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Dieser Roman, Virza nennt es ein Poem in Prosa, aus dem Jahr 1933 zählt zu den zentralen Werken der lettischen Literaturgeschichte. In ihm wird der Jahreszyklus auf einem Gehöft mit etwa 20 bis 25 Menschen (Eigentümer und Knechte wie Mägde samt deren Familien) in der südlich von Riga gelegenen Provinz Zemgalen Mitte des 19. Jahrhunderts beschrieben. Für Virza, der in dieser Region aufgewachsen ist, bedeutet das ländliche Lettland den Kern einer nationalen Identität. Die meist deutschen Gutsherrn sind entmachtet, die Leibeigenschaft ist abgeschafft (1817), und obwohl Teil des Russischen Reichs, wird dieser Konnex nie formuliert. Lettland 1933 war bereits seit 15 Jahren ein unabhängiger Staat.

Klar abgegrenzt wird das ländliche Lettland von den Städten; sowohl sozial als auch ethnisch. Städte kommen nur vor, wenn dort auf den Märkten gehandelt wird, wobei Juden und Zigeuner (ist so übersetzt) immer wieder beschrieben werden, obwohl trotz der verwendeten Klischees keine Gehässigkeiten erkennbar sind (Übersetzung oder Original?).

Eingeteilt ist das Werk in vier Kapitel, die - beginnend mit dem Frühling - nach den vier Jahreszeiten benannt sind. Den Rahmen bildet das jährliche Frühjahrshochwasser der Lielupe, das, obwohl regelmäßig die Wohngebäude überschwemmt werden, für die Fruchtbarkeit des Bodens von großer Bedeutung ist. Wie alles andere sehr detailliert Beschriebene (die harte Arbeit wie auch der Tod) hat auch das Hochwasser seinen Sinn. Mensch und Natur befinden sich in einer Symbiose. Virza:
Wie überall in der Natur beruhte auch im Stall das Leben auf dem wechselseitigen Kampf, und nur durch ihre im Verlauf endloser Zeiten erworbene Geschicklichkeit vermochten sich all diese Geschöpfe zu erhalten
Und wenn im Winter die Brunnen versiegen, wird das benötigte Wasser aus dem Fluss zum Gehöft geholt.

Beinahe logischerweise wird aufgrund dieser Symbiose zwischen Mensch und Natur Letztere auch personifiziert; seien es Pflanzen (Bäume als Träger alter Geschichten), Tiere, Geräte wie Kochtöpfe oder die Gebäude. Selbst die Pirts (die lettische Sauna) ist nicht nur ein Ort der körperlichen Entspannung, sondern auch ein transzendenter Ort der Seelenreinigung.

Beinahe endlos sind die detailreichen Beschreibungen des schweren Alltags an einem Gehöft beschrieben, das noch nicht industrialisiert ist und auf dem - abgesehen von einer mit Windkraft betriebenen Mühle - sämtliche Energie aus der Arbeitskraft von Mensch und Tier gewonnen wird. Dennoch sind die Menschen nicht gebeugt, sondern verrichten ihre Arbeit im Bewusstsein ihrer Notwendigkeit gelassen, wenn nicht sogar frohgemut. Und wenn gefeiert wird, dann opulent und ausgelassen, beim Trinken wie bei sexuellen Anbahnungen.

Da das Gehöft, der Arbeitsablauf und die Einbettung der menschlichen Tätigkeit und des Menschen selbst in die Natur im Zentrum stehen, bleiben die Menschen Typen. Niemand wird mit einem Namen genannt. Ihre Individualität ist nach ihrer Rolle im festgefügten Rahmen der Natur wie der Gesellschaft nicht von Relevanz. Wobei nicht idyllisiert wird, die Menschen weisen auch negative Charaktereigenschaften wie Arroganz, Engstirnigkeit, Aggressivität auf, aber diese sind keine individuellen Schwächen, sondern sind Teil einer Grundeigenschaft der Menschen. Auch sie haben ihren Sinn im Gesamtbild. Selbst wenn sich rivalisierende Gruppen im Gasthof wörtlich die Schädel einschlagen, gehen sie mit einem Lachen auseinander.

Idealisiert jedoch wird das Gehöft Straumeni bzw. das ländliche Zemgalen dahingehend, dass es trotz der Härten kein Leid gibt. Lebensmittel gibt es im Überfluss, es gibt keine Missernten und keinen Hunger. Selbst der Tod ist friedlich ohne vorangegangenes Leiden. Kriege und Seuchen sind ausschließlich Teil der Außenwelt.

Wie der Mensch eine Symbiose mit der Natur bildet, so auch die Verbindung zum Übernatürlichen, wobei Christentum, alter lettischer Volksglaube sowie ein Glaube an eine Geisterwelt sich zu einem einheitlichen Glaubensbild vereinen. Alte lettische Götter und Göttinnen wie Mara, die "Hüterin der Tiere, Fische und Vögel" wie Geister sind nicht nur in den Köpfen der Menschen vorhanden, sie sind anwesend und durchstreifen das Land, indem sie Gutes oder auch manchmal Schlimmes (der Donnergott Perkons) tun.

In seinem Nachwort schreibt der Übersetzer Berthold Forssman über die Schwierigkeiten, das Werk ins Deutsche zu übersetzen, da Virza auch schon für das Jahr 1933 kaum mehr bekannte Begriffe aus der Landwirtschaft verwendet hat, um Geräte und Arbeitsvorgänge zu bezeichnen. Forssman hat ebenso gehandelt und bei so manchen Begriffen ist wohl eine Internetrecherche notwendig, wenn man bestimmte Arbeitsvorgänge sich bildlich vor Augen führen möchte.

Insgesamt ist es eine sehr ansprechende, wenn auch nicht immer leicht zugängliche Lektüre, aber dass dieses zentrale Werk der lettischen Literaturgeschichte nun auch ins Deutsche übertragen ist, kann in seiner Bedeutung nicht überschätzt werden.

Weitere Einblicke gibt die Schriftstellerin Marion Hinz in ihrer Rezension auf KulturPort.de.