AllmysteryNavigation
Menschen Wissenschaft Politik Mystery Kriminalfälle Spiritualität Verschwörungen Technologie Ufologie Natur Umfragen Unterhaltung
weitere Rubriken
PhilosophieTräumeOrteEsoterikLiteraturAstronomieHelpdeskGruppenGamingFilmeMusikClashVerbesserungenAllmysteryEnglish
Diskussions-Übersichten
BesuchtTeilgenommenAlleNeueGeschlossenLesenswertSchlüsselwörter
Schiebe oft benutzte Tabs in die Navigationsleiste (zurücksetzen).

Oswald Spengler - Der Untergang des Abendlandes

4 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Rezension, Philosophie, Politische Philosophie ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Seite 1 von 1

Oswald Spengler - Der Untergang des Abendlandes

14.01.2019 um 21:00
Spengler

Als ausgebildeter Naturwissenschafter (in Mathematik, Physik, Chemie) und Philosoph wagt sich Spengler in die Welten des Universalgelehrten und wirkt doch an vielen Stellen wie ein Autodidakt, der Unmengen an Wissen sich angeeignet hat (oder auf Zetteln notiert hat).

Und dann kommt noch dazu, dass er nicht nur einmal Strohmänner aufbaut, indem er seine Sicht anderen in den Mund legt. Beispiel:

Seine Geschichtsauffassung ist eine beinahe monadische: Jede Kultur hat wie ein Lebewesen eine bestimmte Zeitspanne (etwa 1000 Jahre) und besteht aus einer organischen Lebensspanne: Entwicklung der Kultur - Kultur - Zivilisation - Untergang. Der britische Historiker Arnold Toynbee hat dieses Konzept von Spengler übernommen.

Die Trennung zwischen Kultur und Zivilisation sieht Spengler in der Entstehung von Welt- und Hauptstädten. Die Epoche der Kultur ist die Zeit der Kunst, die Epoche der Zivilisation der wissenschaftlichen „Tatsachenmenschen“. Aber durch die Verstädterung trennen sich Land- und Stadtbevölkerung, die intellektuelle Stadt erklärt das bäuerlich geprägte Land zur untergeordneten Provinz.

Trotz der technisch-wissenschaftlichen Weiterentwicklung gebiert die Zivilisation ihren Untergang: Kinder sind nicht mehr wichtig, die Geburtenraten sinken, Landbevölkerung, auch aus anderen, nicht zivilisatorischen Kulturen wird angesaugt, was letztlich zum Ende der städtischen Zivilisationen führt. So zu beobachten in römischen Städten, als germanische und andere „Barbaren“ am Rande ansiedelten und Städte verfallen ließen.

Die zivilisatorischen Kulturen selbst werden „multikulturell“ im Sinne von „nicht vereinbar“ aufgefasst.

- Antike Kultur: raum- und zeitlos auf das Selbst beschränkt
- Ägypten: sich des Raumes und der Zeit bewusst
- Indische Kultur: statisch, ohne Raum- und Zeitbewusstsein
- Chinesische Kultur: Raum und Zeit durchschreitend, nicht formend
- Faustische Kultur: Raum und Zeit formende westeuropäische Kultur
- Magische Kultur: religiöse Märchenkulturen des Nahen und Mittleren Osten

Die Unterschiede der verschiedenen Kulturen werden im ersten Band anhand von Kunst und Wissenschaft dargelegt, im zweiten anhand von Religion und zum Schluss von Wirtschaft.

Dabei springt er hin und her und versucht, Parallelen zwischen den verschiedenen Kulturen zu entdecken. Dies geschieht oft nur durch Namedropping und macht den Text sehr schwer lesbar, auch ist es nicht nachzuvollziehen, wieso er überhaupt Parallelen zieht. Da helfen die Tabellen zu Beginn nicht mehr weiter.

Den Eroberungsdrang der westeuropäischen Völker nennt er „faustisch“, es sind Völker und Individuen, die nicht auf sich beschränkt bleiben wollen, sondern den Willen zur Eroberung und der Macht zeigen. Diese „faustische Haltung“ wird nordeuropäischen Völkern seit den Wikingern/Normannen zugeschrieben.

Die Christianisierung ist für ihn ein immer wiederkehrendes Beispiel: es wird nicht eine magische Religion übernommen, sondern das Christentum wird faustisch umgeprägt. Worte (magisch) und Taten (faustisch) haben nichts mehr miteinander zu tun. Die Worte predigen Frieden und Harmonie, die Taten erobern.

Als faustische Tatmenschen sieht er diejenigen, welche Raum und Zeit erobern wollen (Kolumbus ist immer wieder ein Beispiel), und diese prägen die abendländische Kultur bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Es sind die Menschen, welche erobern, aber auch die Wirtschaft vorantreiben (den planenden und organisierenden Menschen stellt er über den produzierenden, der nur vorgegebene Pläne umsetzt, damit wendet er sich explizit gegen Marx).

Den Sozialismus ordnet er jedoch auch der faustischen Kultur zu und prognostiziert imperialistische Kriege im Namen des Sozialismus und dass das „Recht auf Arbeit“ als Wohlfahrtsforderung zu dem Dogma „Arbeitspflicht“ sich wandeln wird.

Für Europa sieht er nach dem Ersten Weltkrieg noch weitere Kriege kommen, die im 21. Jahrhundert schließlich zu einer Art Vereinigte Staaten von Europa führen würden.

Diese Schlussfolgerungen lassen sich jedoch nur sehr schwer aus den beiden Bänden extrapolieren, da der erste Band über Hunderte von Seiten ausschließlich über Kunstgeschichte handelt, der zweite in ebensolcher Länge über Religionsgeschichte. Zur industriellen Wirtschaft und somit dem Wesen der modernen Zivilisation kommt er erst ganz zum Schluss. Konzises Schreiben ist nicht sein Ding.

Spengler ist bekannt als rechtskonservativer Denker. Anfang der 20er Jahre versuchte er skurrilst sich an Rechtspolitiker ranzumachen, um eine Diktatur zu fördern (Reichswehrchef Seeckt hielt ihn für einen politischen Narren, der mit seinem Abendland untergehen solle), hatte seine Affinität zum intalienischen Faschismus, verachtete jedoch Hitler und die Nationalsozialsiten wegen ihres Antisemitismus als „primitiv“.

