Die antisemitischen Hassausbrüche in ganz Europa sprechen für sich. Mit Kritik an Israel und Donald Trump haben sie nichts mehr zu tun. Das haben allerdings immer noch nicht alle verstanden.
Angesichts brennender Flaggen mit dem Davidstern in der Nähe des Brandenburger Tors und den Judenhass-Gesängen bei zwei Demonstrationen am Wochenende in Berlin ist dem einen oder anderen dann doch der Schreck in die Glieder gefahren. Solche Bilder wütender junger Männer, die „Khaybar, Khaybar, ihr Juden“ brüllen, womit eine einst von den Truppen des Propheten eroberte Oase gemeint ist, und versprechen, dass die „Armee Mohammeds“ kommen werde, zeigen die Nachrichten sonst aus dem Nahen Osten. Jetzt stammen sie aus Berlin. Als bloße Kritik an der israelischen Regierung und dem Schritt des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, Jerusalem als Israels Hauptstadt anzuerkennen, lässt sich das nicht mehr fassen. Es ist der pure Hass. Und es ist eine Machtdemonstration. Es gab sie, auch mit gewalttätigen Angriffen auf jüdische Einrichtungen, in den Tagen seit Trumps Entscheidung in ganz Europa.
Nun ist auch die Politik in Berlin um klare Worte nicht verlegen. Man müsse „sich schämen, wenn auf den Straßen deutscher Städte so offen Judenhass zur Schau gestellt wird“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Was dort zum Ausdruck komme, sei „schändlich“. In diesem Sinne habe sich Politiker der Regierung und Opposition und verschiedener Parteien geäußert und damit wenigstens schon einmal die inständige Bitte der französischen Philosophin Élisabeth Badinter beherzigt, von der an dieser Stelle schon einmal die Rede war und von der sie denkt, dass sie in ihrer Heimat Frankreich ungehört bleibt: Man darf die Juden beim Kampf gegen den Antisemitismus nicht allein lassen, nicht darauf warten, bis sich der Zentralrat der Juden in Deutschland bemerkbar macht, wenn es abermals brennt, sondern muss dem Judenhass entgegentreten, wo immer er sich zeigt und wer immer ihn äußert.
Judenfeindlichkeit sei Menschenfeindlichkeit, schreibt Michel Friedman. Eine demokratische Gesellschaft, ein Staat, dessen Fundament auf dem Grundgesetz ruht, darf einen solchen Rassismus nicht ignorieren, der in der Schule beginnt und sich auf der Straße austobt. Und insbesondere dürfen Journalisten das nicht, so sie ihrer Aufgabe als vermeintlich „vierte Gewalt“ gerecht werden wollen. Das allerdings verstehen nicht alle, die sich zum Berufsstand zählen, wie man auf dem Twitter-Konto des Verlegers und „Spiegel“-Kolumnisten Jakob Augstein nachlesen kann.

Nach den Hassausbrüchen in Berlin befand er es für nötig, darauf hinzuweisen, dass das Verbrennen ausländischer Fahnen „nicht grundsätzlich verboten“ sei. Man möge doch einmal einen Blick ins Strafgesetzbuch, Paragraph 104 werfen. Dieser beschreibt, dass die Verletzung von Flaggen und Hoheitszeichen ausländischer Staaten strafbar ist, wenn es sich um „auf Grund von Rechtsvorschriften oder nach anerkanntem Brauch öffentlich gezeigte“ Flaggen eines ausländischen Staates oder um ein Hoheitszeichen „eines solchen Staates, das von einer anerkannten Vertretung dieses Staates öffentlich angebracht worden ist“, handelt. In Paragraph 104a heißt es, dass die Taten nur verfolgt werden, „wenn die Bundesrepublik Deutschland zu dem anderen Staat diplomatische Beziehungen unterhält, die Gegenseitigkeit verbürgt ist und auch zur Zeit der Tat verbürgt war, ein Strafverlangen der ausländischen Regierung vorliegt und die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt“. Was uns der Twitterer mit diesem Hinweis wohl sagen will? Ein Schelm, wer dabei an vermeintlich feinsinnigen Antisemitismus denkt.
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/verbrannte-flaggen-und-twitter-judenhass-in-deutschland-15337495.html