Zwei meiner Kurztexte habe ich bis jetzt noch zurückgehalten, da sie jeweils Teilnehmer eines Wettbewerbs der Westfälischen Nachrichten waren und ich mir eine Disqualifikation durch Veröffentlichung im Vorfeld nicht erlauben wollte.

Die Wettbewerbe sind vorbei, es ist nichts drauß geworden und so kann ich sie jetzt in den Blog stellen.


Tatsächlich dreht sich der folgende Text noch um den Japantag von vor 2 Jahren.

Thema des Wettbewerbs war: "Heimat"

Im Fokus dieser Erzählung,steht eine verhältnismäßig exotische Heimat, wie ich sie für mich empfinde. Sie liegt fernab meines tatsächlichen Wohnortes und kann als Zufluchtsstätte mit Heimatfeeling angesehen werden.

Ich nehme Sie mit zum Japantag, wir schreiben den 30.05.2015. Von einem kleinen Dorf in NRW aus, fahre ich nach Düsseldorf. Der Zug ächzt genau wie seine Fahrgäste schon nach wenigen Stationen unter seltsam aussehenden Gestalten. Monster und Helden aus einer fremden, exotischen Welt drängen sich durch die Flure der Waggons. Manche müssen doppelt aufpassen um ihre überdimensionalen Styroporschwerter nicht gegen andere Personen rasseln zu lassen. Schiefe, fragende Blicke von normalen Reisenden, die keine Ahnung haben, dass heute die größte Ansammlung einer Gemeinschaft von Freaks mit Vorliebe zur asiatischen Kultur zusammentrifft. Cosplay nennt man das. Ich stehe mittendrin – und ich liebe es!
Abseits der Normalität, am Rande des gesellschaftlichen Verständnisses, stechen meine Freunde unverblümt hervor. Ich kenne keinen von ihnen, nicht den Menschen dahinter – aber die Figuren, die sie verkörpern sind auf eine Art und Weise mit mir befreundet, wie es sonst nur ein Kind mit seinen Superhelden ist.
Nach einer kleinen Ewigkeit und einem Stöhnkonzert bei jedem Halt, sind wir endlich da.

Düsseldorf, das Zentrum dieses eintägigen Wahnsinns. Pikachu, Mario, Ichigo und all die anderen mühevoll zum Leben erweckten Fantasiewesen treten ihre Pilgerreise an. Die Meisten von ihnen werden zur Uferpromenade gehen. Dort ist das Ballungsgebiet der Selbstdarsteller und Derjenigen wie mich, die sie ablichten wollen. Den Hauch einer entfernten, aber doch so vertrauten Welt in einem Foto einfangen. Für den heutigen Tag hatte ich mir extra blaue Haare mit spezieller Kreide zugelegt – schon jetzt laufen mir die ersten Rinnsale blauer Farbe über die Wange. War halt warm im Zug.
Im bunten Gewusel finde ich schließlich, wonach ich suche: meine weibliche Begleitung, mit einer Spiegelreflexkamera bewaffnet. Sie verfolgt die gleiche Mission wie ich.
Nach kurzen Startschwierigkeiten (6 Euro für ein Schließfach, ernsthaft?) beugen wir uns liebend gerne dem Strom und machen uns auf zur Promenade. Uns erwartet ein halbstündiger Gang, der uns aber von den ersten Cosplayern an unserer Seite versüßt wird. Meine Aufregung und Freude wächst und wächst. Diese Großveranstaltung ist ein pures Zuhause für mich. Ich bin mit Animes und japanischen Videospielen aufgewachsen, sie liegen mir sehr am Herzen.
Die wohl größte Herausforderung in der Grundschulzeit war es, alle 150 Pokemon zu fangen. Digimon hat mich gelehrt, was Freundschaft für einen Zusammenhalt bedeuten kann und wir Kinder haben uns immer höhere, immer absurdere hypersupermega-Saiyajin Formen einfallen lassen um das Gegenüber zu überbieten.
Diese Welt hat mich seitdem begleitet – und an diesem Tag, dem Japantag, befinde ich mich direkt zwischen ihnen. Ich bin der Welt, die mich seit kleinauf begleitet hat, so nah es die Illusion zulässt. Hier fühlte und fühle ich mich ihr zugeordnet, verstanden und akzeptiert. Eben alles, was eine Heimat einem zu bieten hat.