Seinen Tod 1936 umranken immer noch Verschwörungstheorien, dass er von den Nationalsozialisten als konkurrierender, sie ablehnender rechtsextremer Nicht-Nazi ermordet wurde. Ich gehe aber davon aus, dass er seinem seit Geburt vorhandenen Herzleiden zum Opfer fiel.

Online ist der Text hier zu finden, amazon.de hat ihn als Kindleversion kostenfrei:
http://www.zeno.org/Philosophie/M/Spengler,+Oswald/Der+Untergang+des+Abendlandes

Da die interessanten Textteile sehr verstreut sind, habe ich Exzerpte angelegt. Diese sind im Spoiler

Philosophie der Kulturen:

"So verschieden an sich Stoizismus und Buddhismus, die Altersstimmungen beider Welten sind, im Widerspruch gegen das historische Gefühl der Sorge, in der Verachtung also des Fleißes, der organisatorischen Kraft, des Pflichtbewußtseins sind sie einig, und deshalb hat an indischen Königshöfen und auf dem Forum antiker Städte niemand an das Morgen gedacht, weder für seine Person noch für die Gesamtheit. Das Carpe diem des apollinischen Menschen galt auch für den antiken Staat."

"Antikes Griechenland ahistorisch, allgemeinmenschlich, nicht sorgend (carpe diem), Abendland historisch, sorgend. Isis und Madonna als Ausdruck des Letzten. Auch Vergleich der ahistorischen Situationstragödie eines Ödipus, die allgemeinmenschlich ist, weil sie jeden treffen kann, mit der abendländischen Charaktertragödie bei Shakespeare, die personengebunden ist. In erster ist die Situation tragisch, in letzter der Charakter."

"Wie sich das historische Muster manifestiert, ist Zufall. Kolumbus hätte auch von Frankreich beauftragt werden können. Die innere Logik wäre unberührt geblieben. Die Französische Revolution als Übergang zur Zivilisation hätte woanders stattfinden können, "die Epoche ist notwendig und vorbestimmt".

Folgende Geschichte: imperialistisch, brutal, auch der Sozialismus ... falsch lag er nicht. Eingebettet in den Tatmenschen der Zivilisation. Prognostiziert die Vereinigten Staaten von Europa als Gegenstück der Diadochenreiche.

Spengler als Urvater des Multikulturalismus?

"Man bemerkt –was der Anspruch aller Moralen auf zeitliche und räumliche Allgemeingültigkeit bisher verdeckt hat –, daß jede einzelne Kultur als einheitliches Wesen höherer Ordnung ihre eigne moralische Fassung besitzt. Es gibt so viele Moralen, als es Kulturen gibt."

"Es gibt so viel Moralen, als es Kulturen gibt, nicht mehr und nicht weniger."

Seele faustisch, nur die Worte christlich:

"wo findet sich auf den Höhen faustischen Menschentums von den Kreuzzügen bis zum Weltkrieg jene »Sklavenmoral«, jene weiche Entsagung, jene Caritas im Betschwesternsinne? In den Worten, die man achtet, nirgends sonst."

Über den Sozialismus, dem er auch Imperialismus voraussagt:

"Der ethische Sozialismus ist –trotz seiner Vordergrundillusionen –kein System des Mitleids, der Humanität, des Friedens und der Fürsorge, sondern des Willens zur Macht. Alles andere ist Selbsttäuschung. Das Ziel ist durchaus imperialistisch: Wohlfahrt, aber im expansiven Sinne, nicht der Kranken, sondern der Tatkräftigen, denen man die Freiheit des Wirkens geben will, und zwar mit Gewalt, ungehemmt durch die Widerstände des Besitzes, der Geburt und der Tradition."

"Will man dem römischen » Panem et circenses«, dem letzten epikuräisch-stoischen und im Grunde auch indischen Lebenssymbol, das entsprechende Symbol des Nordens und auch wieder des alten China und Ägypten zur Seite stellen, so muß es das Recht auf Arbeit sein, das bereits dem durch und durch preußisch empfundenen, heute europäisch gewordnen Staatssozialismus Fichtes zugrunde liegt und das in den letzten, furchtbarsten Stadien dieser Entwicklung in der Pflicht zur Arbeit gipfeln wird."

"Und ein Zug dieser Lüge haftet dem gesamten politischen, wirtschaftlichen, ethischen Sozialismus an, der gewaltsam über den vernichtenden Ernst seiner letzten Einsichten schweigt, um die Illusion der geschichtlichen Notwendigkeit seines Daseins zu retten."

Zum Übermensch bei Nietzsche und Shaw:

"Nietzsche bemerkt, daß die darwinistische Idee des Übermenschen den Begriff der Züchtung heraufruft, aber er bleibt bei dem klangvollen Ausdruck stehen. Shaw fragt weiter –denn es hat keinen Zweck, darüber zu reden, wenn man nichts tun will –, wie das zu geschehen hat, und er kommt dazu, die Verwandlung der Menschheit in ein Gestüt zu verlangen. Aber das ist lediglich die Konsequenz Zarathustras, zu der er selbst nur nicht den Mut, sei es auch den Mut der Geschmacklosigkeit, hatte. Wenn man von planmäßiger Züchtung redet, einem vollkommen materialistischen und utilitarischen Begriff, so ist man eine Antwort darauf schuldig, wer zu züchten hat, wen, wo und wie. Allein Nietzsches romantische Abneigung, die sehr prosaischen sozialen Folgerungen zu ziehen, seine Furcht, poetische Gedanken durch Gegenüberstellung mit nüchternen Tatsachen einer Kraftprobe auszusetzen, ließen ihn darüber schweigen, daß seine ganze Lehre, wie sie aus dem Darwinismus stammt, auch den Sozialismus, und zwar den sozialistischen Zwang als Mittel voraussetzt; daß jeder systematischen Züchtung einer Klasse höherer Menschen eine streng sozialistische Gesellschaftsordnung voraufgehen muß"

Zum Nachdenken:

"Kann also Kritik die großen Fragen lösen oder nur ihre Unlösbarkeit feststellen? Am Anfang des Wissens glauben wir das erste. Je mehr wir wissen, desto sichrer wird uns das zweite. Solange wir hoffen, nennen wir das Geheimnis ein Problem."

