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Da hat man einen Schriftsteller, der sich selbst als Reaktionär bezeichnet und in rechtsskurrilen Blättern Essays veröffentlicht, und eine begeisterte Kritik in der Zeit, da musste ich zugreifen.

Das Buch spielt Anfang der 90er in Frankfurt/Main, die Protagonisten entstammen der Kunstszene, der Ich-Erzähler ist ein mittelloser promovierter Kunsthistoriker Mitte 30, der von einem Kunsthändler, der eine Pro-Jugoslawien-Konferenz anleiert, geangelt wird, um einen lange verstorbenen bosnisch-kroatischen Maler namens Mestrovic als Zentralfigur aufzubauen. Eines der Rahmenveranstaltungen ist ein Fest in dem Privatgarten eines Dr. Glück, der in seinem Garten eine Blutbuche stehen hat, also das "Blutbuchenfest".

Gegenpol ist eine Putzfrau namens Ivana Mestrovic, eine entfernte Nachkommin des Malers. Kern des Romans ist der Besuch des Ich-Erzählers bei der Familie Mestrovic in Bosnien: ein Gehöft kroatischer Bosnier, umgeben von einem Gehöft mit Bosniaken (muslimischen Bosniern). Vor allem die Darlegung einer arachaischen Welt mit dem sehr späten Einbruch moderner Gegenstände (Fabriksziegeln statt selbstgebrannten Lehmziegeln oder Plastikschüsseln) beeindruckt doch, vor allem wenn man dieses Gebiet selbst - wenn auch viel später - bereist hat.

Das Ende: während des Blutbuchenfests, auf dem Ivana serviert, fliehen gleichzeitig wegen des Ausbruchs von Kampfhandlungen kroatische Bosnier aus ihren Gehöften und Dörfern, ihr Bruder hat in einem Panikanfall einen Bosniaken im Nachbarhaus erschossen. Ivana ist per Mobiltelefon (Anachronismus!) unmittelbar mit ihrer fliehenden Familie verbunden.

Es gibt meiner Ansicht nach noch einen fundamentalen Anachronismus in diesem Roman: die postulierte Affinität westlicher Politik für den Erhalt Jugoslawiens habe ich sehr konträr in Erinnerung - die Anerkennung Sloweniens und Kroatiens als eigenständige Staaten ging sehr rasch. Einen gewünschten Erhalt Jugoslawiens konnte ich damals nicht erkennen.

Insgesamt sehr lesbar, wenn auch für meinen Geschmack zu lange. Besonders die ironischen Passagen über die Frankfurter Kunstszene mäandern schon sehr, da wäre eine radikal kürzende Lektorenhand dienlich gewesen (manche Passagen sind schon sehr erheiternd).

Weitere Infos im Spoiler

Über den Autor:
http://www.hanser-literaturverlage.de/autor/martin-mosebach/
Wikipedia: Martin Mosebach

Verlagsinfo:
http://www.hanser-literaturverlage.de/buch/das-blutbuchenfest/978-3-446-24479-5/
http://www.dtv.de/buecher/das_blutbuchenfest_14441.html

Leseprobe:
http://www.fr-online.de/blob/view/26075850,24941385,data,Leseprobe_Das_Blutbuchenfest.pdf.pdf

Rezensionen:
http://www.zeit.de/2014/06/martin-mosebach-das-blutbuchenfest-roman
http://www.spiegel.de/kultur/literatur/martin-mosebach-das-blutbuchenfest-a-950974.html
http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=19011
http://www.tagesspiegel.de/kultur/martin-mosebachs-roman-das-blutbuchenfest-die-leichen-meiner-feinde-im-main/9687194.html
http://www.nzz.ch/feuilleton/buecher/putzen-gegen-den-weltuntergang-1.18250378
http://www.fr-online.de/literatur/martin-mosebach--das-blutbuchenfest--schlachten-ums-kalte-buffet-und-andere-kriege,1472266,26075742.html
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/buecher-der-woche/fragen-an-mosebachs-neuen-roman-schriftsteller-ans-telefon-12777364.html
http://www.badische-zeitung.de/literatur-1/martin-mosebachs-roman-das-blutbuchenfest--81026278.html
http://www.sezession.de/43608/martin-mosebach-das-blutbuchenfest.html