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Dieser im Jahr 1867 spielende und 1869 veröffentlichte Roman über ein Unterseeboot namens Nautilus eines Kapitäns Nemo ist vermutlich auch wegen der Verfilmungen bekannt.

Der Plot: Mehrere Schiffe sind von einem Meerungeheuer versenkt worden und ein US-amerikanisches Marineboot macht sich auf die Suche nach diesem. Im Nordpazifik trifft man auf dieses und im Kampf geht das Schiff unter. Der französische Naturforscher Pierre Aronnax, dessen belgischer Diener Conseil sowie der kanadische Waljäger Ned-Land gehen über Bord und werden von dem Ungeheuer gerettet. Es ist ein U-Boot. Dessen Kapitän Nemo verfügt über unermesslichen Reichtum und hat der Welt nach der Vernichtung seiner Familie durch "irdische Mächte" den Rücken gekehrt. Er lässt ein U-Boot nach seinen Plänen bauen, das auch in große Tiefen tauchen kann, fährt durch die Weltmeere, ernährt sich und seine Crew, die im Dunkel bleibt, von den Nahrungsmitteln des Meeres, und die für die Batterien notwendige Energie erhält er durch Steinkohle, die er unter dem Meeresboden einsammelt.

Die drei Geretteten dürfen das Schiff nicht mehr verlassen, da das Geheimnis des U-Bootes nicht verraten werden darf. So fahren sie mit ihm vom Japanischen Meer, durch die Torres-Straße, wo sie kurz steckenbleiben, in den Indischen Ozean und vom Roten Meer durch einen Wassertunnel im Suez-Gebiet ins Mittelmeer und von dort weiter in den Atlantik. Sie erreichen nach einem Besuch der Ruinen von Atlantis den Südpol (damals war der Kontinent Antarktis nicht bekannt). Beinahe werden sie festgefroren, können sich aber befreien. Nordwärts stoßen sie nach Kampf mit einem Riesenkalmar auf ein Kriegsschiff einer unbekannten Nation, das Nemo angreift und zerstört. Die daran anschließende emotionale Verwirrung des Kapitän nutzen die Drei, um zu fliehen. Auf den Lofoten werden sie nach zehn Monaten auf der Nautilus und einer Fahrtstrecke von etwa 20.000 Meilen von einer Fischerfamilie aufgenommen. Über das weitere Schicksal der Nautilus und ihrer Besatzung erfahren wir nichts. Aronnax hofft, dass Nemos rächender Charakter ende und sein wissenschaftlicher siege.

Der Roman ist nicht "action packed" im Sinne eines modernen Thrillers. Großen Raum nehmen Naturbeschreibungen ein, selbst die Klassen der Knochen- und Knorpelfische werden wie in einem Lehrbuch gelistet. Conseil ist nicht nur Diener, sondern auch wissenschaftlicher Assistent. Während der ganzen Fahrt klassifiziert er neu entdeckte Tiere und Pflanzen. Auch Aronnax schreibt ein wissenschaftliches Tagebuch und schwankt zwischen Freiheitswillen wie wissenschaftlicher Faszination dieser Fahrt. Sehr kritisch wird die Interaktion Mensch-Natur gesehen, welche durch die Ausrottung von Lebewesen das ökologische Gleichgewicht störe.

