Hofmannsthal-Schwierige

Berühmt ist Hofmannsthal ja durch seinen Jedermann, der jedes Jahr im Sommer in Salzburg vor dem Dom aufgeführt wird. Der Schwierige aus 1921 ist für mich wirklich schwierig in dem Sinne, dass es einer der uninteressantesten Texte ist, die ich seit Langem gelesen habe.

Dieses Kammerspiel spielt nach dem Ersten Weltkrieg (oder in den letzten Kriegstagen?) im Wiener Kleinadel, der "Schwierige" ist Baron Hans Karl Kühn, ein 39-jähriger alleinstehender Mann, der im Krieg als Offizier gedient hat und Abgeordneter im Herrenhaus ist (dies macht die Datierung der Handlung unklar, da das Herrenhaus am 12. November 1918 bei der Republiksausrufung abgeschafft worden ist), wo er noch kein einziges Mal das Wort ergriffen hat.

Bühl ist der Kontakt zu Menschen unangenehm, Tratsch und Small Talk interessieren ihn nicht. Sein Schwester bittet ihn zu einer Abendveranstaltung der Familie Altenwyl zu gehen, um bei deren Tochter Helene für ihren Sohn eine Verlobung in die Wege zu leiten. Ihm ist das etwas peinlich, da auch das Ehepaar Hechingen anwesend sein wird. Mit der Frau hat er Liebesbriefe ausgetauscht gehabt, er liebt sie jedoch nicht, sondern schätzt sie nur als Freundin. Nach unglaublich viel belangloser Rederei auf dieser Soiree kommen Helene und Bühl ins Gespräch und sie gesteht ihm ihre Liebe (seit sie 15 Jahre ist, liebt sie ihn - wie alt sie zum Zeitpunkt der Handlung ist, bleibt unklar). Sie verloben sich.

Eingestreut sind ein paar Witze, so über einen neuen Diener, der sehr impertinent auftritt. Aber so richtig zündet dies alles nicht. Es ist eine oberflächliche Welt. Vielleicht gibt es sie noch, aber Hofmannsthal gelingt es nicht, sie in irgendeiner Weise packend zu kritisieren.

Ein einziges Mal brilliert vielleicht Hofmannsthal, als er Bühl, der seine erste Rede im Parlament halten soll, Folgendes sagen lässt:
Ich soll aufstehen und eine Rede hal-ten, über Völkerversöhnung und über das Zusammenleben der Nationen - ich, ein Mensch, der durchdrungen ist von einer Sache auf der Welt: daß es unmöglich ist, den Mund aufzumachen, ohne die heillosesten Konfusionen anzurichten! Aber lieber leg' ich doch die erbliche Mitgliedschaft nieder und verkriech' mich zeitlebens in eine Uhuhütten. Ich sollte einen Schwall von Worten in den Mund nehmen, von denen mir jedes einzelne geradezu indezent erscheint!