Irgendwann, es muss Ende Januar dieses Jahres gewesen sein, ging ich nachts raus um Zigaretten zu holen. Dort in der Nähe, wo ich einen Automaten vermutete, liegt ein Industriegebiet, nicht allzu groß, aber doch groß genug als dass man es als solches sehen konnte. Ich hatte zuvor keine psychischen Schwierigkeiten oder sie waren mir nicht aufgefallen - Es lag in einer emotionalen Phase, die ich persönlich als 'stabil' wertete. Es war sehr kalt und ich war in Eile.
Je näher ich dem Gebiet kam, desto surrealer wurde es. Es war ca. ein Uhr nachts und es fuhr weder ein Auto, noch gab es einen Menschen, der mir entgegen kam. Ich kann nicht mehr rekonstruieren, warum ich genau diese Straße hinunter ging, immer tiefer in das Gebiet rein. In der Luft lag chemischer Geruch, Plastik und anderes, was ich nicht kategorisieren könnte und ich hörte Maschinen, die noch arbeiteten.

Mich übermannte dieses eine Gefühl, das mich schon mein Leben lang begleitet.
Müsste ich es beschreiben, dann wäre es ein vertrautes Gefühl, aber keines, das ich als positiv oder negativ sehe. Ähnlich dem eines Déjà-vus, aber ohne die Behauptung, ich hätte explizit diese Situation schon einmal erlebt. Ein Gefühl, das ich bekomme, wenn es kalt und trist wird - Sehr dissoziativ, denn in diesen Momenten weiß ich oftmals danach nicht mehr, ob das, was ich erlebt habe, real war.
Dieser Ort zog mich weiter und weiter, obwohl ich mit jedem weiteren Meter das Bedürfnis hatte zurückzurennen, bis ich mich fühlte wie ein Tier, das Gefahr witterte und seinen Fluchtinstinkt nicht mehr unterdrücken konnte.

Aufgrund meines Kopfes und seiner teils recht drängenden Fähigkeit mir das Leben zu erschweren, wenn nicht sogar zur Hölle zu machen, bin ich ein skeptischer Mensch. Zwar gestehe ich der Realität ihren winzigen Prozentteil nicht zu erklärender Dinge zu, aber ich bin mir bewusst, dass es nur dann ein nennenswertes Phänomen ist, wenn andere es in der gleichen Situation miterleben.
Aber ich war allein.
Mich ergriff Panik und ich rannte zurück, weg von dem Gebiet und nach Hause. Dort angekommen, habe ich fast nicht erkannt, wo ich war und musste einige Minuten auf dem Sofa verbringen, bevor ich mich langsam wieder an meine Wohnung gewöhnte. Ich war ängstlich und bin seitdem nie wieder in die Nähe des Gebietes gegangen.

Um zu dem Kern meines Eintrags zu gelangen, muss ich noch einmal auf das Gefühl zurückkommen. Trotz meiner Skepsis den Dingen gegenüber, die nicht erklärbar sind, gibt es einige Punkte, die dieses Gefühl in mir hervorrufen, das unverkennbar immer das gleiche ist, wenn ich es erlebe.
Die nachfolgenden stichpunktartigen Sätze können von mir nicht anders beschrieben werden.

1. Ich erlebe das Gefühl, wenn ich von eisigen Wintern höre oder sie erlebe.
2. Wenn ich russische oder chinesische Schrift (Mandarin) sehe.
3. Wenn ich schwere, schwingende Kontrabassklänge höre.
4. Wenn ich aus dem kleinen Küchenfenster meiner Mutter sehe, welches vielleicht 10% Baumkronen und 90% Himmel zeigt. Das Gefühl verstärkt sich bei tristem, grauen Wetter.
5. Wenn ich explizit russische oder chinesische Folk-Musik höre.
6. Bei sehr dichtem Nebel.
7. Bei langem Schneefall.
8. Wenn ich meditiere.

Das Gefühl erinnert mich an Dinge, die ich nie erlebt oder gesehen habe, aber es fühlt sich so an. Dass ich diesem Gefühl nicht unterstellen würde, es sei para- oder unnormalem Ursprunges, bedeutet nicht, dass es sich nicht doch danach anfühlt. Es ist, als hätte ich es schon sehr lange mitgenommen. Aber letztendlich ist es nur ein Gefühl und zum Teil eine Sehnsucht, das/die ich nicht ergründen kann.
Odessa ist davon nicht betroffen, nur mein Kern.
Das einzig makabere an diesem Gefühl, ist der Drang zu warten, bis es kalt wird und schneit um rauszugehen (In meiner Vorstellung wäre es ein verschneiter, ruhiger Wald) und sich in den Schnee zu legen, nur um dann einzuschlafen.