Brief an ein Neugeborenes (2014)

Brief an ein Neugeborenes (c) 2014
-für Oskar-

Du musst wissen: Dieses Land teilt sich in zwei Fraktionen. Die Ärzte und die Toten Hosen. Mein persönlicher Rat wäre, bleibe bei den Hosen, oder bei keinem von beiden. Die Toten Ärzte sind keine Option.
Überhaupt ist das wichtigste im Leben die Musik. Nicht nur die Musik, die man hören kann. Jede Note, oder Nuance, kann zu einer Melodie werden, wenn du nur den Sinn für Ästhetik und Lebensfreude nicht vernachlässigst.
Schließ dich keiner alternativen Politikrichtung an. Und hör erst recht nicht auf die, die behaupten, deine Meinung würde zählen. Höre lieber auf die, die nach deiner Meinung fragen.
Bleibe immer bunt. Deine Kleidung ist egal, Vielseitigkeit kann dir niemand nehmen – und vor allem kann keine Pfütze, kein Schlamm, keine Hochsommermittagssonne und kein Gewitter deine Farben dämpfen.

Bis zu deiner Jugendlichkeit lerne aus den Fehlern deiner Eltern. Dann mach die selben Fehler noch einmal selbst.
Mit 15 fange an, Punk zu hören. Punk steht für Herz.
Mit 17 genieße die Klassik. Klassik steht für Seele.
Mit 18 tauch in den Rock'n Roll ein. Rock steht für Leidenschaft.
Und während der Arbeit höre Pop. Pop steht für die Fähigkeit, Freuden zu empfinden.
Danach entscheide dich. Oder entscheide dich nicht. Am Ende spielt es keine Rolle.

Unterschätze nie den Wert von Kunst. Kunst und Katzen sind das einzige, dass dich trösten kann, wenn du nicht die richtige Frau, oder nicht den richtigen Mann – man will ja keine vorschnellen Schlüsse ziehen – gefunden hast. Kunst begleitet dich durch alle Lebensphasen, durch alle Abschnitte deines Denkens. Sie allein kann einem Gefühl Ausdruck verleihen.
Lass dir nicht einreden, Geld wäre wichtig. Das Geld ernst zu nehmen reicht völlig aus.
Vergiss nie deine Träume, hör nie auf, an deine Träume zu glauben. Manchmal zeichnet uns das, was wir sein wollen, weit mehr aus, als das, was wir sind. Ohne zu wissen, wer und was man sein will, lohnt sich keine investierte Stunde in die Zukunft. - Selbst die sinnvollen Stunden nicht.

Lass dir nichts über „richtig & falsch“ oder „gut & böse“ erzählen. Betrachte lieber Ursache und Wirkung.
Denk immer daran, dass das Leben ein Kampf ist. Und genieße jede Minute, die du nicht kämpfen musst. Dann wird dir nicht nur der Kampf des Lebens leichter fallen, sondern du wirst sogar noch Spaß daran empfinden.
Vergiss nicht, dass Heute das Morgen von Gestern ist.
Und auch nicht, dass morgen heute schon gestern war.
Manchmal erschien uns gestern das Heute weit mehr als ein angenehmes Morgen, als wir morgen über heute, also gestern, denken werden.
Lass den Kopf nicht hängen, wenn du etwas nicht verstehst. Weisheit kommt mit Erfahrung. Erfahrung kommt mit der Zeit. Und die Zeit heilt alle Wunden.

Denke nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig.
Genieße den Moment und spare nicht an Zeit. Zeit wird immer da sein, man muss sie sich nur nehmen.
Nimm das Erwachsenwerden nicht so schwer. Es wiegt nur viel, wenn du aufhörst, ein Kind zu sein.
Sei auch einmal unvernünftig. Vernunft verspricht Erfolg, Unvernunft verspricht Geschichten, die du noch deinen Enkeln erzählen kannst.

Achte in erster Linie auf dich und in zweiter Linie, auf alles, was sonst noch wichtig ist.
Sprich ruhig mit Bäumen und Haustieren und beschimpfe ruhig das nicht funktionierende Gerät. Ruh dich nur nicht darauf aus.

Und wenn du ein bisschen vom Leben mitnehmen konntest, dann schreibe einen Brief.