Nemo über die Jagd auf Robben nördlich von Schottland:
Der Kapitän theilte mir mit, diese Striche seien ehemals von zahlreichen Robben bewohnt gewesen, aber die englischen und amerikanischen Wallfischjäger hätten in Zerstörungswuth durch Vernichtung der Erwachsenen sammt den trächtigen Weibchen Todesstille an der Stelle regen Lebens verbreitet.
Aronnax über die Gefahr der Ausrottung der Manati (einer Sehkuhart) im Atlantik:
Und wissen Sie, fügte ich bei, was erfolgt ist, seit die Menschen diese nützlichen Racen fast ganz vernichtet haben? Die verfaulten Gewächse haben die Luft verpestet und das gelbe Fieber erzeugt, wodurch diese herrlichen Gegenden verödet werden. Die Giftpflanzen sind unter diesen Meeren der heißen Zone zahlreicher geworden, und das Uebel hat sich von der Mündung des Rio de la Plata bis nach Florida unwiderstehlich entwickelt!
Und darf man Touffenel glauben, so ist diese Plage noch unbedeutend gegen die, welche unsere Nachkommen treffen wird, wann die Wallfische und Robben in diesen Meeren vertilgt worden sind. Dann werden sie, voll Polypen, Quallen, Kalmar, ungeheure Heerde der Verpestung, weil es nicht mehr die weiten Magen giebt, welche von Gott beauftragt sind, die Oberfläche des Meeres abzuschäumen.
Nemo über die Gefahr der Ausrottung der Wale:
Hier aber wäre es tödten, nur um zu tödten. Ich weiß zwar, daß dies ein Vorrecht des Menschen ist, aber ich lasse so mörderischen Zeitvertreib nicht gelten. Wenn Ihr den südlichen Wallfisch ebenso wie den nördlichen vernichtet, unschädliche und nützliche Geschöpfe, so ist das zu tadeln. So hat man bereits die ganze Baffinsbai verödet, und so wird man eine Classe nützlicher Thiere ausrotten.
Mit diesen Worten hält Nemo Ned-Land davon ab, einen Wal zu erlegen, um ihn als Nahrungsmittel an Bord zu holen. Eigenartig ist jedoch, dass Nemo Pottwale zu schädlichen und unnützen Tieren zählt und die Crew der Nautilus tötet Hunderte Pottwale eines Schwarms, sodass sogar Ned-Land entsetzt ist.
Das Meer war mit verstümmelten Leichnamen bedeckt. Eine fürchterliche Explosion hätte nicht ärger zerrissen, zerschnitten, zersetzt, wie hier mit diesen Massen geschehen war. Wir schwammen mitten durch die Riesenkörper mit bläulichem Rücken und weißlichem Bauch. Einige Pottfische flohen voll Entsetzen nach dem Horizont. Einige Meilen weit waren die Wogen roth gefärbt, und der Nautilus schwamm durch ein Blutmeer.
Der Kapitän Nemo kam zu uns.
- Nun, Meister Land? sagte er.
- Ei nun, mein Herr, erwiderte der Canadier, dessen Enthusiasmus sich gelegt hatte, es ist ein erschrecklicher Anblick, wirklich. Aber ich bin kein Metzger, sondern ein Jäger, und das ist eine Metzelei.
Interessant ist auch der soziale Aspekt. Kapitän Nemo ist nicht im Sinne der späteren James Bond-Bösewichte gestaltet. Er zeigt für Arme (zu den Perlenfischern von Ceylon, deren Schätze seit 1802 von Großbritannien lukriert werden, hat er Kontakt) bzw. vom Kolonialismus unterdrückte Völker nicht nur Sympathie, sondern unterstützt sie auch finanziell mit seinem Reichtum an Schätzen. So zum Beispiel die Freiheitskämpfer von Kreta gegen das Osmanische Reich. In der Bucht von Vigo hebt er aus einem untergegangenen Schiff einen Goldschatz, den er für Freiheitskämpfe zur Verfügung stellen will.

Über die schwere Tätigkeit der kolonialen Perlenfischer lässt Verne Kapitän Nemo sagen:
wenn die armen Kerle wieder an Bord kommen, strömt ihnen Wasser mit Blut vermischt aus Nase und Ohren. Ich glaube, daß die Durchschnittszeit, welche diese Fischer es aushalten können, nur dreißig Secunden beträgt, während dessen sie in aller Eile mit einem kleinen Netz alle Perlmuscheln, deren sie habhaft werden können, zusammenraffen; aber im Allgemeinen werden diese Fischer nicht alt; sie bekommen schwache Sehkraft, es bilden sich Geschwüre an ihren Augen und zeigen sich Wunden über dem ganzen Körper; und oft auch werden sie auf dem Meeresgrunde vom Schlage getroffen.
Und weiter (Dialog Nemo - Aronnax):
- Zu Panama verdienen sie nur einen Dollar die Woche. Meistens bekommen sie nur einen Sou für die Muschel mit einer Perle, und wie viele bringen sie herauf, welche keine enthalten.
- Ein Sou den armen Leuten, welche ihre Herren bereichern! Das ist abscheulich!
Auf der anderen Seite nimmt sich Nemo das Recht heraus, die drei Geretteten lebenslänglich auf dem U-Boot festzuhalten und über die Versenkung des Kriegsschiffes äußert er:
Ich bin im Recht, ich übe Gerechtigkeit! sprach er zu mir. Ich bin unterdrückt, und hier ist der Unterdrücker! Durch ihn hab' ich Alles verloren, was ich geliebt und verehrt habe; Vaterland, Weib, Kinder, Vater, Mutter, das Alles sah ich zu Grunde gehen! Dort ist Alles, was ich hasse!