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Alexander Dugin - Last War of the World-Island
07.01.2017 um 17:43Dugin ist bekannt als Proponent des Eurasienskonzepts und als dieser hofiert von der extremen europäischen Rechten bis hin zu Vertretern der linken griechischen Syriza. Doch was steckt hinter seinen Ideen? Dieses Buch gibt mehr als eindeutig Aufschluss über das ideologische Grundgerüst Dugins.
Das hinter seiner Ideologie stehende Konzept ist die Heartland-Theorie des britischen Geographen und Geopolitikers Halford Mackinder, welcher die Welt in drei Sphären einteilte:
1. Die Weltinsel (Asien, Europa, Afrika)
2. Die küstennahen Inseln (darunter GB und Japan)
3. Die küstenfernen Inseln (darunter der Kontinent Amerika)
Weiters postuliert er, dass es nur zwei Arten von Hegemonialmächten gibt:
1. Seemächte
2. Landmächte
Bezüglich der Weltherrschaft postuliert Mackinder 1919:
„Who rules Eastern Europe commands the HeartlandNäheres: Wikipedia: Heartland-Theorie
Who rules the Heartland commands the World Island
Who rules the World Island commands the World."
Wer über Osteuropa herrscht, beherrscht das Herzland.
Wer über das Herzland herrscht, beherrscht die Weltinsel.
Wer über die Weltinsel herrscht, beherrscht die Welt.“
– Mackinder, Democratic Ideals and Reality, S. 106
Darauf aufbauend konstatiert Dugin, dass die beherrschende Landmacht seit über 1000 Jahren den eurasischen Kontinent dominiert hat und dies die geopolitisch historische Aufgabe Russlands sei. Ein Zerfall Russlands hinterließe nur noch eine Weltmacht, die Seemacht USA.
Das gegenwärtige Russland muss nach Dugin in der Tradition der Awaren, des Kiewer Rus, des Moskowiter Herzogtums, des russischen Zarenreichs und der Sowjetunion stehen, die alle eines gemeinsam hatten, sie weiteten die Einflusssphäre des Heartlandes aus und erfüllten somit eine geopolitisch historische Aufgabe.
Auch schreibt Dugin den verschiedenen Zivilisationen, wie er sie nennt, unterschiedliche ideologische Konzepte zu, die er letztlich als nicht kompatibel sieht.
Seemacht USA: Materialismus, Liberalismus, Individualismus, freier Handel, parlamentarische Demokratie, Pressefreiheit, Menschenrechte
Landmacht des Heartlandes:
- conservativismWir haben hier also ein totalitäres Wertesystem, das konservative Ganzheitlichkeit, Opferbereitschaft, Loyalität, Treue und asketische Bedürfnislosigkeit einfordert, damit ein kollektives Ziel erreicht wird. Die Gemeinschaft ist höher gestellt als das Individuum, und - wie Dugin mehrfach betont - die beste Repräsentation der Gemeinschaft ist eine starke Regierung, welche die geopolitischen Ziele der historischen Mission "Landmacht" umsetzt.
- holism
- collective anthropology (the narod is more important than the individual)
- sacrifice
- an idealistic orientation
- values of faithfulness, asceticism, honor, and loyality
(S. 22)
Auf Basis dieser Theorie klopft Dugin die russische/sowjetische Geschichte ab 1917 ab, inwiefern die geopolitisch historische Mission erfüllt worden ist, wobei der Gegenspieler immer die Seemacht USA ist.
Eine vergebene Chance, eine dominierende Seemacht USA verhindern zu können, sieht Dugin in den aufkommenden Faschismen in Mitteleuropa der 20er und 30er Jahre. Eine Querfrontkoalition zwischen stalinistischem Russland und faschistischem Mitteleuropa hätte Hitler mit seinem rasenden Antikommunismus und Antisemitismus versemmelt, als Stalin bereits mit dem Ribbentrop-Molotow-Pakt die Chancen erkannt hätte.
Nicht nur einmal werden Querfrontpolitiker sowohl von kommunistischer als auch faschistischer Seite positiv hervorgehoben, darunter Karl Radek oder auch Rudolf Hess (als Freund des mit Mackindle hochvertrauten Karl Haushofer).
Die faschistischen Ideologien Mitteleuropas nennt Dugin verniedlichend auch den "dritten Weg" (also zwischen Ideologien der Land- und der Seemacht), und am Ende des Kapitels über das Yalta-Abkommen, welches die Nachkriegsordnung festlegte, schreibt Dugin:
Geopolitically, this meant the establishment of a planetary balance between the global thalassocratic and capitalist West and the equelly global tellurocratic, Communist East, extendig far beyond the limits of the USSR. Moreover, the third force, represented by the European continental center and the ideology of "the Third Way" vanished for good (or at least to the present day).Die in Klammern gesetzte Beifügung (2012 geschrieben) erinnert daran, mit welchen politischen Kräften in Westeuropa Dugin fortlaufend Kontakt sucht und mit welchen politischen Kräften der im Augenblick sehr auf Basis der eurasischen Theorie agierende Putin Bündnisse sucht und abschließt.
(S. 53)
2012 war Dugin noch unsicher, in welche Richtung Putin gehen werde, auf jeden Fall habe er den Zerfall Russlands gestoppt und sei auch bereit gewesen, außerhalb Russlands geopolitische Interessen durchzusetzen (2008 in Georgien). Auch habe Putin 2007 in München sich eindeutig für eine starke eurasische und eigenständige russische Politik ausgesprochen. Dugin fordert Taten ein.
Putins Münchner Rede von 2007 im Wortlaut in deutscher Übersetzung:
https://de.sputniknews.com/meinungen/2007021360672011/ (Archiv-Version vom 30.08.2017)
Die Erkenntnis dieser Lektüre ist, dass sich die Eurasien-Ideologie nicht in den Kategorien eines ethnopluralistischen Puppenstuben-Nationalismus (jedem Völkchen sein Schrebergärtchen) einordnen lässt, sondern eine imperialistische russische Strategie ist, welche die Vorherrschaft Russlands im eurasischen Raum anstrebt.
Und wie Nicht-Russen gesehen werden, zeigt sich auch in Dugins Sprache. In der Russischen Föderation leben "Russians" und "people of The Russian Federation". Selbstbestimmung oder gar nationale Eigenständigkeit werden abgelehnt, alles hat sich den Grundwerten der Landmacht (siehe oben) zu unterwerfen.