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Paul Celan - Todesfuge

2 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Lyrik, Paul Celan, Theodor Adorno ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
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Paul Celan - Todesfuge

23.11.2020 um 18:52
Paul Celan 1938
Paul Celan (Passfoto 1938). Bildquelle: Oliver Wieters / Marbacher Literaturarchiv / wikimedia

Paul Celan wäre heute 100 Jahre alt geworden. Der in Czernowitz Geborene, die Nazi-Besetzung im Arbeitslager und im Ghetto Überlebende, seine Eltern im Lager verloren Habende (Vater an Krankheit verstorben, Mutter erschossen) und nach dem Krieg unter sowjetischer Besatzung Studierende floh 1947 nach Wien und siedelte sich 1948 in Paris an.

Seine Gedichte regten Adorno zu einem berühmten Ausspruch an, dass es barbarisch sei, nach Auschwitz Gedichte zu schreiben:
Je totaler die Gesellschaft, um so verdinglichter auch der Geist und um so paradoxer sein Beginnen, der Verdinglichung aus eigenem sich zu entwinden. Noch das äußerste Bewußtsein vom Verhängnis droht zum Geschwätz zu entarten. Kulturkritik findet sich der letzten Stufe der Dialektik von Kultur und Barberei gegenüber: nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch, und das frißt auch die Erkenntnis an, die ausspricht, warum es möglich ward, heute Gedichte zu schreiben. Der absoluten Verdinglichung, die den Fortschritt des Geistes als eines ihrer Elemente voraussetzte und die ihn heute gänzlich aufzusaugen sich anschickt, ist der kritische Geist nicht gewachsen, solange er bei sich bleibt in selbstgenügsamer Kontemplation.
Quelle: Theodor W. Adorno: Prismen. Kulturkritik und Gesellschaft. München 1963. Seite 26.

Weniger bekannt ist, dass Adorno Jahre danach, auch unter dem Eindruck von Celans Gesamtwerk, diese Aussage zurücknahm:
Das perennierende Leiden hat soviel Recht auf Ausdruck wie der Gemarterte zu brüllen; darum mag falsch gewesen sein, nach Auschwitz ließe sich kein Gedicht mehr schreiben.
Quelle: Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften in zwanzig Bänden. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1970-86. Bd. 6: Negative Dialektik. Jargon der Eigentlichkeit. 1973. S. 355.

Hier nun sein wohl bekanntestes Gedicht.
Todesfuge

Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken
wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland
dein goldenes Haar Margarete

er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne
er pfeift seine Rüden herbei
er pfeift seine Juden hervor läßt schaufeln ein Grab in der Erde
er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland
dein goldenes Haar Margarete
Dein aschenes Haar Sulamith

wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng

Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr andern singet und spielt
er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau
stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr anderen spielt weiter zum Tanz auf

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen

Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland
er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland
wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken
der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft
er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus
Deutschland

dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith



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Paul Celan - Todesfuge

24.11.2020 um 12:41
Ein sehr zum nachdenken verfasstes Gedicht die "Todesfuge".
Welch Drama und Elend, in seinem Leben eben gewesen.


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