Strunk-Handschuh

Der Hamburger Schriftsteller Heinz Strunk stellt in seinem 2016 erschienenen Roman den Hamburger Serienmörder Fritz Honka (vier Frauenmorde von 1970 bis 1974) in den Mittelpunkt, dessen Leben und Morden aus seiner Perspektive versucht wird zu rekonstruieren. Wir lernen:

- Honka floh aus der DDR
- Im Westen arbeitete er bei einem Bauern, der ihn schlug und folterte
- Honka floh nach Hamburg, war Werftarbeiter und soff in der Freizeit im Lokal Der goldene Handschuh
- Jobverbesserung als Nachtwächter im Shell-Gebäude.
- Er schleppte ältere Frauen ab, von denen er vier im Suff ermordete, weil ihn was an ihnen störte

Was will Strunk mit diesem Tatsachenroman (dieser Dokufiktion)? Die Ursachen, das Warum herausfinden? Schauen wir mal:

- Als Kind und Jugendlicher Gewalt ausgesetzt. Check.
- Physisch benachteiligt und Minderwertigkeitsgefühle? Sprachfehler, schielt. Check.
- Sozial deklassiert? Hat trotz Suff regelmäßig Arbeit. Nope.
- Alkoholiker? Massiv. Check.
- Toxische Männlichkeit? Enormer Sexualdrang. Check.
- Psychopath? Setzt seine augenblicklichen Wünsche um, ohne zu reflektieren. Check.

Kontrastiert wird Honka mit zwei Männern aus einer wohlhabenden Reederfamilie.

Karl von Lützow (etwa 50) setzt seine sadistischen Anwandlungen auch gegen den Willen seiner Sexualpartnerinnen um. Bremst sich grade noch ein, bevor es lebensbedrohlich wird.

- Als Kind und Jugendlicher Gewalt ausgesetzt. Unbekannt.
- Physisch benachteiligt und Minderwertigkeitsgefühle? Nope.
- Sozial deklassiert? Ist reich mit Villa und Privatgärtner. Nope.
- Alkoholiker? Massiv. Check.
- Toxische Männlichkeit? Enormer Sexualdrang. Check.
- Psychopath? Setzt seine augenblicklichen Wünsche um, ohne zu reflektieren. Check.

Wilhelm Heinrich von Dohren (17, Gymnasiast).

- Als Kind und Jugendlicher Gewalt ausgesetzt. Nope.
- Physisch benachteiligt und Minderwertigkeitsgefühle? Noonan-Syndrom, von Akne gequält. Check.
- Sozial deklassiert?. Wächst in reicher Familie auf. Nope.
- Alkoholiker? Nope.
- Toxische Männlichkeit? Enormer Sexualdrang. Onaniert mehrfach am Tag. Check.
- Psychopath? Kann seinen Sexualdrang gegenüber Petra am Ende bezähmen. Nope.

Was ist diesen drei Männern gemeinsam? Ein unbändiger Sexualdrang. Was ist den beiden gemeinsam, die ihre Sexualfantasien ungehemmt ausleben? Massiver Alkoholkonsum. Womit die Grunddisposition biologisch ist (bei allen dreien), das psychopathische und gewaltsame Ausleben der Sexualfantasien auf Alkohol zurückzuführen ist. Gewalterfahrung als Kind oder Jugendlicher bzw. soziale Deklassierung scheidet als Ursache aus. Auch körperliche Behinderung. Eigentlich sehr einfach gestrickt.

Was bleibt vom Roman? Eine elendslange, voyeuristische Freakshow der Deklassierten im Lokal Der goldene Handschuh (das gibt es wirklich), die alle irgendwelche körperliche Beeinträchtigungen haben, seelische sowieso, und eine ebenso lange Schilderung der Innen- und Außenwelt Honkas. Nicht weniger voyeuristisch.

Interessanterweise verreißt die Kritik Fatih Akins Verfilmung aus ebendiesen Gründen, es sei eine Freakshow, während Strunks nicht weniger voyeuristische Freak-Roman in höchsten Tönen gelobt wurde und wird. Warum? Es ist ein Pageturner, Strunk kann schreiben. Aber mehr hole ich aus dem Roman nicht raus und bin eigentlich froh, dass er wieder aus ist. Albträume habe ich auch keine bekommen. Empathie oder gar Schrecken kommt nicht auf, auch wenn geschildert wird, wenn die ermordeten Frauen zerschnitten und zersäbelt werden bzw. die Leichenteile in eine Abstellkammer gestopft werden.