Durch neue Studien belegt:

"Die wirklich miterlebte, in ihrem Takt noch mitgefühlte Geschichte reicht niemals über die Generation des Großvaters hinaus"

Relativistische Geschichtstheorie:

"Jedes Wesen erlebt das andre und dessen Schicksale nur in bezug auf sich selbst. Den Taubenschwarm, der sich auf ein Feld niederläßt, verfolgt der Besitzer des Feldes mit ganz anderen Blicken als der Naturfreund auf der Straße und der Habicht in der Luft. Der Bauer sieht in seinem Sohn den Nachkommen und Erben, der Nachbar den Bauern, der Offizier den Soldaten, der Fremde den Eingebornen. Napoleon hat als Kaiser die Menschen und Dinge anders erlebt wie als Leutnant. Man versetze einen Menschen in eine andre Lage, man mache einen Revolutionär zum Minister, einen Soldaten zum General, und die Geschichte mit ihren Trägern wird für ihn mit einem Schlage etwas anderes. Talleyrand durchschaute die Menschen seiner Zeit, weil er zu ihnen gehörte. Er hätte Crassus, Cäsar, Catilina und Cicero, wäre er plötzlich unter sie versetzt worden, in allen ihren Maßregeln und Absichten falsch oder gar nicht verstanden. Es gibt keine Geschichte an sich. Die Geschichte einer Familie nimmt sich für jeden Angehörigen, die eines Landes für jede Partei, die Zeitgeschichte für jedes Volk anders aus. Der Deutsche sieht den Weltkrieg anders als der Engländer, der Arbeiter die Wirtschaftsgeschichte anders als der Unternehmer, der Historiker des Abendlandes hat eine ganz andre Weltgeschichte vor Augen als die großen arabischen und chinesischen Geschichtsschreiber, und nur aus sehr großer Entfernung und ohne innere Beteiligung könnte die Geschichte einer Zeit objektiv dargestellt werden, aber die besten Historiker der Gegenwart beweisen, daß sie nicht einmal den Peloponnesischen Krieg und die Schlacht bei Actium ganz ohne Beziehung auf gegenwärtige Interessen beurteilen und darstellen können."

Ende der Geschichte (Fukuyama?):

"daß der Mensch nicht nur vor dem Entstehen einer Kultur geschichtslos ist, sondern wieder geschichtslos wird, sobald eine Zivilisation sich zu ihrer vollen und endgültigen Gestalt herausgebildet und damit die lebendige Entwicklung der Kultur beendet, die letzten Möglichkeiten eines sinnvollen Daseins erschöpft hat."

Antikes und magisches Recht:

"Nach antikem Eherecht war es unmöglich, daß etwa ein römischer Bürger eine Bürgertochter aus Capua heiratete, wenn zwischen diesen Städten keine Rechtsgemeinschaft, kein conubium bestand.[ Fußnote: Die XII hatten das conubium sogar zwischen Patriziern und Plebejern verboten.] Jetzt war die Frage, nach welchem Recht ein Christ oder Jude, ob er der Heimat nach Römer, Syrer oder Maure war, eine Ungläubige heiraten könne. Denn in der magischen Rechtswelt besteht kein conubium zwischen Andersgläubigen. Daß ein Ire eine Negerin in Byzanz heiratet, wenn beide Christen sind, begegnet keiner Schwierigkeit, aber wie sollte in demselben syrischen Dorf ein monophysitischer Christ eine Nestorianerin heiraten? Sie stammten vielleicht beide aus dem gleichen Geschlecht –aber sie gehörten zu zwei rechtsverschiedenen »Nationen«. Dieser arabische Begriff der Nation ist eine neue und ganz entscheidende Tatsache. Die Grenze zwischen Heimat und Fremde lag in der apollinischen Kultur zwischen je zwei Städten, in der magischen zwischen je zwei Glaubensgemeinschaften."

"Und damit entsteht eine Gruppe früharabischer Rechte, die ebenso entschieden nach Religionen gesondert ist, wie die Gruppe der antiken Rechte nach Stadtstaaten."

"Jede dieser Kirchen besitzt unabhängig von den jeweiligen Landesgrenzen eine eigne Rechtsprechung wie noch im heutigen Orient, und nur bei einem Streit zwischen Bekennern verschiedener Religionen entscheidet der Richter, welcher der im Lande herrschenden angehört."

"Die babylonischen Juden besaßen ein ausgebildetes Zivilrecht, das an den Hochschulen von Sura und Pumbadita gelehrt wurde. Es bildet sich überall ein Stand von Rechtsgelehrten, die prudentes der christlichen, die Rabbiner der jüdischen, später die Ulemas (persisch Mollas) der islamischen Nation; sie stellen Gutachten aus, responsa, arabisch Fetwa. Wird der Ulema staatlich anerkannt, so heißt er Mufti (byzantinisch » ex auctoritate principis«): die Formen sind überall ganz dieselben."

"Es hat sich sehr bald die Gewohnheit ausgebildet, daß man überhaupt nicht mehr die alten Gesetze der Stadt Rom auf den Tatsachenstoff der Einzelfälle anwandte, sondern die Juristentexte wie die Bibel zitierte.[ Fußnote: R. v. Mayr IV, S. 45 f.] Was bedeutet das? Unsern Romanisten ist es ein Zeichen des tiefsten Verfalls im Rechtswesen. Von der arabischen Welt aus betrachtet ist es das Gegenteil: ein Beweis dafür, daß es diesen Menschen endlich gelungen ist, eine fremde, ihnen aufgedrungene Literatur sich in der einzigen Form innerlich anzueignen, die für ihr eignes Weltgefühl in Betracht kam."

"Es ist aber ein gewaltiger Unterschied im Gefühl des Menschen, ob er ein Gesetz als Willensausdruck eines Mitmenschen oder als Bestandteil der göttlichen Ordnung hinnimmt. Im einen Falle sieht er das Richtige ein oder weicht der Gewalt, im andern beweist er seine Ergebung (» islam«). Der Orientale verlangt weder den praktischen Zweck des Gesetzes, das auf ihn angewendet wird, noch die logischen Gründe des Urteils einzusehen. Das Verhältnis des Kadi zum Volk läßt sich deshalb mit dem des Prätors überhaupt nicht vergleichen. Dieser stützt seine Entscheidungen auf eine in hohen Stellungen erprobte Einsicht, jener auf einen Geist, der irgendwie in ihm wirksam wird und aus ihm spricht."

