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Alaine Polcz - Frau an der Front
17.02.2019 um 22:15Original anzeigen (0,2 MB)
Die 1922 geborene, aus Kolozsvár/Klausenburg stammende, auf Thanatologie (Sterbebegleitung) spezialisierte ungarische Psychologin veröffentlichte 1989 ihre Lebenserinnerungen der Jahre 1944/45, fünf Jahre nach ihrem Tod erschien 2012 die deutsche Übersetzung.
Den Rahmen bildet ihre erste Ehe mit János (seine Identität wird nicht preisgegeben, er starb 1951, als sie bereits geschieden waren). Die beiden heirateten im März 1944 in Klausenburg und zogen im Sommer 1944, als die Front sich der Stadt näherten, ins Esterházy-Schloss im ungarischen Csákvár westlich von Budapest, wo seine Mutter als Haushälterin arbeitete.
János wird als gefühlskalt beschrieben, der seine Frau siezte, mehr oder weniger nicht mit ihr sprach und ihr auch noch einen Tripper anhängte. In den Kriegswirren in Csákvár verloren beide einander und als sie von ihm nach dem Krieg wieder Nachricht erhielt, reichte sie die Scheidung ein.
Doch dies ist nicht der Kern dieser Lebenserinnerung, sondern die beinahe höllischen Erfahrungen einer Frau, die in Csákvár drei Monate lang als Zivilistin und zum Teil als Krankenschwester im Frontgebiet zwischen deutschen und ungarischen sowie sowjetischen Truppen lebte.
Bereits auf dem Weg von Klausenburg nach Budapest hätte ihr Leben zu Ende sein können. Ihr Zug überholte in einem Bahnhof einen Judentransport. Polcz erkannte in einem der Viehwagen eine Bekannte aus Klausenburg und warf Lebensmittel rüber. Die Wächter im Bahnhof konnten sie nicht ausfindig machen, die Reisebegleiter in ihrem Zug hielten dicht und verrieten sie nicht.
Die Zeit in Csákvár im Schlossgelände war zunächst friedlich, Polcz arbeitete als Krankenschwester für Kriegsversehrte, als jedoch die Front näher rückte, zogen Esterházys und Gesinde in umliegende Jagdhütten, wo sie schließlich von sowjetischen Truppen aufgegriffen und zunächst ins Schloss und schließlich in den Ort verfrachtet wurden. Zu diesem Zeitpunkt trennten sich die Wege von ihrem Ehemann, der vor den anrückenden Sowjets floh, obwohl er selbst aus der ungarischen Armee desertiert war.
Die Zeit am Schloss und schließlich in einem Keller in Csákvár wurden für die Zivilisten, besonders für die Frauen zur Hölle. Das Gebiet westlich von Budapest war heftigst umkämpft und wechselte mehrmals die Besatzer. Jedesmal, wenn die Sowjets das Gebiet wieder erobert wurde, gaben die Offiziere die eroberte Region drei Tage lang für Plünderungen und Vergewaltigungen frei. Polcz war mehrfach Opfer von Massenvergewaltigungen und ging zweimal mit Offizieren ins Bett, um damit Leben (nicht nur ihr eigenes) retten zu können.
Nach Kriegsende holte sie ihre Mutter aus Budapest und ging mit ihr und ihrem Bruder zurück nach Klausenburg, wobei sie jedoch bereits schwerkrank und aufgedunsen war. In Klausenburg wurde tuberkolöse Brust- und Bauchfellentzündung wie Gonnorhoe diagnostiziert, ihr Bauchraum war mit Wasser voll. Mit Fieber bis zu 41 Grad kam sie ins Sterbezimmer des Krankenhauses, ihr wurden mehrfach literweise Wasser abgepumpt und sie wurde ohne Zustimmung einer Strahlentherapie ausgesetzt - Medikamente zur Behandlung der Krankheit(en) gab es nicht. Einmal wurde sie mit einem Herzstich zurück ins Leben geholt.
Schließlich schaffte sie es zu genesen - ihre letzten Wertsachen wurden für einen Sanatoriumsaufenthalt verkauft. 1947, als Siebenbürgen im Pariser Vertrag Rumänien zugesprochen wurde, zog sie nach Budapest, setzte ihr Psychologiestudium fort und heiratete den Schriftsteller Miklós Mészöly, mit dem sie ihr Leben verbrachte.
Infolinks im Spoiler
Verlagsinfo:
https://www.suhrkamp.de/buecher/frau_an_der_front-alaine_polcz_42306.html
Rezensionen:
https://www.wissenschaft.de/rezensionen/buecher/frau-an-der-front-ein-bericht/
https://diepresse.com/home/kultur/literatur/1324415/Alaine-Polcz_Ein-Tier-das-sich-des-Lebens-freut
https://www.deutschlandfunkkultur.de/im-krieg-wird-man-sich-selbst-zum-monstrum.950.de.html?dram:article_id=207151
http://www.literatur.ungarisches-institut.de/?p=3008
https://www.nzz.ch/das-fernglas-umdrehen-1.16889980
Die 1922 geborene, aus Kolozsvár/Klausenburg stammende, auf Thanatologie (Sterbebegleitung) spezialisierte ungarische Psychologin veröffentlichte 1989 ihre Lebenserinnerungen der Jahre 1944/45, fünf Jahre nach ihrem Tod erschien 2012 die deutsche Übersetzung.
