Steve Coll - The Bin Ladens
29.06.2018 um 21:50Der Pulitzer-Preis-Journalist Steve Coll hat nach jahrelangen Recherchen und Interviews ein Buch über die Familie Bin Laden veröffentlicht, das durchaus als Standardwerk gesehen werden kann. Es ist kein geschichtswissenschaftliches Buch, Coll ging nicht in Archive, aber als Sachbuch ist es sehr akribisch recherchiert und vollzieht den Aufstieg des Jemeniten Mohamed bin Laden in Saudi Arabien während der 1950er Jahre unter König Abdul Aziz Saud zum Baulöwen sowie die Entwicklung der Familie und der Firma unter Mohameds Nachfolgern nach.
Aufgrund der Informationsdichte stelle ich meine Notizen in diesen Spoiler
Osama wächst bei seiner Mutter mit ihrem neuen Ehemann auf. Modest, aber als bin Laden Quelle des Reichtums. Die Syrerin Alia bekam ihn mit 15. Sie stammt aus Latakia, ihre Familie war sehr arm. Osama war aber immer anerkannter Sohn von Mohamed, der auch sein Vorbild war: er arbeitete gemeinsam mit seinen Untergebenen.
Nach dem Tod seines Vaters lebt Osama bei seiner Mutter in Jeddah, seine Schule wird Al-Thaghr. Er besucht einen Korankurs bei einem syrischen Muslimbruder. An der Universität in Jeddah setzt er dies fort. Studienfach Wirtschaft und Management, wohl ohne Abschluss.
In der Firma kommt er in die Büros von Mecca und Medina. Er ist technisch begabt und strebsam.
Sein politischer Antisemitismus und Antiamerikanismus stammt vom Krieg 1973, als die USA Israel unterstützten.
Mecca-Aufstand November 1979 von Islamisten ... Osama war der Meinung, dass ein Blutvergießen nicht nötig war.
80er Jahre... Grundeinkommen von ca. 150000 USD jährlich. Mehrere akademische Ehefrauen. Leiter des Mekka-Büros. Erfahrung in dynamitlosem Abriss unter Zuhilfenahme der Gravitation.
Anfang der 80er Jahre ist Osama Bote für Spenden an die Mudschahidin in Afghanistan. Kontakt zu pakistanischen Moslembrüdern. Sein Mittelsmann war der aus Westjordanien stammende Islamgelehrte und Freund Abdullah Azzam, der an der Universität Islamabad saudischen Einfluss erhöhen sollte. In Peschawar wird ein Zentrum zur Koordination Freiwilliger eingerichtet. Osama spendet Geld, die Bin-Laden-Organisation stellt Baugerät.
Azzam sieht den afghanischen Krieg und Palästina als Teil eines millenarischen Angriffs der Ungläubigen gegen den Islam. Diese Übergriffe zurückzuschlagen sei muslimische Pflicht. Für Osama war der Libanonkrieg 1982 eine der Quellen seines übersteigerten Hasses gegen Israel und die USA.
Kopf der Familie war Salem, er führte das Bauunternehmen weiter, installierte das saudische Telefonsystem, war Internationaler Netzwerker, Dandy, Jetsetter, hatte ein Standbein in Florida und Zugang zum König wie zur Elite von Florida und Texas. Bakr ist der Bruder, der ihn stützt. Die weiteren Brüder waren die Arbeitstiere, welche die konkreten Projekte leiteten.
Yeslam ist jüngerer Halbbruder, Uniabsolvent in Kalifornien, Börsenbroker mit einer Schweizer Frau. Schon in den 80er Jahren nutzte er Computer für Börsenhandel.
1986 gründete Osama einen Stützpunkt an der pakistanisch-afghanischen Grenze. Damit wird nicht nur ISI, sondern auch Azzam umgangen. Salem versucht in den USA Stinger zu kaufen, was nicht gelingt. Osama predigt, dass die USA mit ihrem Geld Israel finanziere. An der Grenze errichtet er Festungsbauten. Dass Osama Handlanger der CIA war, dafür gibt es keine Hinweise. Er selbst spricht von gemeinsamen Interessen. Der saudische Geheimdienst GID hatte Kontakt zu Osama, Gelder flossen aber nur zu ISI, was Zeugen jedoch bestreiten. Unterstützung kam für seine Bauarbeiten.
Im April 1987 griff die SU Osamas Stützpunkt in Jaji an und er etabliert sich als Militärführer.
