Keike, ihr Froschkönig und Anders, der nix kapiert
05.04.2021 um 15:24Corona-Zeit. Zeit der Einsamkeit? Ich könnte mal wieder Horst besuchen. Horst ist über 90 und ein Schlitzohr. "Wenn Du dem die Hand gibst, musst Du hinterher Deine Finger nachzählen", behauptet meine Frau.
Horst ist 1945 als Jugendlicher aus Ostpreussen gekommen und hat sich inzwischen in Südtondern gut integriert. Er hatte in einen Bauernhof eingeheiratet. Als seine Frau starb, gab er die Landwirtschaft auf und verkaufte seinen Resthof an "Doofe Münchner mit viel Geld" (O-Ton Horst). Nicht umsonst hat Horst seine beiden Söhne studieren lassen. Der eine ist Anwalt mit eigener Kanzlei, der andere hat in Hochfinanz gemacht. Horsts Deal war der: Die Münchner kaufen seinen Hof, bauen auf ihre Kosten eine Einliegerwohnung als Altenteil für ihn aus und garantieren ihm lebenslanges Wohnrecht. Sollten sie allerdings vor ihm versterben, fiele der Hof im Rahmen eines Vorkaufsrechts zum Kaufpreis bei Vertragsabschluss wieder an ihn. Weil er den Kaufpreis gut angelegt hat, hat er jetzt Geld wie Heu. Und viel Zeit.
Nun kommt täglich der Pflegedienst zu dem in der Marsch gelegenen Hof. Nicht zu Horst, Gott bewahre. Die derzeitige Hofbesitzerin ist demenzkrank, ihr Mann nach zwei Schlaganfällen halbseitig gelähmt. Im Sommer siechen sie auf der Terrasse vor sich hin, während Horst mit dem Rasentrecker seine Runden dreht wie ein Geier und wartet.
Da Horst, bzw. sein (oder sein künftiges) Anwesen fast auf dem Weg liegt, statte ich ihm einen Besuch in seinem feudal ausgestatteten Altenteil ab. Er packt, wie immer, zwei Gläser auf den Tisch und holt die Kömbuddel raus. Wie immer lehne ich ab: "Horst, Du weisst doch genau, dass ich keinen Alkohol trinke" "Na gut, dann trink' ich eben ein' für Dich mit!" spricht er und haut sich die Schnäpse in den Hals. Das ist unser Standard-Ritual.
Dann halten wir einen kleinen Klönschnack. Hier wird es mit der schriftlichen Wiedergabe problematisch, da Horst Plattdeutsch spricht, was in diesem Fall Grundlage dafür ist, dass Anders nix kapiert, obwohl auch er platt spricht. Ich versuche es mal auf Hochdeutsch, bis auf das entscheidende Missverständnis.
Wir reden über Corona, was sonst. Horst hat keine Angst: "Ich bin '45 dem Volkssturm entkommen, dem Iwan, der mich mit Panzern und Tieffliegern gejagt hat, bin aus der eiskalten Ostsee gezogen worden und habe Typhus im Lager überlebt. Da macht mir Corona keine Angst."
Dann sprechen wir über die Familie.
"Meine Enkelin, die Keike, will nun im Mai heiraten. Hoffentlich geht das dann wieder."
"Oh, hat sie einen gefunden?"
"Jo, den Justin. Is 'n bannig netten Kerl. De will Lehrer warn. Und denn is he 'n Pogg."
(Achtung: Pogg ist auf Platt ein Frosch oder eine Kröte)
"Pogg? Sie heiratet den Froschkönig?"
"Nee, Dösbaddel. P - O - C! Person of Color. De is swatt, Mann!"
"Hättste ja gleich sagen können."
"Sacht man doch nicht mehr. Das heisst jetzt POC. Muss Du doch wissen als Intellektueller."
Anders schlägt sich an die Stirn und Horst giesst noch zwei ein. Ein' für sich und ein' für sich. Denn Anders ist auch ohne Alkohol begriffsstutzig.
Horst ist 1945 als Jugendlicher aus Ostpreussen gekommen und hat sich inzwischen in Südtondern gut integriert. Er hatte in einen Bauernhof eingeheiratet. Als seine Frau starb, gab er die Landwirtschaft auf und verkaufte seinen Resthof an "Doofe Münchner mit viel Geld" (O-Ton Horst). Nicht umsonst hat Horst seine beiden Söhne studieren lassen. Der eine ist Anwalt mit eigener Kanzlei, der andere hat in Hochfinanz gemacht. Horsts Deal war der: Die Münchner kaufen seinen Hof, bauen auf ihre Kosten eine Einliegerwohnung als Altenteil für ihn aus und garantieren ihm lebenslanges Wohnrecht. Sollten sie allerdings vor ihm versterben, fiele der Hof im Rahmen eines Vorkaufsrechts zum Kaufpreis bei Vertragsabschluss wieder an ihn. Weil er den Kaufpreis gut angelegt hat, hat er jetzt Geld wie Heu. Und viel Zeit.
Nun kommt täglich der Pflegedienst zu dem in der Marsch gelegenen Hof. Nicht zu Horst, Gott bewahre. Die derzeitige Hofbesitzerin ist demenzkrank, ihr Mann nach zwei Schlaganfällen halbseitig gelähmt. Im Sommer siechen sie auf der Terrasse vor sich hin, während Horst mit dem Rasentrecker seine Runden dreht wie ein Geier und wartet.
Da Horst, bzw. sein (oder sein künftiges) Anwesen fast auf dem Weg liegt, statte ich ihm einen Besuch in seinem feudal ausgestatteten Altenteil ab. Er packt, wie immer, zwei Gläser auf den Tisch und holt die Kömbuddel raus. Wie immer lehne ich ab: "Horst, Du weisst doch genau, dass ich keinen Alkohol trinke" "Na gut, dann trink' ich eben ein' für Dich mit!" spricht er und haut sich die Schnäpse in den Hals. Das ist unser Standard-Ritual.
Dann halten wir einen kleinen Klönschnack. Hier wird es mit der schriftlichen Wiedergabe problematisch, da Horst Plattdeutsch spricht, was in diesem Fall Grundlage dafür ist, dass Anders nix kapiert, obwohl auch er platt spricht. Ich versuche es mal auf Hochdeutsch, bis auf das entscheidende Missverständnis.
Wir reden über Corona, was sonst. Horst hat keine Angst: "Ich bin '45 dem Volkssturm entkommen, dem Iwan, der mich mit Panzern und Tieffliegern gejagt hat, bin aus der eiskalten Ostsee gezogen worden und habe Typhus im Lager überlebt. Da macht mir Corona keine Angst."
Dann sprechen wir über die Familie.
"Meine Enkelin, die Keike, will nun im Mai heiraten. Hoffentlich geht das dann wieder."
"Oh, hat sie einen gefunden?"
"Jo, den Justin. Is 'n bannig netten Kerl. De will Lehrer warn. Und denn is he 'n Pogg."
(Achtung: Pogg ist auf Platt ein Frosch oder eine Kröte)
"Pogg? Sie heiratet den Froschkönig?"
"Nee, Dösbaddel. P - O - C! Person of Color. De is swatt, Mann!"
"Hättste ja gleich sagen können."
"Sacht man doch nicht mehr. Das heisst jetzt POC. Muss Du doch wissen als Intellektueller."
Anders schlägt sich an die Stirn und Horst giesst noch zwei ein. Ein' für sich und ein' für sich. Denn Anders ist auch ohne Alkohol begriffsstutzig.
