Zusak-Vorstadtfighter

Markus Zusak ist ein australischer Schriftsteller mit deutschen (Mutter) und österreichischen (Vater) Wurzeln. Bekannt wurde er mit seinem Roman Die Bücherdiebin, zuvor schrieb er Erzählungen über Unterschichtjugendliche in Sidney wie diese hier. Das Besondere ist, dass dieser Roman von einem ganz Großen übersetzt wurde, von Ulrich Plenzdorf.

Im Zentrum stehen die zwei jüngeren Brüder der Familie Wolfe. Der Vater ist nach einem schweren Unfall arbeitslos, weigert sich jedoch aus Stolz, Arbeitslosengeld zu beziehen, sondern versucht erfolglos als ehemaliger Klempner privat Aufträge zu erhalten. Die Mutter hält die Familie mit zwei Putzjobs über Wasser. Der ältere Bruder, der einen Praktikumsjob an der Universität hat, verlässt die Familie und zieht zu seiner Freundin, die ältere Schwester trinkt heftig und ist als Schlampe verschrien. Der jüngste Bruder erzählt die Geschichte, wie er mit Ruben bei Hunderennen versucht Geld zu gewinnen und wie er mit Ruben einarmiges Boxen trainiert. Ruben ist durchtrainiert und neigt zu Gewalt, und als am Schulhof ein Junge seine Schwester eine "Nutte" nennt, verdrischt er ihn brutalst.

Dies macht die Runde in der Stadt und so werden beide von einem Organisator illegaler Boxkämpfe angeheuert. Ruben gewinnt jeden Kampf und wird der Liebling der Zuschauer, vor allem der Frauen. Cameron hat zunächst große Angst, kann aber ein paar Kämpfe gewinnen. Schließlich werden beide zugelost, Cameron will seinen Bruder eigentlich schlagen, doch der zieht einen Handschuh aus und sie kämpfen wie bei den Sparrings im Garten einhändig. Ihr bei den Kämpfen verdientes Geld stellen sie der Familie zur Verfügung.

Die Sprache ist vor allem in der ersten Hälfte oft derb. So schildert Cameron, wie seine Schwester um drei Uhr morgens nach Hause kommt:
Um drei wird es plötzlich laut. Es ist Schwester Sarah, die sich im Bad die Seele aus dem Leib kotzt. Ich geh nachsehen. Sie ist in ihrem roten Top, kniet vorm Klo, hält sich dran fest, umarmt es zärtlich, verschmilzt damit.
Sie hat dickes Haar, das ihren Kopf umflutet, wie bei allen Wolfes, und als ich sie mit meinen brennenden, verplierten Augen betrachte, entdecke ich in ihren wirren Locken was von der Kotze. Mit Klopapier fische ich es raus, dann mache ich ein Handtuch nass und wische ihr alles ab. Kotze stinkt. Ich hasse den Geruch.
Ist sie einsam? Unglücklich? In Panik? Wäre gut, wenn ich sagen könnte, ich verstehe es. Aber was würde das ändern? Ebenso gut könnte ich fragen, warum Rube und ich zu diesen Hunderennen gehen. Jedenfalls nicht weil wir krank im Kopf sind oder so was. Das alles ist einfach so. Wir gehen zum Rennen. Sarah lässt sich voll laufen. Sie hatte mal einen Typ, aber der hat sie sitzen lassen.
Die Beschreibung des Unfalls des Vaters:
Es war so, dass er auf einer Baustelle draußen in der Vorstadt arbeitete, als irgendein Kerl das Druckventil zu früh aufdrehte. Ein Rohr explodierte und mein Vater bekam dieses Schrapnell voll ins Gesicht.
Der ganze Schädel kaputt.
Beide Kiefer gebrochen.
Massenweise Nähte. Ein Haufen Draht.
Sehr gelungen ist auch die Charakterisierung der Zuseher:innen bei den Boxkämpfen aus der Sicht des Boxers, wenn die Scheinwerfer aufgedreht werden und die Menschenmenge nicht mehr zu sehen ist:
Nur Stimmen sind noch da. Keine Gesichter, keine Blondinen, kein Bier oder sonst irgendwas. Nur Stimmen noch, die zu den Scheinwerfern aufsteigen. So klingen nur Menschen, die sehen wollen, wie sich andere Menschen abschlachten. Nur deswegen sind sie hier, das macht sie an, und sonst nichts.
Streckenweise ist der Text packend geschrieben und die Übersetzung sehr gelungen. Nur das offene und irgendwie milde Ende ist befremdend, da mit ein paar hundert Dollar die Not der Familie nicht gelindert ist. Auch die Schwester, die zu Beginn so drastisch vorgestellt worden ist, verschwindet langsam aus der Erzählung.