Trennung zwischen Stadt und Land (Sind wir bei Houellebecq oder gar Pol Pot?):

"Und der Bauer steht ratlos auf dem Pflaster, eine lächerliche Gestalt, nichts verstehend und von niemand verstanden, gut genug für die Komödie und um dieser Welt das Brot zu schaffen."

"erscheint in jeder Kultur sehr bald der Typus der Hauptstadt. Es ist, wie der bedeutungsvolle Name sagt, die Stadt, deren Geist mit seinen politischen und wirtschaftlichen Methoden, Zielen und Entscheidungen das Land beherrscht. Das Land mit seinen Bewohnern wird Mittel und Objekt dieses führenden Geistes. Es versteht nicht, um was es sich handelt. Es wird auch nicht gefragt. Die großen Parteien in allen Ländern aller späten Kulturen, die Revolutionen, der Cäsarismus, die Demokratie, das Parlament sind die Form, in welcher der hauptstädtische Geist dem Lande mitteilt, was es zu wollen und wofür es unter Umständen zu sterben hat."

"Die Stimmung und öffentliche Meinung des bäuerlichen Landes, soweit es dergleichen gibt, wird von der Stadt durch Schrift und Rede vorgeschrieben und geleitet."

"die Politik sammelt sich nach und nach in ganz wenigen Hauptstädten und alle anderen bewahren nur noch einen Schein politischen Lebens."

"Der Steinkoloß »Weltstadt« steht am Ende des Lebenslaufes einer jeden großen Kultur. Der vom Lande seelisch gestaltete Kulturmensch wird von seiner eigenen Schöpfung, der Stadt, in Besitz genommen, besessen, zu ihrem Geschöpf, ihrem ausführenden Organ, endlich zu ihrem Opfer gemacht. Diese steinerne Masse ist die absolute Stadt. Ihr Bild, wie es sich mit seiner großartigen Schönheit in die Lichtwelt des menschlichen Auges zeichnet, enthält die ganze erhabene Todessymbolik des endgültig »Gewordenen«. Der durchseelte Stein gotischer Bauten ist im Verlauf einer tausendjährigen Stilgeschichte endlich zum entseelten Material dieser dämonischen Steinwüste geworden. Diese letzten Städte sind ganz Geist. Ihre Häuser sind nicht mehr wie noch die der ionischen und Barockstädte Abkömmlinge des alten Bauernhauses, von dem einst die Kultur ihren Ausgang nahm. Sie sind überhaupt nicht mehr Häuser, in denen Vesta und Janus, die Penaten und Laren irgendeine Stätte besitzen, sondern bloße Behausungen, welche nicht das Blut, sondern der Zweck, nicht das Gefühl, sondern der wirtschaftliche Unternehmungsgeist geschaffen hat. Solange der Herd im frommen Sinne der wirkliche, bedeutsame Mittelpunkt einer Familie ist, solange ist die letzte Beziehung zum Lande nicht geschwunden. Erst wenn auch das verloren geht und die Masse der Mieter und Schlafgäste in diesem Häusermeer ein irrendes Dasein von Obdach zu Obdach führt, wie die Jäger und Hirten der Vorzeit, ist der intellektuelle Nomade völlig ausgebildet. Diese Stadt ist eine Welt, ist die Welt."

"Die Weltstädte der westeuropäisch-amerikanischen Zivilisation haben noch bei weitem nicht den Gipfel ihrer Entwicklung erlangt. Ich sehe –lange nach 2000 –Stadtanlagen für zehn bis zwanzig Millionen Menschen, die sich über weite Landschaften verteilen, mit Bauten, gegen welche die größten der Gegenwart zwerghaft wirken, und Verkehrsgedanken, die uns heute als Wahnsinn erscheinen würden."

"Ein grauenvolles Elend, eine Verwilderung aller Lebensgewohnheiten, die schon jetzt zwischen Giebeln und Mansarden, in Kellern und Hinterhöfen einen neuen Urmenschen züchten, hausen in jeder dieser prachtvollen Massenstädte. Das ist in Bagdad und Babylon nicht anders gewesen wie in Tenochtitlan und heute in London und Berlin."

"Das Bauerntum gebar einst den Markt, die Landstadt, und nährte sie mit seinem besten Blute. Nun saugt die Riesenstadt das Land aus, unersättlich, immer neue Ströme von Menschen fordernd und verschlingend, bis sie inmitten einer kaum noch bevölkerten Wüste ermattet und stirbt."

"Die intellektuelle Spannung kennt nur noch eine, die spezifisch weltstädtische Form der Erholung: die Entspannung, die »Zerstreuung«. Das echte Spiel, die Lebensfreude, die Lust, der Rausch sind aus dem kosmischen Takte geboren und werden in ihrem Wesen gar nicht mehr begriffen. Aber die Ablösung intensivster praktischer Denkarbeit durch ihren Gegensatz, die mit Bewußtsein betriebene Trottelei, die Ablösung der geistigen Anspannung durch die körperliche des Sports, der körperlichen durch die sinnliche des »Vergnügens« und die geistige der »Aufregung« des Spiels und der Wette, der Ersatz der reinen Logik der täglichen Arbeit durch die mit Bewußtsein genossene Mystik –das kehrt in allen Weltstädten aller Zivilisationen wieder. Kino, Expressionismus, Theosophie, Boxkämpfe, Niggertänze, Poker und Rennwetten –man wird das alles in Rom wiederfinden, und ein Kenner sollte einmal die Untersuchung auf die indischen, chinesischen und arabischen Weltstädte ausdehnen. Um nur eins zu nennen: wenn man das Kamasutram liest, versteht man, was für Leute am Buddhismus ebenfalls Geschmack fanden; und man wird nun auch die Stierkampfszenen in den kretischen Palästen mit ganz anderem Auge betrachten. Es liegt ein Kult zugrunde, ohne Zweifel, aber es ist ein Parfüm darüber gebreitet wie über den fashionablen stadtrömischen Isiskult in der Nachbarschaft des Circus Maximus."

