pager von Niklas, wirft einen Stock zwischen die Speichen von Niklas' Fahrrad, sodass er zu Sturz kommt, und bedroht diesen mit einem Messer.

Als Niklas' Vater mehrfach Karls Eltern kontaktiert und sein Laufwerk zurückkauft, werfen diese Niklas vor, dass er mit Lügen Karl bezichtige, diese Taten begangen zu haben. Als Rache beginnt Karl einen Telefonterror mit Beschimpfungen und Gewaltandrohungen. Die Polizei lehnt Kassettenaufnahmen der Telefongespräche ab und will stichhaltige Beweise, die nicht vorgelegt werden können. Eine Fangschaltung ist den Eltern zu teuer. Außerdem seien laut Polizei diese Ereignisse Bagatellen und auch teure Anwälte würden nicht helfen, da weiterhin Aussage gegen Aussage stände und Karls Freunde seine Version als Zeugen bestätigen würden. Da helfe auch nicht, dass Niklas' Schwester Karl und Freunde über die Polizei, von der sie vorgeladen wurden und die sie belogen hätten, hat spotten hören.

Auch Niklas' Lehrerin zweifelt an seinen Vorwürfen und seine Eltern sind sich auch nicht sicher, ob Niklas wirklich die Wahrheit sagt, da er ja einmal über eine schlechte Mathe-Note gelogen hätte. Auch der Telefonterror und das Verschwinden ihres Kaninchens aus dem aufgebrochenen Käfig helfen nicht, die Zweifel aus dem Weg zu räumen.

Die Anzeige wegen Telefonterrors wird abgewiesen. Niklas' Gedanken, die den Text rahmen, zeigen seinen Entschluss, Selbstjustiz üben zu wollen. Der Text ist fett gedruckt.
Ich mach ihn tot.
Ich bring ihn um, ich schwör, ich mach ihn tot, ich tret ihm so die Fresse ein, dass er niemals mehr ...
Ich mach ihn tot.
Ich bring ihn um, ich schwör.
Eines der Telefongespräche (Thomas ist der Vater - die Eltern werden mit Vornamen angesprochen):
»... miese kleine Ratte!«, sagt die Stimme. »Für Auswurf wie dich ist kein Platz auf dieser Erde!
Horst du das, Schmutz? Dich haben sie hingekotzt, du bist ein Klumpen Kotze ...«
»So unglaublich«, sagt Thomas müde und spult ein Stück zurück. »Wenn ich es nicht mit meinen eigenen Ohren hören würde ...«
»... haben sie hingekotzt, du bist ein Klumpen Kotze, ein Fäkalienberg, Schmutz, weißt du überhaupt, was das ist? Du musst verschwinden, vom Angesicht der Erde, aus meinem Angesicht, denn ich bin Gott! Hast du mich gehört, Ratte, ich will dich nicht mehr sehen, verpeste mir nicht meine Luft, Gott lässt nicht mit sich spaßen! Und glaube nur nicht, dass ich nicht Ernst mache! Du kleiner ...«
»Nur ein Mal müssten sie sich das anhören bei der Polizei«, sagt Thomas. »Mein Gott. Der Junge ist doch krank.«
Die Lehrerin im Gaslighting-Modus:
»Er hat mich überfallen«, murmelt Niklas.
Er wollte es nicht sagen. Was man nicht beweisen kann, soll man für sich behalten.
»Überfallen?«, ruft Frau Römer. »Wie, überfallen? Zusammengeschlagen? Wie?«
»Mit dem Messer«, sagt Niklas. Er sieht sie nicht an. »Gestern. Darum will ich nicht so gerne.«
»Und da haben deine Eltern nichts gemacht?«, ruft Frau Römer. »Wenn die Geschichte wahr ist ...«
»Karl sagt, es stimmt nicht«, sagt Niklas. »Falls Sie ihn fragen sollten. Vergessen Sie's.«
»Ja«, sagt Frau Römer nachdenklich. »Niklas, warum hat er dich denn überfallen? Erzähl mir das mal.«
Niklas sieht nicht auf.
»Niklas?«, sagt Frau Römer. »Kein Mensch tut so etwas ohne Grund. Da musst du ihm doch zuerst irgendwas ...«
Niklas merkt, dass er gleich schreien wird.
So laut wird sein Schrei sein, dass alle Scheiben zerspringen.
»Vergessen Sie's«, sagt er, »vergessen Sie's doch«, und er wirft den Stuhl hinter sich um, so schnell rennt er aus der Klasse.
Wenn er jetzt nicht gerannt wäre, hätte er sie angebrüllt.
Der Vater im Gaslighting-Modus:
»Noch vor einem Jahr«, sagt Thomas, ohne Niklas anzusehen, »noch vor ein paar Monaten hätte ich dir geglaubt, bedenkenlos. Aber inzwischen ist zu viel passiert. Diese Lügerei wegen der Mathefünf und die Geschichte mit dem Messer.«
Niklas macht die Augen zu. Wegen Karl wird er nicht weinen.
»Der Dauerbrenner Karl!«, sagt Thomas. »Erst die Geschichte mit dem Quix, jetzt das Laufwerk - du bist wohl froh, dass du jemanden hast, auf den du alles schieben kannst?« Niklas ist still. Thomas wird ihm nicht glauben.
Niklas sucht eine Erklärung, warum ihm niemand glaubt:
Er kann Thomas verstehen und vielleicht sogar Frau Römer. Jungen wie Karl kommen in ihrer Welt nicht vor. Es gibt keine Menschen, die gemein sind ohne Grund.
Als Niklas zusammengeschlagen worden ist - was Karls Freund Rocky, der dabei war, leugnet -, glauben das nicht mal seine Eltern (Karin ist die Mutter):
»Zu sehen ist nichts«, sagt Karin und schüttelt den Kopf. »Na, da hast du Glück gehabt. So schlimm kann der Schlag nicht gewesen sein.«
»Doch!«, schreit Niklas. »Ziemlich schlimm, ich bin doch gefallen! Und Rocky hat das ja alles gesehen, Rocky hat ihn doch festgehalten, der hätte mich sonst totgeschlagen!«
»Unsinn«, sagt Thomas. Er sieht unsicher aus.
»Ich will, dass ihr zur Polizei geht!«, ruft Niklas. Seine Stimme klingt schrill. »Ich hab doch einen Zeugen! Und er wollte mich umbringen! Er wollte mich umbringen!«
»Du übertreibst«, sagt Thomas.