Narrenschiffer
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Sebastian Brant - Das Narrenschiff
21.07.2020 um 00:121494 ist es veröffentlicht worden, das Hauptwerk dieses unglaublich belesenen Juristen aus Straßburg. In über 100 Kapiteln breitet Brant seine Moral aus, indem er die von ihm als Laster angesehenen Verhaltens- und Denkweisen als Narreteien ausbreitet, deren Träger allesamt auf Narrenschiffe verfrachtet werden sollen. Das Spektrum der Narreteien reicht vom Persönlichen (Geiz, Völlerei, Leichtgläubigkeit, Betrügerei ...) bis hin zum Politischen (Machtmissbrauch, Bereicherung ...). Als Referenzen zitiert er aus antiken (griechischen wie römischen) Werken wie auch aus der Bibel, womit er sich selbst als "Büchernarr" outet (erstes Kapitel und Schlusssatz), was dem ganzen Werk etwas Heiteres gibt, da Brant nicht als verbissener Rechthaber auftritt, sondern auch sich selbst aufs Korn nimmt.
Nicht wusste ich, dass so manche Begriffe aus diesem sehr beliebten Werk bis heute in der deutschen Sprache übernommen sind. Der Grobian zum Beispiel ist ein "grober Johannes", also ein "grober Jan". Dieser Begriff kommt von Brant.
Ins Auge sticht auch, dass Brant nicht ausschließlich die "Narren" als die Schuldigen an ihrer Narretei sieht, sondern durchaus Mechanismen ausarbeitet, die bis zum heutigen Tag - in anderen Worten zwar - diskutiert sind. So zum Beispiel:
Sobald ein Narr regiert,Das 20. Jahrhundert kam mir sofort in den Sinn.
So werden viel mit ihm verführt.
Oder wenn er über das billige Produzieren von Waren schreibt, bin ich schon in einem Warenhaus mit dem Plastikzeugs:
Man sudelt Ware jetzt in Eil,Hochinteressant sind die Abschnitte, in denen er politische oder wirtschaftliche Entwicklungen kommentiert. So wird in kurzen Versen beschrieben, wie im 15. Jahrhundert Christen beginnen, ins Bankgeschäft einzusteigen und das Zinsverbot nicht mehr gilt. Mit der Auswirkung, dass die jüdischen Bankiers aus dem Geschäft geekelt werden:
Daß man sie billig halte feil.
Der Juden Zins war leidlich genug,In der großen Politik steht er für ein starkes Kaiserreich ein, das er von zwei Seiten bedroht sieht. Innenpolitisch durch die Landesfürsten, die sich bei jeder neuen Königswahl mehr Rechte auf Kosten der Zentralgewalt herausnehmen, und außenpolitisch durch die Eroberungen der Osmanen, welche bereits das Byzantinische Reich zerstört haben und nun am Balkan Richtung Zentraleuropa ihre Eroberungsgelüste ausleben. Ein kleingliedriges Europa könne dieser unaufhörlichen Gefahr nicht entgegentreten.
Aber sie können nicht mehr bleiben,
Die Christenjuden sie vertreiben,
Die mit dem Judenspieß selbst rennen.
Europas Pforten offen sind:Dass Brant in diesem Zusammenhang auch wüst gegen den Islam wettert, ist der Zeit und seinem eigenen strengen christlichen Glauben geschuldet, den er trotz seiner beinahe aufklärerischen humanistischen Gesinnung über alles stellt.
Es bringt uns Feinde jeder Wind,
Denen scheint nicht Schlaf und Ruhe gut.
Kunsthistorisch hochinteressant ist, dass etwa zwei Drittel der jedem Kapitel vorangestellten Holzschnitte von Albrecht Dürer stammen.