Was heben dort die Schwane die Schwingen silberweiß?
Es blähen Schiffe die Segel, und fliegen durch schwimmendes
Eis. Aus Norwegs schönen Gauen, aus der Heimat traut und lieb,
Die starken Nordlandshelden der kecke Harald trieb.

Da steuern sie durch Oeden der Meereswüste hin,
Die Frauen und Kinder klagend, die Männer mit starrem Sinn,
Von Hoffnung neuer Heimat das Heldenherz erfüllt;
Die Priester sitzen und schweigen, die Häupter tief verhüllt.

In Norweg ging die Sage: Im fernen Westen ruht
Ein grüner Göttergarten, umrauscht von Meeresfluth.
Den suchen die Nordlandshelden, entfliehend bitt'rer
Schmach, Und reiten auf Segelrossen der sinkenden Sonne nach.

Nach langer Fahrt in Nächten vom Mond uns Eis erhellt,
Nach Kämpfen mit den Mächten der finstern Wasserwelt,
Hebt sich die Felseninsel vor den Männern stark und kühn,
Geschmückt mit Eiseskronen, mit Wäldern und Wiesengrün.

Da grüßen sie mit Jubel das langgehoffte Land,
Da schwimmen die Meeresrosse lustbrausend an den Strand,
Es fliegen Flocken und Hagel herab vom hohen Nord,
Die kühnen Kämpfer springen an den eisumwallten Bord.

Die greifen Priester stehen mit ernstem Blick am Meer,
Und alle die hohen Recken erwartend um sie her.
Zum Opferaltar dann wälzten und wölbten sie Stein auf
Stein, Und gruben Runenzeichen voll tiefer Deutung ein.

Und Dämmerung schattet düster, und nieder sinkt die Nacht,
Da wird den guten Göttern das Opfer dargebracht;
Es rauschen die weißen Wogen, des Waldes Wipfeln beugt
Ein wunderbares Wehen, das von Götternähe zeugt.

Nun tönen Runenlieder von wunderbarem Klang,
Ist's Schall der Wellenbrandung? Ist's menschlicher Gesang?
So dumpf und hohl, so schaurig, mit so furchtbarem Schall!
Die Asen müssen's hören im seligen Wallhall.

Da zittert über Bergen, bedeckt mit ew'gem Schnee,
So tiefe Nacht umhüllet, ein Schimmer in die Höh'.
Der Schimmer wird zur Flamme, die Flamme wird zum Brand,
Ein Feuermeer erscheinet jetzt Himmel, Meer und Land.

Ha! das sind Asgards Strahlen, ha, das ist Odins Licht!
Seht ihr die Blutgewebe dort der Walkyren nicht?
Auf Feuerrossen reitet aus Asgards Thor die Schaar,
Am Himmel zischen die Schwerter laut der Einheriar.

Und aus dem Feuermeere, dort, was am hellsten glüht,
Wo von Lidskialfs Throne Odin herniedersieht,
Da schwingen sich zwei Raben, lebend'gen Strahlen gleich,
Und schießen blitzschnell nieder aus Asgards lichtem Reich.

Die schweben über'm Opfer. — Mit Staunen sieht die Schaar,
Wie sich durch seine Boten Odin macht offenbar,
Dann lassen sie sich nieder, wo sich ein Hügel hebt,
Und schlagen mit den Flügeln, und sind davon geschwebt.

Hinauf, wo Feuerfluthen und Farbenblitze sprüh'n,
Wo hoch des Himmels Wolken wie Morgenpurpur glüh'n,
Wo Thor, der Gott, gewettert, dort schwinden sie im Licht,
Die Helden sinken erschüttert hin auf ihr Angesicht.

Hier gründet Odin's Tempel!" ruft laut der Priester Mund:
„Auf dieses ihm geweihten hochheil'gen Hügels Rund!
Gegeben ist ein Zeichen, es gibt der Asen Hand
Uns Fremdlingen zu eigen dies Asgard gleiche Land!" —

Nun wohnen die Geschlechter der Helden lange Zeit
Auf Islands schöner Insel, erblühend in Herrlichkeit;
Die Königen entsprossen, sie haben sich dort vermehrt,
Dort werden die hohen Götter in Hainen still verehrt.

Und dreimal hundert Jahre versanken in's Zeitenmeer,
Nie wurden die Götteraltäre von Opferspenden leer.
Und dreimal hundert Jahre verrauschten wie Windesweh'n,
Da sollten die Götter fallen, und Asgard untergeh'n.

