emerson

Einer der am meisten rezipierten Essays des US-amerikanischen Philosophen Emerson aus dem Jahr 1848, welcher den amerikanischen Individualismus an seine Grenzen ausreizt, sodass mich der Text streckenweise an ein Freeman-Manifest erinnert.

Emerson wird wegen der Überhöhung des Ichs gerne mit Nietzsche verglichen, seine Wurzeln liegen aber bei Kant und einer verkürzten, fast vulgarisierten Auslegung dessen kategorischen Imperativs, der besagt, dass das eigene Handeln stets so sein soll, dass es auch allgemeines Gesetz sein könnte.

Der Essay heißt im Original Self-Reliance und wird je nach Übersetzung mit Selbständigkeit, Vertraue dir selbst oder Selbstvertrauen übersetzt.

Jedes Individuum findet nach Emerson das Wahre nur in sich selbst. Und da jedes Ich transzendent eine Manifestation der Natur und Gottes ist, benötigt es weder Regeln der Gesellschaft noch eine Nachahmung der Ideale aus der Vergangenheit. Zu jeder Zeit kann ein Mensch aus sich selbst Großes schaffen und Großes kann nur entstehen, wenn ein Einzelner es aus sich selbst erschafft.

Für die Kunst bedeutet dies, dass Epigonentum abzulehnen ist. Die Vorbilder sind weder in der Vergangenheit noch bei anderen zu suchen.

Bedenklicher wird dieser Ansatz für seine Gesellschaftstheorie. Eine seiner Grundaussagen ist, dass Natur nichts duldet, was sich nicht selbst erhalten kann. Daher lehnt Emerson jegliche soziale Unterstützungen ab, sogar Almosen und Spenden, auch wenn ihm selbst dies in seinem persönlichen Leben nicht immer gelinge, ein Ziel sei es allemal.

Die ideale Lebensform für Emerson ist letztlich die Einsiedelei, selbst dann wenn man Familie hat (auf die keine Rücksicht genommen werden soll) oder in einer Stadt lebt. Der Begriff Selbstvertrauen wird schließlich auseinandergerissen zu einem "Vertraue (nur) dir selbst", oder im Englischen zu "Self-Reliance".

Emerson selbst lebte fast Zeit seines Lebens auf einem kleinen geerbten Landgut (obwohl er in seinem Essay Erbschaften ablehnt).

In der zeitgenössischen Literatur fanden die Ideen Emersons Einschlag in Herman Melvilles Moby Dick. Melville schätzte Emerson sehr hoch, aber mit Kapitän Ahab zeigt er auch die Nachtseiten eines übertriebenen Egotismus.

http://gutenberg.spiegel.de/buch/essays-erster-teil-7606/3
http://www.literarymatters.org/1-2-melville-anti-transcendentalism-democracy-moby-dick-as-a-cautionary-tale/