Als wir endlich ankommen, halten wir beide nicht mehr still. Es wird losgeknipst was geht. Zusammen haben wir später 114 Bilder. Das klingt wenig, aber daran waren die Umstände schuld. Es ist eine halbe Stunde her, seit wir angekommen sind und fleißig, aber schüchtern, am Ablichten sind.
Oben verkaufen sie allerlei Merchandise und essbare Spezialitäten. Auch eine Bühne vom ADAC gesponsert sorgt für Unterhaltung und gewisse Mangaka – also berühmte Comiczeichner – stehen zu Autogrammen und Umarmungen zur Verfügung. Uns lässt das kalt, wir wollen den japanischen Karneval weiter unten genießen.
Ebenfalls eine besondere Attraktion ist eine fast schon familiäre Angewohnheit einiger Besucher. Kostenlose Umarmungen, meist sogar durch ein beschriftetes Schild am Körper dafür ausgewiesen. Ja, die Japan-Fans bieten sich untereinander zur unverfänglichen Umarmung an. Das muss man unserer Ellenbogengesellschaft erstmal erklären.
Tatsächlich wird dieses zwischenmenschliche Angebot sehr gut aufgenommen. Es finden sich regelrechte Warteschlangen bei einer Aufstellung von Umarmern.
Das ist allerdings bei aller Herzlichkeit nichts für mich, ich schaue lieber durch die Linse auf die realgewordenen Animefiguren.

Der Wind weht eine kalte Brise und ausgerechnet während wir unten am Ufer entlanggehen, erleichtern sich die Wolken über uns.
Für 10 Minuten ist es, als fege ein Sturm aus Regen und Ansätzen von Hagel über den Japantag. Meine Begleitung und ich sind komplett durchnässt. Meinem Gesicht zufolge bin ich entfernter Verwandter von Papa Schlumpf.
Ziellos und hoffnungsarm streifen wir durch mehrere Straßengassen, überlegend ob die geringe Chance besteht in diesem Zustand einen gelungenen Tag zu erleben. Der Mut erstickt, wir entscheiden, dass der Japantag gelaufen ist.

Innerlich weinend, machen wir uns auf den Weg zu ihr. Vorher noch das Schließfach besuchen, welches mein Gepäck brav vielleicht Anderthalb Stunden für 6€ behütet hat.
In ihrer Wohnung angekommen stelle ich fest – Heimat kann auch in der Gastfreundschaft der besten Freundin und einem trockenem Handtuch liegen.





Die zweite Geschichte ist im Rahmen des Themas "Stärke zeigen - Mut beweisen" entstanden und trägt den Titel

Mut zum Fehler

Als Max vor meiner Haustür stand, wurde es mir mulmig. Ich hatte den Krankenwagen erwartet, den ich vor zehn Minuten bestellt hatte. Jetzt stand stattdessen einer der drei Männer vor mir, wegen dem ich ihn rief. Mit einem seltsam verzogenem Grinsen sah er mich an, als er fragte: „Darf ich kurz hereinkommen? Ich möchte mit dir sprechen.” Ich wollte ihn anbrüllen und ihm die Tür vor der Nase zuknallen, aber ich hatte Angst. Angst, dass er die Tür aufhält und mich endgültig mundtot machte. Das, was er mit dem Gespräch sicherlich ohnehin vorhatte.
Zu Boden sehend, presste ich ein „Ja...” heraus und verfluchte mich innerlich selbst dafür.
Ich bot ihm kurz und knapp einen Platz im Wohnzimmer an und hoffte inständig der Krankenwagen käme gleich um die Ecke. Zeugen, es brauchte Zeugen!
Er besah sich meines blauen Auges und der aufgesprungenen Lippe: „Da haben wir dich ganz schön zugerichtet...” Es kochte in mir vor Wut und auch vor Panik – was sollte das jetzt?
Ich erwiderte nur äußerst kleinlaut: „Mhm...”
Max zögerte, rutschte unruhig auf seinem Hintern hin- und her.
Endlich sprach er es aus: „Du... was Dennis und Kevin... und ich da abgezogen haben, das war echt richtig große Scheiße. Die Jungs haben so ihre Egoprobleme und ich... weißt du... ich bin eigentlich nicht so.” Säuerlich kam es in mir hoch: „Dafür kannst du aber ordentlich zuschlagen!” Der schmerzliche Stich an meiner Lippe ließ mich diese hastige Bewegung sofort bereuen.
Max zitterte plötzlich, legte die Hände in Falten: „Ja, ich weiß. Es tut mir unendlich leid und wenn du willst, sage ich für dich aus. Die zwei dürfen mit Anderen nicht länger so umgehen und ich halte es auch nicht mehr aus, da mitzumachen!”
Plötzlich sah ich es. Er grinste mich nicht aus Hohn an, sondern aus Scham!
Es stotterte aus mir heraus: „Du, du willst mir helfen?! Aber sie werden dich dann auch im Visier haben! Ich meine...”
Der Schläger lachte nervös: „Ich bin mir dessen bewusst, doch es ist Zeit, dass ich die andere Stärke fernab meiner Körperkraft nutze. Zu meiner Tat zu stehen und für die Gerechtigkeit einzustehen, das liegt mir am Herzen. Nicht die Jungs und ihre Launen.”

Ich war sprachlos. Es erforderte Mut sich gegen diese Typen zu stellen. Endlich klingelte es. Der Krankenwagen war angekommen.