Am 28.5.88 starb Salem bei einem Absturz mit einem Ultralight-Flugzeug in Kitty Hawk. Bald nach seiner Hochzeit mit einer Engländerin. Bakr übernimmt die Führung der Familie. Männliche Familienmitglieder werden mit etwa 18 Mio. Dollar ausbezahlt und die Bin Laden Group wird gegründet, auch Osama ist Teilhaber.
Osama war in Afghanistan mit dem Ende der sowjetischen Intervention konfrontiert. Der Kampf wurde zu einem Bürgerkrieg. Nach Abnabelung von Azzam und den Muslimbrüdern unter ägyptischem Einfluss gründete er seine eigene arabische Jihad-Organisation: Al Qaeda Al-Askariya ... Die Militärbasis. Alleinstllungsmerkmal war die globalisierende Ummah, Geld und administrative Organisation sowie Nutzbarmachung von Technologie. Diese Tugenden gehen auf seinen Vater zurück.
Azzam wird ermordet und Osama kehrt mit seiner Familie nach Jeddah zurück.
nun unterstützt er die Rebellion in Südjemen und möchte sie auch nach der Vereinigung fortsetzen. Die US-Unterstützung beim Kuweit-Konflikt lehnt er ab und will seine Afghanistan-Kämpfer andienen. Dennoch kassiert er die Dividenden der BLG aus den Bauaufträgen der US-Armee. Ähnlich auch bei seiner Ablehnung von Zinsen: Diejenigen der Schweizer Bank, auf der Sicherungseinlagen gebunkert sind, kassiert er.
Am 1. Mai 1991 geht Osama ins Exil, da er eine Säkularisation Saudi Arabiens befürchtet. Jihad könne in Saudi Arabien nicht geführt werden, nur in kommunistisch regierten Ländern wie Afghanistan oder Jemen. Stützpunkte sind Pakistan und der Sudan. Sein Geld aus der Schweiz hat er abgezogen, von nun an verwendet er ausschließlich das islamische Bankensystem.
Im Sudan baut er sein eigenes Unternehmen auf, baut unter anderem Straßen, hält aber auch Kontakt zu Al Qaeda-Kämpfern. Für Bosnien hält er 1992 gegen Kroaten militärische Unterstützung für wichtiger als die Finanzspenden, die in Saudi Arabien organisiert werden. Appelle zur Rückkehr von seinen Brüdern fruchten nicht.
Neben Bautätigkeiten hat Osama Pferdezuchten und Ölplantagen, auch unterstützt er etwa 1000 ehemalige Afghanistankämpfer. 1993 kam er im Zuge der Ermittlungen zum WTC-Anschlag in Verdacht der Terrorismusfinanzierung. Schließlich werden ihm die saudische Staatsbürgerschaft und der Zugang zum saudischen Vermögen entzogen. Auch seine Familie distanziert sich von ihm.
Nun beginnt er mit der Organisierung des Dschihad in Von Apostaten oder Fremden beherrschten muslimischen Ländern wie Ägypten, Jemen, Äthiopien Somalia, Libyen, Tadschikistan, Bosnien. Auch schließt er sich der saudischen Exilopposition an und eröffnet in London ein Büro: Committee for Advice and Reform, über das er unzählige Pamphlete per Fax verteilen ließ.
Währenddessen schwand sein Vermögen dahin, eine Frau und sein ältester Sohn verließen ihn. Da die USA Druck auf den Sudan ausübten, damit Osama Khartoum verlasse, wird dieser Staat immer mehr sein Hauptfeind. Im Mai 1996 wurde er aus dem Sudan rausgeschmissen und ging nach Afghanistan. Sein Zorn richtet sich nun gegen die USA.
November 1995: Acar-Bombe gegen US-Einrichtung. Attentäter berufen sich auf Schriften Osamas.
Fahd erleidet einen Schlaganfall und die Beziehung zu den USA verschlechtert sich. Die Saudis weigern sich Informationen über Osama, der einen immer gewaltsameren Weg einschlägt, herauszugeben, um die Finanzierungswege zu den afghanischen Rebellen nicht herauszugeben.
Bakr investiert in Motorolas Iridium, Osama nähert sich den Taliban und residiert mit seiner Familie in Kandahar. Dort vertieft er sich in Verschwörungstheorien, dass die USA Anführer von Juden und Kreuzfahrern seien, welche den Islam zerstören wollen.
