Lavant-Krueglein

Die 1915 im Kärntner Lavanttal eigentlich mit dem Namen Habernig geborene Schriftstellerin legte 1949 eine Erzählung vor, in der jugendliche Geschwister (vier Schwestern, ein Bruder) einer Armenfamilie namens Gabler (der Vater jagt Iltisse und Wiesel zum Fellverkauf, die seit ihrer Kindheit wegen eines Unfalls verunstaltete, als Engel beschriebene Mutter ist Patschenmacherin, sie produziert Pantoffel und Strickereien) im Zentrum stehen. Die Familie ist in dem Tal (wohl das Lavanttal in der Zwischenkriegszeit) sozial ganz unten angesiedelt und haust unter erbärmlichen Verhältnissen bei Verwandten zu Miete.

Die Erzählung steigt ein, als zu den fünf Geschwistern ein spätgeborenes Mädchen, das Krüglein, geboren wird, das an der "Armenkrankheit" (vermutlich Rachitis) leidet. Mit einer Erzählfigur begleiten wird die Jugendlichen bei ihren Streichen, Streitereien, Ängsten und Hoffnungen. Ausgangspunkt ist eine Kette an Streichen, die durchaus wild und zum Teil auch lebensbedrohend sind, die den Bruder Armin, genannt "der Cherusker", auf Initiative der Mädchen aus dem Haus zu einer alten Tante fliehen lässt. Es wird befürchtet, dass er sich zu einem Kriminellen entwickeln wird, obwohl er bei der Tante auf das Vieh aufpasst.

Die Mädchen, die zum Teil in der Ziegelfabrik oder als Hirtinnen arbeiten, lernen wir mit ihren Träumen kennen: Heirat mit einem Beamten, verheiratet mit einem Haus und einem Auto, Schulabschluss und Bürokraft oder Straßenbahnschaffnerin. Nur eines wollen sie alle nicht, als Magd bei einem Bauern im Tal zu dienen. Sie möchten selbständig sein. Dazu kommt eine Mischung aus tiefer katholischer, kindlicher Gläubigkeit und Aberglauben. Immer wieder hoffen sie auf ein Wunder, welches das Krüglein heilen kann, aber sie sind auch von der Angst getrieben, dass sündhaftes Handeln eine Heilung verhindern könnte.

Geld spielt für die armen Mädchen eine zentrale Rolle. Als eines Tages ein Fremder aus Mitleid mit den Kindern Geldscheine als Almosen für sie auf der Straße platziert, sind sie überzeugt, dass der Heilige Josef für sie ein Wunder vollbracht habe. Andererseits ist einer der Höhepunkte der Erzählung, als die Gabler-Kinder mit Freundinnen zum Jahrmarkt gehen, um Spaß zu haben, und all ihr Geld (bis auf zwei) in eine schöne Handtasche geben, die sie wechselweise tragen. In ihrer Exaltiertheit passen sie nicht auf und die Handtasche kommt abhanden. Sie vermuten einen Diebstahl, verdächtigen Armin und später eines der Mädchen selbst. Die Handtasche wird nicht mehr gefunden. Wie die Mädchen darauf reagieren und welche Dynamiken entstehen, dass sie von den beiden, die ihr Geld nicht in die Handtasche gegeben haben, nicht abhängig werden, ist sehr berührend geschrieben.

Die Erzählung endet versöhnlich. Die Mädchen nehmen die Schuld auf sich, dass Armin aus der Familie vertrieben wurde, und sie holen ihn wieder zurück. Und als er zurückkommt, wird das kleine Kind gesund.

Es ist eine wundersame Geschichte einerseits von einem verlorenen Sohn, andererseits von jungen Mädchen, die von einer Welt jenseits der Armut, des Dienens, der schweren Arbeit träumen. Der Text ist keine leichte Lektüre, da er keine Story, keinen Narrativ anbietet, sondern eine sprunghafte Darstellung junger Menschen in ganz armen Verhältnissen. Wie das Leben auch ist. Wir vernehmen ihre derbe Sprache, aber auch eine witzig-distanzierte Erzählerstimme. Große Literatur.