Ismael

Dieses 2006 (in Übersetzung 2008) erschienene australische Kinderbuch ist ein inernationaler Bestseller, mit Preisen überhäuft und von der Kritik auch in SZ und ZEIT in höchsten Tönen gelobt, sogar ein eigener deutschsprachiger Wikipediaeintrag ist vorhanden.

Mich hat das Buch nicht vom Sessel gerissen. Die Charaktere sind flach und übertrieben, die Handlung scheint zum Teil sehr stark auf eine actionreiche Verfilmung zu schielen, die Figurensprache ist nicht altersgemäß und durchsetzt mit Schenkelklopfern.

Die Handelnden sind etwa 14 Jahre alt, sprechen und verhalten sich jedoch wie 12-Jährige oder überhaupt gleich wie Retardierte. Bis auf eine Ausnahme: Eine Art Wunderkind, das eine Mischung aus Wissenschaftssprache und faschistoider Propagandasprache verwendet.

Die Handlung spielt im neunten Schuljahr einer reinen Jungenklasse einer australischen Schule. Die Schule setzt sehr auf Gruppenidentität und Zusammenhalt, und diejenigen innerhalb der Gruppe sollen zusammenhalten und solidarisch sein. Alles, was von außen kommt, sind Gegner, die niederzuringen sind. Sei es beim Rugby-Spiel oder beim Team-Redewettbewerb.

Auch Themen beim Redewettbewerb erscheinen sehr eigentümlich.
  • Dass unsere Führer sich heutzutage mehr auf ihr Image als auf ihre Taten verlassen.
  • Das Privatleben von Personen des öffentlichen Lebens sollte privat bleiben.
Handlungsort ist mehr oder weniger die Schule, das äußere Umfeld wird kaum einbezogen, außer dass es sich um Mittelstandsfamilien handeln muss, die ihre Kinder an diese Schule schicken. Die Klasse ist seit einem Jahr beisammen und es gibt die "klassischen" Typen von Schülern, darunter einen retardierten Aggressivling mit seinen ebenso retardierten Kumpanen, der den Ich-Erzähler Ismael wegen seines Namens quält. Die Schule tut nichts gegen diese Aggressivlinge, die wüste Streiche spielen und auf Schulgelände Grundschulkinder belästigen, obwohl andauernd Zusammenhalt und Toleranz gepredigt wird.

Als ein neuer, hochintelligenter Schüler mit nach einer Gehirntumorsoperation eigentümlichen Verhalten ebenso attackiert wird, setzt er sich wortgewaltig zur Wehr. Beliebtheit erlangt der Neue an der Schule, als er mit einem Aufpeitschgedicht die Rugbymannschaft zu einem Sieg verhilft. Er ist es auch, der das ziemlich erfolgreiche Team für den Redewettbewerb zusammenstellt. Erfolgreich trotz katstrophaler Auftritte einzelner Teammitglieder.

Ismael sieht sich als Versager und trägt letztlich beim Redewettbewerb wenig zu den Siegen bei (bei seinem Vortrag fällt er in Ohnmacht), aber am Teamerfolg kann er sich aufrichten. Eigentümlich ist, dass seine Eltern sich nach seiner Ohnmacht nur über den Redewettbewerb unterhalten, dass ihr Sohn bewusstlos war, scheint sie nicht zu interessieren. Ebenso eigentümlich ist, dass Ismael Angst hat, dass er ein Mädchen des gegnerischen Teams sexuell belästigt haben könnte, weil im Fallen eine Hand ihre Brüste berührt hat. Das ist ihm peinlich, aber am Schluss bekommt er, da er ihrem Grundschul-Bruder einmal helfen wollte, als er von den Retardierten attackiert wurde, eine Einladung zu einer Ferienparty. Was Ismael ausrasten lässt, da er total verknallt ist. Cliffhanger, und es erschienen dann wirklich noch zwei weitere Bände.

Das Mobbingproblem mit dem Aggressivling ist nicht gelöst. Die betroffenen Schüler bleiben mit diesem alleine und Ismael vertröstet sich, dass er sich im nächsten Schuljahr entgegenstellen wird.

Skurril ist auch die Geschichte, wie Ismael seinen Namen erhalten hat. Seine Geburt war überfällig, seine Mutter liegt im Krankenhaus und fühlt sich "wie ein Wal". Sein Vater verkleidet sich als Kapitän Ahab, verwüstet im Fallen das Krankenzimmer und seine Frau bekommt bei einem Lachanfall die Wehen. Da sie beim Studium gemeinsam über Moby Dick gearbeitet haben, geben sie dem Sohn den Namen Ismael, der vierzehn Jahre später zur Lachnummer eines Retardierten wird. Diese Szene kann nur mit Blick auf Verfilmung geschrieben worden sein, denn so wie erzählt wird, ist der Vater eher ein Fall für eine Betreuung.

Fazit: Vielleicht gut gemeint, erfolgreich definitiv, aber über 14-Jährige zu lesen, die wie 12-Jährige denken, handeln und sprechen, passt einfach nicht. Auch weiß ich nicht, für wen die Bücher gekauft werden? Für 12-Jährige passt es, nur was können sie mit Anspielungen auf Hannibal Lecter anfangen? Für 14-Jährige ist es am Leben vorbei, denn die Akteure handeln eben nicht altersgemäß. Vielleicht hätte die Handlung in eine Irrenanstalt verlegt werden sollen.