"die Unfruchtbarkeit des zivilisierten Menschen. Es handelt sich hier nicht um etwas, das sich mit alltäglicher Kausalität, etwa physiologisch, begreifen ließe, wie es die moderne Wissenschaft selbstverständlich versucht hat. Hier liegt eine durchaus metaphysische Wendung zum Tode vor. Der letzte Mensch der Weltstädte will nicht mehr leben, wohl als einzelner, aber nicht als Typus, als Menge; in diesem Gesamtwesen erlischt die Furcht vor dem Tode. Das, was den echten Bauern mit einer tiefen und unerklärlichen Angst befällt, der Gedanke an das Aussterben der Familie und des Namens, hat seinen Sinn verloren. Die Fortdauer des verwandten Blutes innerhalb der sichtbaren Welt wird nicht mehr als Pflicht dieses Blutes, das Los, der Letzte zu sein, nicht mehr als Verhängnis empfunden. Nicht nur weil Kinder unmöglich geworden sind, sondern vor allem weil die bis zum äußersten gesteigerte Intelligenz keine Gründe für ihr Vorhandensein mehr findet, bleiben sie aus."

Geburtenrückgang in weltstädtischen Zivilisationen:

"Auf dieser Stufe beginnt in allen Zivilisationen das mehrhundertjährige Stadium einer entsetzlichen Entvölkerung. Die ganze Pyramide des kulturfähigen Menschentums verschwindet. Sie wird von der Spitze herab abgebaut, zuerst die Weltstädte, dann die Provinzstädte, endlich das Land, das durch die über alles Maß anwachsende Landflucht seiner besten Bevölkerung eine Zeitlang das Leerwerden der Städte verzögert. Nur das primitive Blut bleibt zuletzt übrig, aber seiner starken und zukunftreichen Elemente beraubt. Es entsteht der Typus des Fellachen."

Beispiel Rom:

"Das Imperium genießt den vollkommensten Frieden; es ist reich, es ist hochgebildet; es ist gut organisiert; es besaß von Nerva bis Marc Aurel eine Herrscherreihe, wie sie der Cäsarismus keiner zweiten Zivilisation aufzuweisen hat. Und trotzdem schwindet die Bevölkerung rasch und in Masse hin, trotz der verzweifelten Ehe-und Kindergesetzgebung des Augustus, dessen lex de maritandis ordinibus auf die römische Gesellschaft bestürzender wirkte als die Niederlage des Varus, trotz der massenhaften Adoptionen, der ununterbrochenen Ansiedlung von Soldaten barbarischer Herkunft, um Menschen in die verödende Landschaft zu bringen, trotz der ungeheuren Alimentationsstiftungen des Nerva und Trajan, um die Kinder unbemittelter Eltern aufzuziehen. Italien, dann Nordafrika und Gallien, endlich Spanien, das unter den ersten Kaisern am dichtesten von allen Teilen des Reichs bevölkert war, sind menschenleer und verödet."

Auch schon in Ägypten:

"Im Hintergrund der Ereignisse des Neuen Reiches, vor allem von der 19. Dynastie an, ist eine gewaltige Abnahme der Bevölkerung deutlich zu verspüren. Ein Stadtbau, wie ihn Amenophis IV. in Tell el Amarna ausführte, mit Straßenzügen bis zu 45 m Breite, wäre bei der früheren Bevölkerungsdichte undenkbar gewesen, und ebenso die notdürftige Abwehr der »Seevölker«, deren Aussichten auf Besitznahme des Reiches damals sicherlich nicht schlechter waren als die der Germanen vom 4. Jahrhundert an, und endlich die unaufhörliche Einwanderung der Libyer in das Delta"

Verallgemeinerte Prognose:

"Damit findet die Geschichte der Stadt ihren Abschluß. Aus dem ursprünglichen Markt zur Kulturstadt und endlich zur Weltstadt herangewachsen, bringt sie das Blut und die Seele ihrer Schöpfer dieser großartigen Entwicklung und deren letzter Blüte, dem Geist der Zivilisation zum Opfer und vernichtet damit zuletzt auch sich selbst."

Stil und Manier:

"Man kann gehen, wohin man will, man trifft Berlin, London und New York überall wieder; und wenn ein Römer reiste, konnte er in Palmyra, Trier, Timgad und in den hellenistischen Städten bis zum Indus und Aralsee seine Säulenstellungen, statuengeschmückten Plätze und Tempel finden. Was aber hier verbreitet wird, ist nicht mehr ein Stil, sondern ein Geschmack, keine echte Sitte, sondern Manieren, und nicht die Tracht eines Volkes, sondern die Mode. Damit ist es denn möglich, daß ferne Bevölkerungen die »ewigen Errungenschaften« einer solchen Zivilisation nicht nur annehmen, sondern in selbständiger Fassung weiterstrahlen. Solche Gebiete einer »Mondlichtzivilisation« sind Südchina und vor allem Japan, die erst seit dem Ausgang der Hanzeit (220) »sinaisiert« wurden, Java als Verbreiterin der brahmanischen Zivilisation und Karthago, das seine Formen von Babylon empfing."

Ahnen:

"Jeder heute lebende Mensch hat um das Jahr 1300 schon eine Million, um das Jahr 1000 eine Milliarde Ahnen. Diese Tatsache besagt, daß jeder lebende Deutsche mit jedem Europäer der Kreuzzüge ohne Ausnahme blutsverwandt ist und daß sich dies, je enger man die Landschaftsgrenze zieht, zu einer hundert-und tausendfachen Verwandtschaft steigert, so daß die Bevölkerung eines Landes im Verlaufe von kaum zwanzig Generationen zu einer einzigen Familie zusammengewachsen ist;"

Ablehnung der Schädelvermessung zur Rassebestimmung:

"Viel wichtiger als alle Versuche, ein Ordnungsprinzip zu entdecken, ist die Tatsache, daß innerhalb der einheitlichen Rasse Mensch alle diese Formen von der frühesten Eiszeit an sämtlich vorkommen, sich nicht merklich verändert haben und unterschiedslos sogar in denselben Familien auftreten."

