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1838 hält Emerson einen Vortrag vor Absolventen der Universität Cambridge in Massachusets, in dem er seinen radikalen Individualismus gegen die unitarische Kirche richtete, die von der Kanzel nur mehr Wundermärchen von einem historischen Jesus predige und die Menschen langweile. Er tritt für einen direkten Kontakt des Einzelnen zu einem lebendigen, menschlichen Jesus ein, das Individuum solle selbst ohne Mittler das Göttliche in sich finden.

Die religiöse Thematik ist letztlich nur ein Aufhänger für seine Ansicht, dass der Mensch überhaupt keine Vorbilder, keine Anführer brauche, sondern nur sich selbst.

Eine der Schlüsselpassagen hier:
Kein Mensch hat den ernsten Ehrgeiz, das Selbst der Nation und der Natur zu sein, sondern jeder möchte gern ein bequemer Nachtreter irgend eines christlichen Systems, irgend einer Sekte oder irgend eines hervorragenden Mannes sein. Laßt nur einmal eure eigene Gotteserkenntnis, euer eigenes Gefühl fahren und empfanget Lehre aus zweiter Hand, sei es vom Apostel Paulus, von George Fox oder Swedenborg – und ihr entfernt euch mit jedem Jahre, daß diese Religion aus zweiter Hand währet, weiter von Gott, und wenn dies, wie jetzt, durch Jahrhunderte andauert, dann gähnt der Abgrund zuletzt so weit, daß die Menschen kaum mehr glauben wollen, daß irgend etwas Göttliches in ihnen ist.

So ermahne ich euch denn vor allem anderen, allein zu gehen, alle guten Vorbilder zu verschmähen, selbst diejenigen, die den Menschen noch so geheiligt erscheinen, und Gott ohne Mittler, ohne Schleier zu verehren.
Die Akademia in Harvard hat sich dermaßen auf den Schlips getreten gefühlt, dass Emerson von seinen Lehrtätigkeiten dort suspendiert wurde.

Der Text auf Deutsch:
https://gutenberg.spiegel.de/buch/essays-erster-teil-7606/4