Anfang 1998 knüpft er erneut Verbindung mit Ayman Al-Zawahiri von der ägyptischen Al Jihad. NSA und CIA tracken sein Inmarsat-Telefon, können aber aus den verschlüsselten Begriffen keine Schlüsse ziehen. Am 7. August attackiert Al Qaeda die US-Botschaften in Kenia und Tansania. Koordiniert waren die Anschläge per Satellitentelefon. Als Reaktion versucht Clinton vergeblich Osama mit Cruise Missiles auszuschalten, dieser dreht das Satellitentelefon ab, da er ahnt, abgehört zu werden. Bei radikalen Muslimen wurde Osama ein Superstar.
Die CIA versucht die Finanzwege Osamas nachzuvollziehen, scheitert aber oft an Hindernissen wie dem Verbot dort zu recherchieren, wo US-Bürger involviert sein könnten. Auch das FBI kommt innerhalb der USA nicht voran. Nicht zuletzt wegen diplomatischen Schutzes wie der Neffe Osamas, Abdullah, der eine radikal antisemitische muslimische Jugendorganisation leitete, welche der Muslimbruderschaft nahe stand.
Mögliche Finanzierungswege waren die Bank Al-Taqwa, in die Osamas Halbbruder Ghalib investierte, und die Hilfsorganisation Blessed Relief von Yasin Al-Qadi, der gemeinsam mit Bin Laden in südafrikanische Diamantenminen investierte.
FBI und CIA erkannten die Geldflüsse aus Spendengeldern nicht. Die CIA schätzte das private Vermögen Osamas mit 300 Mio. USD viel zu hoch. Daraus wurden falsche Strategien abgeleitet. Das FBI hätte die richtigen Zahlen gehabt, die verstreuten Akten wurden jedoch nicht analysiert.
Währenddessen führt Bakr in den 90er Jahren die Bin Laden Group zu einem internationalen Player in Bauwesen und Medizinausstattung. Nach den Afrikaanschlägen seines Bruders verstärkte er seine Westkontakte: Prinz Charles, Bush sen. via Carlyle, Jimmy Carter via Spenden für dessen Flussblindheit-Stiftung.
Osama begründet den Anschlag auf die USS Cole damit, dass die USA in einen Krieg gegen Afghanistan gezogen werden sollen, um den Dschihad ausrufen zu können. Die Idee des Anschlags mit Flugzeugen stammte von Khalid Sheikh Mohammed, der zehn Flugzeuge vorsah. Osama reduzierte das Spektakel, um eine logistische wie finanzielle Durchführbarkeit zu sichern.
Während Bakr und Yeslam bin Laden bzw. das saudische Königshaus 9/11 verurteilten, sprach der saudische Innenminister Nayef noch im Dezember 2002 von einer zionistischen Verschwörung zur Diskreditierung des Islam.
Am 19. September wurden alle in den USA lebenden Familienmitglieder außer Abdullahin einem Sammelflug ausgeflogen.
Osama rechnet nach den Anschlägen akribisch die wirtschaftlichen Verluste der USA aus und in einem Interview mit Al Jazeera rechtfertigt er den Tod von Frauen und Kindern als Rache für die Ermordung von Frauen und Kindern durch die USA. Es gebe keinen Frieden mit Juden und Amerika. Aus diesem Grund sei Mohamed geschickt worden.
In Saudi Arabien findet Osama Sympathisanten unter Theologen wie im einfachen Volk.
Die Familie kämpft gegen Sippenhaftung, lebt außerhalb der USA bzw. Europas, zum Teil in Ägypten, kann sich aber behaupten, da ein Geldfluss zu Osama nicht nachweisbar ist. Auch erhält die Bin Laden Group weiterhin Großaufträge vom Königshaus.
Von den etwa 25 Kindern Osamas leben nur noch einige in Afghanistan und diese unterstützen dessen Dschihad. Auch die meisten Frauen sind in Saudi Arabien.
Informationslinks zum Buch sind in diesem Spoiler
Wikipedia: Steve Coll (Deutsch)
Wikipedia: Steve Coll (Englisch)
https://www.penguinrandomhouse.com/books/296611/the-bin-ladens-by-steve-coll/9780143114819/
http://www.spiegel.de/international/world/spiegel-interview-with-us-author-steve-coll-osama-bin-laden-is-planning-something-for-the-us-election-a-544921.html
https://www.nytimes.com/2008/04/01/books/01kaku.html
https://www.theguardian.com/books/2008/may/11/biography.culture1