Es saß ein blinder Skalde, die Harfe in der Hand,
Auf meerumspülter Klippe, hoch über'm niedern Strand,
Die greisen Locken wallen, der Winde loses Spiel,
Aus den erlosch'nen Augen manch' heiße Thra'ne fiel.

Und durch die Saiten rauscht es, wie Geisterweisen leis,
Tief unten murmeln die Wellen, hoch oben sitzt der Greis;
Und seine Stimme stieget herab vom Felsenhang,
Und in der Harfe Klänge mischt er den ernsten Sang:

„Vorüber ach, vorüber
Ist nun die alte Pracht;
O wär' ich schon hinüber,
Wo Gläsirs Lenz mir lacht!

O müßt' ich nimmer schauen,
Was sich im Ost erhebt,
Drob ahnungsvolles Grauen
Mir durch die Seele bebt!

Die Götter werden weichen
Von ihrem Thron im Licht
Vor einem neuen Zeichen,
Und Asgard fällt und bricht.

Kein Lied wird mehr erklingen,
Verderben wird uns nah'n!
O schlänge, die es bringen,
Hinab der Ozean!"

So sang der blinde Skalde hoch oben über'm Strand,
Da sank die bleiche Sonne hinab am Himmelsrand,
Als sei sie wandelnsmüde, und woll' im Meere nun
Sich tief im Dunkel betten, und lange, lange ruh'n. —

Und fremde Schiffe kommen, mit Kriegern angefüllt
Ueber's dunkle Meer geschwommen, mit Finsterniß umhüllt.
Und fremde Schiffe landen, der wilde Thangbrand naht,
Und die Felsenufer zittern, wie sie sein Fuß betrat.

Und eine neue Lehre von dem dreieinen Gott
Verkündet er dem Volke, häuft Asgards Göttern Spott,
In Odins Tempel schleudert er einen Fackelbrand,
Er stürzt von seinem Hochsitz den Gott mit eig'ner Hand;

Die Feuersäulen schlagen zum Himmel hoch empor,
Die Wolken aber färbet ein blut'ges Meteor,
Es fahren zitternde Strahlen, wie Schwerter, in Blut
getaucht. Empor am Nordlandshimmel, der Hekla brüllt und raucht.

Es donnert in den Lüften, es donnert die wilde See,
Es donnert in den Tiefen, von Bergen donnert Schnee.
Durch Feuerwolken lodernd erblickt man Asgards Gluth,
Davon, ach, ist der Himmel, als überström' ihn Blut. —

Fahrt wohl, ihr alten Götter, kämpft euren letzten Streit,
Fenrir ist losgekettet, der wilde Garmur schreit.
Nicht mehr wird Freya lächeln, ihr Blick ein Sonnenstrahl,
Nicht mehr wird Braga singen bei'm seligen Göttermahl.

Was steigt dort aus der Lohe des Surturbrands herauf?
Was schwingt auf kühnen Flügeln zu Wolkenhöh'n sich auf?
Was fliegt herab zur Erde, die der Midgardwurm umschlingt,
Und die Meereswelle aufwühlt und mit dem Tode ringt? —

Ha! das sind Odins Raben, sie sehen den Tempelbrand,
Sie schweben hoch erhaben über'm gluthenhellen Land.
Sie stürzen aus Himmelshöhe sich tief in das Flammenmeer,
Und keiner sah den Tempel, die Raben keiner mehr. —

Fahr wohl, du Zaubergarten, der Skaldenlieder voll,
Wo klar, wie Mimers Bronnen, die heil'ge Sage quoll.
Fahr wohl, du Land der Dichtung, du sel'ger Götterhain,
Du blühst in Eddas Liedern, Unsterblichkeit ist dein!

Ob dich in kalter Ferne umzieht ein Eiseswall,
Ob noch vom Surturbrande erglüht der Heklusial,
Noch reden alte Runen in dunklen Zeichen laut,
Es wurde den stummen Steinen Geheimes viel vertraut.

Fahrt wohl, ihr greisen Skalden, und ewig, ewig wohl!
Eure Wundermähren klangen herab vom hohen Pol.
Eure Harfen sind verklungen, euer Tag hat sich geneigt
Mein Lied ist ausgesungen, auch meine Harfe schweigt.