Volksbegriff:

"Jeder Mensch bezeichnet die Gemeinschaft, die ihm innerlich am nächsten steht –und er gehört vielen an –mit Pathos als sein »Volk«.[ Fußnote: Das geht so weit, daß die großstädtische Arbeiterschaft sich als das Volk bezeichnet und damit das Bürgertum, mit dem sie kein Gemeingefühl verbindet, von diesem Begriffe ausschließt; aber das Bürgertum von 1789 hatte es nicht anders gemacht.]"

"Deshalb kann von zwei Brüdern der eine sich einen Schweizer und der andere mit dem gleichen Recht einen Deutschen nennen. Das sind nicht gelehrte Begriffe, sondern geschichtliche Tatsachen. Volk ist ein Verband von Männern, der sich als Ganzes fühlt. Erlischt das Gefühl, so kann der Name und jede einzelne Familie fortbestehen –das Volk aber hat zu bestehen aufgehört."

Kritik an Nationalismus:

"In Mazedonien haben Serben, Bulgaren und Griechen im 19. Jahrhundert christliche Schulen für die türkenfeindliche Bevölkerung gegründet. Wenn in einem Dorfe zufällig serbisch unterrichtet wurde, so bestand schon die folgende Generation aus fanatischen Serben. Die heutige Stärke der »Nationen« ist also lediglich eine Folge der früheren Schulpolitik."

Ursachen von Wanderungen (Hunger lehnt Spengler ab):

"Es ist klar, daß in fast menschenleeren Räumen ein einfaches Ausweichen des Schwächeren möglich und Regel ist. In den Zuständen späterer Dichte handelt es sich aber um ein Heimatloswerden des Schwächeren, der sich verteidigen oder um ein neues Land kämpfen muß. Man drängt sich bereits im Raume. Kein Stamm lebt ohne beständige Fühlung nach allen Seiten und ohne eine mißtrauische Bereitschaft zum Widerstand. Die harte Notwendigkeit des Krieges züchtet Männer. Völker wachsen an Völkern und gegen Völker zu innerer Größe heran. Die Waffe wird zur Waffe gegen Menschen, nicht gegen Tiere. Endlich ist jene Wanderungsform da, von der in historischer Zeit allein die Rede sein kann: streifende Scharen bewegen sich in durchaus bewohntem Gebiete, dessen Bevölkerung als ein wesentlicher Bestandteil des Eroberten seßhaft und erhalten bleibt; die Sieger sind in der Minderzahl und es treten damit ganz neue Lagen ein."

"Seit den entscheidenden Untersuchungen von Beloch[ Fußnote: Die Bevölkerung der griechisch-römischen Welt (1886).] und Delbrück[ Fußnote: Geschichte der Kriegskunst (zuerst 1900).] wissen wir, daß alle Wandervölker –und Völker in diesem Sinne waren die Perser des Kyros, die Mamertiner und die Kreuzfahrer ebensogut wie die Ostgoten und die »Seevölker« der ägyptischen Inschriften –im Verhältnis zur Bewohnerschaft der besetzten Gebiete sehr klein waren, wenige tausend Krieger stark und den Eingebornen überlegen allein durch ihre Entschlossenheit, ein Schicksal zu sein und nicht zu erleiden. Nicht bewohnbares, sondern bewohntes Land wird in Besitz genommen: damit wird das Verhältnis beider Bevölkerungen auch zu einer Standesfrage, die Wanderung zu einem Feldzuge und das Seßhaftwerden zu einer politischen Aktion. Und hier, wo der Erfolg einer kleinen Kriegerschar mit seiner Wirkung: der Ausbreitung von Namen und Sprache der Sieger, aus historischer Ferne allzu leicht als »Völkerwanderung« erscheint, muß die Frage noch einmal gestellt werden: Was alles kann wandern?"

"Erst durch ihre Wanderschicksale sind Goten und Osmanen geworden, was sie später waren. »Die Amerikaner« sind nicht aus Europa eingewandert; der Name des florentinischen Geographen Amerigo Vespucci bezeichnet heute zunächst einen Erdteil, aber außerdem ein echtes Volk, das durch die seelische Erschütterung von 1775 und vor allem durch den Sezessionskrieg von 1861–65 seine Eigenart erhalten hat. Einen anderen Inhalt des Wortes Volk gibt es nicht. Weder die Einheit der Sprache noch der leiblichen Abstammung ist entscheidend. Was ein Volk von einer Bevölkerung unterscheidet, es aus dieser abhebt und wieder in ihr aufgehen läßt, ist stets das innere Erlebnis des »Wir«."

Ablehnung eines biologischen Rassebegriffs:

"Man glaube doch nicht, daß je ein Volk durch die bloße Einheit der leiblichen Abstammung zusammengehalten wurde und diese Form auch nur durch zehn Generationen hätte wahren können. Es kann nicht oft genug wiederholt werden, daß diese physiologische Herkunft nur für die Wissenschaft und niemals für das Volksbewußtsein vorhanden ist und daß kein Volk sich je für dieses Ideal des »reinen Blutes« begeistert hat."

Die Kultur schafft Völker:

"Völker im Banne einer Kultur dagegen sind in ihrer inneren Form, ihrer ganzen Erscheinung nach nicht Urheber, sondern Werke dieser Kultur."

"»Die Araber« haben die arabische Kultur nicht geschaffen. Die magische Kultur, zur Zeit Christi beginnend, hat vielmehr als ihre letzte große Völkerschöpfung das arabische Volk hervorgebracht, das wie das jüdische und persische eine Glaubensgemeinschaft, die des Islam, darstellt. Weltgeschichte ist die Geschichte der großen Kulturen. Und Völker sind nur die sinnbildlichen Formen, in welche zusammengefaßt der Mensch dieser Kulturen sein Schicksal erfüllt."

"Einer antiken Nation gehört man durch den Besitz des Bürgerrechts an, einer magischen durch einen sakramentalen Akt, der jüdischen durch die Beschneidung, der mandäischen oder christlichen durch eine ganz bestimmte Art der Taufe. Was für ein antikes Volk der Bürger einer fremden Stadt, ist für ein magisches der Ungläubige."

