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Anton Kuh - Juden und Deutsche
19.12.2018 um 21:16Etwas wirr, der Text des Prager jüdischen Wiener aus dem Jahr 1921.
Letztlich sieht er eine Wesensverwandtschaft von Deutschen und Juden, die in der patriarchalen Gesellschaft beider gegründet sieht. Er selbst tritt für freie Beziehungen, Abschaffung der Ehe und Individualismus ein, was nach Umsetzung eine Art Idealgesellschaft in Harmonie zwischen Deutschen und Juden hervorrufen könne, die er zum Teil im Krieg bei Briten, Franzosen und Italienern gesehen hat: Juden sahen sich als Briten, Franzosen, Italiener.
Seitenhiebe gibt es gegen den deutschen Militarismus wie auch gegen alle möglichen jüdischen Selbstverständnisse (Zionismus, Assimilierung, vorgeblichen Selbsthass - da wird in die Klischeekiste gegriffen) wie auch gegen deutsch(sprachig)e Kultur jüdischer und nicht jüdischer Provenienz: gegen Goethe, Heine, Börne, Thomas Mann. Einzig Nietzsche kommt gut weg, den er von deutschen Nationalisten vereinnahmt sieht.
Interessant ist, dass er bereits die frühen Nationalsozialisten im Radar hat. In einem Satz erwähnt er die Hakenkreuzfahnen im Zusammenhanb mit deutschem Pogrom-Antisemitismus. Gleichzeitig bekommen aber auch (historisch) die jüdischen Aufklärer wie die (zeitgenössisch) Liberalen ihr Fett weg. Das Rote Kreuz ist zynisch, da es in die Militärgesellschaft eingeliedert wird, um Pogromopfer hinter die Front zu tragen, und Rathenau sei auch so ein Anbiederer wie Jahrhunderte zuvor ein Moses Mendelssohn, der zum Vorbild Lessings Nathan des Weisen wird.
Schlau werde ich nicht aus dem Text, aber nachdem das nationalsozialistische Deutschland mit seiner Judenvernichtung Europa zu einem Kontinent werden hat lassen, der sich selbst nicht mehr kennt, liegt das wohl weniger an dem Text als an mir und meiner Post-Holocaust-Sozialisierung. Der Text ist ein totes Zeugnis einer vergangenen Zeit. Und das ist zutiefst zu bedauern. Es hätte was zu diskutieren gegeben.