29f5c0236e64acac Referenzrahmen

Ich habe mal in alten PDFs gekramt und ein zweibändiges Werk des deutschen Bildungsministeriums aus dem Jahr 2008 für den Deutschunterricht für Kinder mit Migrationshintergrund durchgeblättert ... oder besser gesagt: durchgescrollt.

Das Ziel dieses Handbuchs ist, Progressionsstufen beim Deutschlernen zu erarbeiten, und für mich überraschend war, dass der bekannte Europäische Referenzrahmen für Fremdsprachenlernen (mit den Niveaustufen A1 bis C2, früher Grundstufe bis Oberstufe) überhaupt keine Rolle spielt.

Dieser Referenzrahmen (eigentlich ist es ein Handbuch) versucht Ergebnisse der Forschung über kindlichen Erstsprachenerwerb (wird recht interessant im zweiten Band vorgestellt) auf den Zweitsprachenerwerb von Migranten (erster bis dritter Generation) zu übertragen.

Für (klein)kindlichen Spracherwerb durchaus ein interessanter Ansatz, aber für Ältere vermutlich nicht sehr zielführend. Klar, Mehrwortgestammelei ohne Verben ist auch mein Französisch (ich habe diese Sprache nie strukturiert gelernt), da bin ich wie ein Kleinkind, aber ich denke nicht, dass ich bei einem ernsthaften Lernversuch mich wie ein Kleinkind durch die Sprache kämpfen muss. Ich kann auch deduzierend auf Basis von Regeln eine Sprache erlernen (das habe ich mit Ungarisch gemacht und kann es immer noch so, dass mich in Ungarn niemand auf Deutsch anredet).

Und wenn dann noch Sprachlehrern empfohlen wird, für jedes Kind den jeweiligen Sprachstand (phonologisch, morphemisch, syntaktisch, pragmatisch, literal mit Lesen und Schreiben) zu ermitteln und den Unterricht auf diesen Erhebungen differenziert zu entwickeln, fragt man sich doch, ob sie spinnen, wo dann im zweiten Teil Sprachforscher für muttersprachlichen Spracherwerb offen zugeben, dass es eigentlich keine empirisch gesicherten Daten gibt, da von den drei oder von mir aus fünf Kindern, die sie im Stande sind zu beobachten (sie haben auch nur 24 Stunden am Tag), letztlich ja nichts wirklich abzuleiten ist.

Und wenn die Forscher, die darauf spezialisiert sind, schon über den Zeitaufwand stöhnen, wie bitte soll ein Lehrer mit 25 Kindern/Jugendlichen/Erwachsenen pro Lerngruppe die Zeit hernehmen, neben dem Unterricht komplizierte Sprachstandserhebungen durchzuführen?

Am Ministerium führen mittlerweile die Links zu den zwei Bänden ins Leere, die TU Dortmund hat den ersten Band noch am Server:

http://home.edo.tu-dortmund.de/~hoffmann/PDF/bildungsforschung_band_neunundzwanzig.pdf