Zuckmayer-General

Das 1946 in Zürich uraufgeführte dreiaktige Theaterstück stellt die Frage nach der Rechtmäßigkeit von Sabotage in einem diktatorischen Regime. General Harras, ein verdienter Kampfpilot des Ersten Weltkriegs, ist im Spätherbst 1941 verantwortlicher Leiter einer Flugzeugfabrik. Wegen Mängel bei der Legierung der Flügel stürzen immer wieder Kampfflugzeuge ab, Sabotage wird vermutet. Seitens der Partei wird Harras nach einer zweiwöchigen Gestapo-Haft ein Ultimatum gestellt, die Ursache herauszufinden. Als sich sein technischer Leiter Oderbruch zur Sabotage bekennt, begeht Harras in einer der manipulierten Maschinen Selbstmord, um die Sabotage nicht zu behindern.

Auch wenn das Handlungsgerüst nicht bis ins Letzte logisch durchdacht ist und vor allem Oderbruch wie die Sabotageorganisation blass bleibt, hat das Stück seine Stärken, vor allem im ersten und längsten Akt, als die Bonzen trotz Nahrungsmittelkontingetierung in einem Luxusrestaurant feiern, als ob es kein Morgen gäbe: hohe Militärs, Parteibonzen (im Nebenraum Göring), Wirtschaftsbosse, Schauspielerinnen. Harras selbst wird als Säufer und Weibernarr gezeichnet, wenn auch nicht unsympathisch, und er ist kein Parteimitglied, lehnt rassistisches Denken ab, versucht einen befreundeten jüdischen Arzt zur Flucht zu verhelfen (welche scheitert), nimmt sich auch kein Blatt vor den Mund, auch bei seinem Zweifel an den Endsieg. Aber ein Exil in den USA kam für ihn nie in Frage, da er kein Stuntpilot werden wollte.

Im zweiten Akt (in der Wohnung von Harras) wird die Möglichkeit aufgegriffen, dass die Gestapo selbst die Sabotageakte inszeniert, um Harras zu beseitigen, dieser Faden wird jedoch wieder fallengelassen. Ein junger Offizier namens Hartmann erzählt ihm auch von Erschießungen im Raum Lodz. Dieser junge Offizier wird am Ende des Stückes schließlich Adjudant von Oderbruch, von denen Harras hofft, dass sie die "Wurzel des Übels" angreifen und nicht Flieger in den Tod schicken.

Harras' Wunsch, sich selbst nicht anspucken zu müssen wegen des Wahnsinns, sieht er selbst jedoch nicht erfüllt, seine gescheiterte Rettungsaktion des jüdischen Chirurgen verharmlost er, weil doch jeder "seinen Gewissensjuden" habe, aber trotzdem "das Gemeine zugelassen" habe, den Massenmord an den Juden.

Berühmt ist das Stück wohl vor allem deshalb, weil so knapp nach Kriegsende die Schuldfrage thematisiert worden ist, noch dazu von einem berühmten Schriftsteller und gleichzeitig sehr ambivalent. Das Stück stellt mehr Fragen, als es Antworten gibt. Und die Hauptfigur des General Harras hat Zuckmayer seinem Freund und Fliegerhelden Ernst Udet nachgestaltet, der im November 1941 als Generalluftzeugmeister den Freitod gewählt hat, weil er Unterlagen gefälscht habe. Wie Harras im Stück wurde Udet ein Staatsbegräbnis zuteil.

Eine weitere Stärke des Stücks sind zum Teil sehr gelungene Dialoge, welche einem den Zwiespalt, in denen die Figuren sich befinden, nahegebracht werden, selbst wenn es manchmal aufgesetzt klingt und sich die Frage stellt, ob wirklich so offen gegen das Regime gesprochen worden ist.

Letztlich durchaus auch heute noch ein gewinnbringend zu lesendes Stück.