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Ein wieder aufgelegter Roman aus dem Jahre 1976, der auf Basis einer wahren Begebenheit beruht: der Hamburger Justizwachebeamte Bruno Meyer versuchte 1934 KPD-Mitglieder aus der Haft zu befreien, was misslang. Dies brachte ihm acht Jahre Haft, darunter KZ ein, im Krieg konnte Meyer zur Roten Armee desertieren und erhielt nach seiner sowjetischen Kriegsgefangenschaft schließlich in der Bundesrepublik eine Entschädigung und eine Wiedereinstellung im Polizeidienst.

Im Roman heißt Meyer Leo Kantfisch und die Befreiungsaktion gelingt zu Weihnachten 1933. Der Text selbst ist ein Panorama der politisch aktiven proletarischen Bevölkerung Hamburgs in der Zwischenkriegszeit und zu Beginn der NS-Herrschaft: SPDler, KPDler (mit und ohne Wunsch nach gewaltsamem Widerstand), Sympathisanten der Nazis (vor allem der scheinbar antikapitalistischen SA, die Hitlers Rede vor den Industriekapitalisten in Düsseldorf als Verrat ansahen).

Der Text ist streckenweise schwierig zu lesen, da er um die 50 Personen gleichberechtigt nebeneinander stellt, ein Panoptikum des Hamburger Proletariats bzw. Subproletariats liefert. Auch die lange Personenliste zu Beginn hilft nicht viel, es verwirrt, wie auch Heinrich Böll in einer zeitgenössischen Kritik feststellte.

Christian Geissler selbst war Mitglied der KPD sowie der DKP und verdiente seinen Lebensunterhalt als Dokumentarfilmer (unter anderem für den NDR) und kannte unter anderem Ulrike Meinhof persönlich. So ist dieser Roman auch als zeitgenössische Auseinandersetzung mit der Frage nach bewaffnetem Widerstand zu sehen (eines der Hauptthemen im Roman - Sozialdemokraten gegen Kommunisten/Anarchisten bzw. unterschiedliche Auffassungen in der KPD).

Der Verbrecher-Verlag hat eine Neuauflage mit sehr informativem Anhang und einem hochinteressanten Nachwort von Detlef Grumbach herausgebracht, die mir vorliegende eBook-Ausgabe ist von der Benutzerführung vorbildlich gestaltet.

Einige Infos im Spoiler

Der Autor:
http://christian-geissler.net/
Wikipedia: Christian Geissler

Infos zum Buch:
http://www.verbrecherverlag.de/buch/690 (Archiv-Version vom 10.09.2016)
http://christian-geissler.net/category/wird-zeit/ (Archiv-Version vom 13.08.2015)

Rezensionen:
http://www.deutschlandfunk.de/christian-geissler-werkschau-nuechternes-und-karges.700.de.html?dram:article_id=274869
http://www.taz.de/!5050939/
http://lowerclassmag.com/2015/05/was-geschrieben-werden-muss-iv-wann-faengt-dein-sterben-an/