"wenn eine antike überhaupt keine ausschließlichen Beziehungen zu einzelnen Kulten besitzt, so fällt die magische Nation mit dem Begriff der Kirche schlechthin zusammen. Die antike ist mit einer Stadt, die abendländische mit einer Landschaft innerlich verbunden, die arabische kennt weder ein Vaterland noch eine Muttersprache."

"Der magische Staat ist mit dem Begriff der Rechtgläubigkeit untrennbar verbunden. Kalifat, Nation und Kirche bilden eine innere Einheit. Wenn im islamischen Staate Christen, im persischen Nestorianer, im byzantinischen Juden leben, so gehören sie als Ungläubige ihm doch nicht an. Bedrohen sie durch ihre Zahl oder Mission den Fortbestand der Identität von Staat und rechtgläubiger Kirche, so wird ihre Verfolgung zur nationalen Pflicht."

"Der Islam hatte aus der Heimat Mohammeds den Arabernamen als Bezeichnung seiner nationalen Einheit mitgebracht. Es ist ein Irrtum, diese »Araber« mit den Beduinenstämmen der Wüste gleichzusetzen. Diese neue Nation mit ihrer leidenschaftlichen und charaktervollen Seele ist durch den consensus des neuen Glaubens geschaffen worden. Sie ist so wenig wie die christliche, jüdische und persische eine Einheit der Rasse und mit einer Heimat verbunden; sie ist also auch nicht »ausgewandert« und hat vielmehr ihre ungeheure Ausdehnung durch die Aufnahme des größten Teils der frühmagischen Nationen in ihren Verband erhalten."

Österreichische Nation:

"noch bedeutsamer ist die Schöpfung des Hauses Habsburg, das aus einer Bevölkerung, die weder Sprache noch Volkstum noch Überlieferung verband, die österreichische Nation entstehen ließ, die ihre Proben –die ersten, auch die letzten –in der Verteidigung Maria Theresias und im Kampfe gegen Napoleon abgelegt hat."

Macht auf Basis von ideologischen Texten:

"damit sind Schriften wie der Contrat social und das kommunistische Manifest Machtmittel ersten Ranges in der Hand von Gewaltmenschen, die innerhalb des Parteilebens emporgekommen sind und die Überzeugung der beherrschten Masse zu bilden und benützen wissen."

Sieg des Pragmatismus (Tatmenschen) über die Ideologie:

"diese abstrakten Ideale besitzen eine Macht, die sich kaum über zwei Jahrhunderte –die der Parteipolitik –erstreckt. Sie werden zuletzt nicht etwa widerlegt sondern langweilig. Rousseau ist es längst und Marx wird es in kurzem sein. Man gibt endlich nicht diese oder jene Theorie auf, sondern den Glauben an Theorien überhaupt"

Ablehnung der Parteiendemokratie:

"tatsächlich hat mit jedem allgemeinen –anorganischen –Wahlrecht sehr bald der ursprüngliche Sinn des Wählens überhaupt aufgehört. Je gründlicher die gewachsenen Gliederungen der Stände und Berufe politisch ausgelöscht werden, desto formloser, desto hilfloser wird die Wählermasse, desto unbedingter ist sie den neuen Gewalten ausgeliefert, den Parteileitungen, welche der Menge mit allen Mitteln geistigen Zwanges ihren Willen diktieren, den Kampf um die Herrschaft unter sich ausfechten, mit Methoden, von denen die Menge zuletzt weder etwas sieht noch versteht, und welche die öffentliche Meinung lediglich als selbstgeschmiedete Waffe gegeneinander erheben."

Pressekritik:

"Der liberale Bürgersinn ist stolz auf die Abschaffung der Zensur, der letzten Schranke, während der Diktator der Presse –Northcliffe! –die Sklavenschar seiner Leser unter der Peitsche seiner Leitartikel, Telegramme und Illustrationen hält. Die Demokratie hat das Buch aus dem Geistesleben der Volksmassen vollständig durch die Zeitung verdrängt. Die Bücherwelt mit ihrem Reichtum an Gesichtspunkten, die das Denken zur Auswahl und Kritik nötigte, ist nur noch für enge Kreise ein wirklicher Besitz. Das Volk liest die eine, »seine« Zeitung, die in Millionen Exemplaren täglich in alle Häuser dringt, die Geister vom frühen Morgen an in ihren Bann zieht, durch ihre Anlage die Bücher in Vergessenheit bringt, und, wenn eins oder das andre doch einmal in den Gesichtskreis tritt, seine Wirkung durch eine vorweggenommene Kritik ausschaltet. Was ist Wahrheit? Für die Menge das, was man ständig liest und hört. Mag ein armer Tropf irgendwo sitzen und Gründe sammeln, um »die Wahrheit« festzustellen –es bleibt seine Wahrheit. Die andre, die öffentliche des Augenblicks, auf die es in der Tatsachenwelt der Wirkungen und Erfolge allein ankommt, ist heute ein Produkt der Presse."

"heute noch gibt es hier und da Schwachköpfe, die sich am Gedanken der Pressefreiheit begeistern, aber gerade damit haben die kommenden Cäsaren der Weltpresse freie Bahn. Wer lesen gelernt hat, verfällt ihrer Macht, und aus der erträumten Selbstbestimmung wird die späte Demokratie zu einem radikalen Bestimmt werden der Völker durch die Gewalten, denen das gedruckte Wort gehorcht."

"In den naiven Anfängen der Zeitungsmacht wurde sie durch Zensurverbote geschädigt, mit denen die Vertreter der Tradition sich wehrten, und das Bürgertum schrie auf, die Freiheit des Geistes sei in Gefahr. Jetzt zieht die Menge ruhig ihres Wegs; sie hat diese Freiheit endgültig erobert, aber im Hintergrunde bekämpfen sich ungesehen die neuen Mächte, indem sie die Presse kaufen. Ohne daß der Leser es merkt, wechselt die Zeitung und damit er selbst den Gebieter."

"Eine furchtbarere Satire auf die Gedankenfreiheit gibt es nicht. Einst durfte man nicht wagen, frei zu denken; jetzt darf man es, aber man kann es nicht mehr. Man will nur noch denken, was man wollen soll, und eben das empfindet man als seine Freiheit."