Den Rahmen bildet ihre erste Ehe mit János (seine Identität wird nicht preisgegeben, er starb 1951, als sie bereits geschieden waren). Die beiden heirateten im März 1944 in Klausenburg und zogen im Sommer 1944, als die Front sich der Stadt näherten, ins Esterházy-Schloss im ungarischen Csákvár westlich von Budapest, wo seine Mutter als Haushälterin arbeitete.
János wird als gefühlskalt beschrieben, der seine Frau siezte, mehr oder weniger nicht mit ihr sprach und ihr auch noch einen Tripper anhängte. In den Kriegswirren in Csákvár verloren beide einander und als sie von ihm nach dem Krieg wieder Nachricht erhielt, reichte sie die Scheidung ein.
Doch dies ist nicht der Kern dieser Lebenserinnerung, sondern die beinahe höllischen Erfahrungen einer Frau, die in Csákvár drei Monate lang als Zivilistin und zum Teil als Krankenschwester im Frontgebiet zwischen deutschen und ungarischen sowie sowjetischen Truppen lebte.
Bereits auf dem Weg von Klausenburg nach Budapest hätte ihr Leben zu Ende sein können. Ihr Zug überholte in einem Bahnhof einen Judentransport. Polcz erkannte in einem der Viehwagen eine Bekannte aus Klausenburg und warf Lebensmittel rüber. Die Wächter im Bahnhof konnten sie nicht ausfindig machen, die Reisebegleiter in ihrem Zug hielten dicht und verrieten sie nicht.
Die Zeit in Csákvár im Schlossgelände war zunächst friedlich, Polcz arbeitete als Krankenschwester für Kriegsversehrte, als jedoch die Front näher rückte, zogen Esterházys und Gesinde in umliegende Jagdhütten, wo sie schließlich von sowjetischen Truppen aufgegriffen und zunächst ins Schloss und schließlich in den Ort verfrachtet wurden. Zu diesem Zeitpunkt trennten sich die Wege von ihrem Ehemann, der vor den anrückenden Sowjets floh, obwohl er selbst aus der ungarischen Armee desertiert war.
Die Zeit am Schloss und schließlich in einem Keller in Csákvár wurden für die Zivilisten, besonders für die Frauen zur Hölle. Das Gebiet westlich von Budapest war heftigst umkämpft und wechselte mehrmals die Besatzer. Jedesmal, wenn die Sowjets das Gebiet wieder erobert wurde, gaben die Offiziere die eroberte Region drei Tage lang für Plünderungen und Vergewaltigungen frei. Polcz war mehrfach Opfer von Massenvergewaltigungen und ging zweimal mit Offizieren ins Bett, um damit Leben (nicht nur ihr eigenes) retten zu können.
Nach Kriegsende holte sie ihre Mutter aus Budapest und ging mit ihr und ihrem Bruder zurück nach Klausenburg, wobei sie jedoch bereits schwerkrank und aufgedunsen war. In Klausenburg wurde tuberkolöse Brust- und Bauchfellentzündung wie Gonnorhoe diagnostiziert, ihr Bauchraum war mit Wasser voll. Mit Fieber bis zu 41 Grad kam sie ins Sterbezimmer des Krankenhauses, ihr wurden mehrfach literweise Wasser abgepumpt und sie wurde ohne Zustimmung einer Strahlentherapie ausgesetzt - Medikamente zur Behandlung der Krankheit(en) gab es nicht. Einmal wurde sie mit einem Herzstich zurück ins Leben geholt.
Schließlich schaffte sie es zu genesen - ihre letzten Wertsachen wurden für einen Sanatoriumsaufenthalt verkauft. 1947, als Siebenbürgen im Pariser Vertrag Rumänien zugesprochen wurde, zog sie nach Budapest, setzte ihr Psychologiestudium fort und heiratete den Schriftsteller Miklós Mészöly, mit dem sie ihr Leben verbrachte.
Infolinks im Spoiler
Verlagsinfo:
https://www.suhrkamp.de/buecher/frau_an_der_front-alaine_polcz_42306.html
Rezensionen:
https://www.wissenschaft.de/rezensionen/buecher/frau-an-der-front-ein-bericht/
https://diepresse.com/home/kultur/literatur/1324415/Alaine-Polcz_Ein-Tier-das-sich-des-Lebens-freut
https://www.deutschlandfunkkultur.de/im-krieg-wird-man-sich-selbst-zum-monstrum.950.de.html?dram:article_id=207151
http://www.literatur.ungarisches-institut.de/?p=3008
https://www.nzz.ch/das-fernglas-umdrehen-1.16889980