Parlament. Das hat sich nur in Totalitarismen verwirklicht:

"Wie das englische Königtum im 19. Jahrhundert, so werden die Parlamente im 20. langsam ein feierliches und leeres Schauspiel. Wie dort Szepter und Krone, so werden hier die Volksrechte mit großem Zeremoniell vor der Menge einhergetragen und um so peinlicher geachtet, je weniger sie bedeuten."

Gegen den Goldstandard:

"Der Kredit eines Landes beruht in unsrer Kultur auf seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und deren politischer Organisation, welche den Finanzoperationen und Buchungen den Charakter wirklicher Geldschöpfungen gibt, und nicht auf einer irgendwo eingelagerten Goldmenge. Erst der antikisierende Aberglaube erhebt die Goldreserve zum wirklichen Kreditmesser, weil ihre Höhe nun nicht mehr vom Wollen, sondern vom Können abhängt. Die umlaufenden Münzen aber sind eine Ware, die im Verhältnis zum Landeskredit einen Kurs besitzt –je schlechter der Kredit, desto höher steht das Gold, bis zu dem Punkte, wo es unbezahlbar wird und aus dem Verkehr verschwindet, so daß man es nur noch gegen andere Waren erhalten kann; das Gold wird also wie jede Ware an der buchmäßigen Rechnungseinheit gemessen, nicht umgekehrt, wie es das Wort Goldwährung andeutet –und bei kleinen Zahlungen als Mittel dient, wie gelegentlich die Briefmarke auch."

Über die Enteignung von Produktionsmitteln:

"Gesetzt den Fall, daß Arbeiter die Führung der Werke übernehmen, so würde damit nichts geändert. Entweder sie können nichts: dann geht alles zugrunde; oder sie können etwas: dann werden sie innerlich selbst Unternehmer und denken nur noch an die Behauptung ihrer Macht."

Finanzierung der römischen Beamten:

"die politische Macht des römischen Ädils und seine Schulden beruhen darauf, daß er Spiele, Straßen und Gebäude nicht nur ausführt, sondern auch bezahlt, und sich später allerdings durch die Plünderung seiner Provinz wieder bezahlt machen durfte. An Einnahmequellen dachte man erst, wenn man sie brauchte, und man nahm sie ohne jedes Vorausdenken so in Anspruch, wie es der augenblickliche Bedarf forderte, auch wenn sie dadurch zerstört werden mußten. Plünderung der eignen Tempelschätze, Seeraub an Schiffen der eignen Stadt, Konfiskation von Vermögen der eignen Mitbürger waren alltägliche Finanzmethoden."

"Die »Bewirtschaftung« der römischen Provinzen war ein öffentlicher und privater Raubbau, der von Senatoren und Geldleuten betrieben wurde ohne Rücksicht darauf, ob und wie die abgeführten Werte wieder ergänzt werden konnten. Der antike Mensch hat nie an eine planmäßige Steigerung des Wirtschaftslebens gedacht, nur an das augenblickliche Ergebnis, das erreichbare Quantum von barem Geld."

Kritik an der Arbeitsdefinition von Marx:

"Sie [die Maschinenindustrie] zwingt den Unternehmer wie den Fabrikarbeiter zum Gehorsam. Beide sind Sklaven, nicht Herren der Maschine, die ihre teuflische geheime Macht erst jetzt entfaltet. Aber wenn die sozialistische Theorie der Gegenwart nur die Leistung des letzten hat sehen wollen und für sie allein das Wort Arbeit in Anspruch nahm, so ist diese doch nur durch die souveräne und entscheidende Leistung des ersten möglich. Das berühmte Wort von dem starken Arm, der alle Räder stillstehen läßt, ist falsch gedacht. Anhalten –ja, aber dazu braucht man nicht Arbeiter zu sein. In Bewegung halten –nein. Der Organisator und Verwalter bildet den Mittelpunkt in diesem künstlichen und komplizierten Reich der Maschine. Der Gedanke hält es zusammen, nicht die Hand."

Über Energiekrisen:

"Man hat, ganz materialistisch, die Erschöpfung der Kohlenlager gefürchtet. Aber solange es technische Pfadfinder von Rang gibt, gibt es keine Gefahren dieser Art. Erst wenn der Nachwuchs dieser Armee ausbleibt, deren Gedankenarbeit mit der Arbeit der Maschine eine innere Einheit bildet, muß die Industrie trotz Unternehmertum und Arbeiterschaft erlöschen."

Macht siegt über Gerechtigkeit:

"Die Weltgeschichte ist das Weltgericht: sie hat immer dem stärkeren, volleren, seiner selbst gewisseren Leben Recht gegeben, Recht nämlich auf das Dasein, gleichviel ob es vor dem Wachsein recht war, und sie hat immer die Wahrheit und Gerechtigkeit der Macht, der Rasse geopfert und die Menschen und Völker zum Tode verurteilt, denen die Wahrheit wichtiger war als Taten, und Gerechtigkeit wesentlicher als Macht."




melden

Oswald Spengler - Der Untergang des Abendlandes

14.01.2019 um 22:35
Dieser Bericht spricht mir geradezu aus der Seele, das wesentliche wurde alles eingebracht, ja es ist echt traurig das ES so ist. Das ES habe ich absichtlich so geschrieben, den wo das GUTE für Frieden unter den Menschen agiert, da ist leider ES dass BÖSE allgegenwärtig, um dies zu verhindern. Nach Möglichkeit alles zerstören was mal Werte und Stabilität war, Wahrheit umkehren und gegen jene Menschen verwenden welche noch an Gesellschaftliche Werte mit Menschlichkeit & Kameradschaft festhalten. Da gäbe es unendlich viel zu schreiben, darum Danke für deinen Blogbeitrag, welcher bezüglich der Gegebenheit des Titels her mehr als aktuell ist und eben das wesentliche dabei hervorhebt.

LG. Dunkellicht2


melden
Fabs ehemaliges Mitglied

Link kopieren
Lesezeichen setzen

Oswald Spengler - Der Untergang des Abendlandes

15.01.2019 um 13:00
Schreib endlich über Kracht, sonst komme ich nach Wien und werde zum "faustischen Tatmenschen".


melden

Oswald Spengler - Der Untergang des Abendlandes

15.01.2019 um 21:38
@Fabs

Ich habe nicht mal einen Kracht hier :D


melden