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Erbarmungslos
06.04.2014 um 15:20Martina rannte die Stufen zur Küche hinunter und ließ sich völlig abgehetzt auf einen Stuhl fallen. Ein Weinkrampf schüttelte sie. Nachdem sie sich beruhigt hatte, strich sie die Haare zurück und ging die Treppe wieder hinauf. Hier war alles unverändert, außer, dass ihre Mutter endlich schlief.
Erleichtert ging Martina nebenan in ihr Schlafzimmer. Sie wußte, jetzt hatte sie endlich Zeit ihr Bett zu machen, aufzuräumen, Wäsche waschen, kochen und so weiter. Aber sie mußte schnell sein. Ihre Mutter konnte jeden Moment wieder aufwachen und dann rief sie nach ihr.
Schnell brachte sie ihr Bett in Ordnung und griff dann zum Eimer, den sie schon zum Fensterputzen bereitgestellt hatte. Doch dann setzte sie sich auf ihr Bett. Nur mal fünf Minuten ausruhen wollte sie sich.
Und ihre Gedanken wanderten zurück.
Vor einem Jahr, als ihr Vater starb, nahm sie die Mutter zu sich ins Haus. Vorher hatte sie sieben Jahre Mutter und Vater in deren Haus gepflegt. Dieses eine Wort „gepflegt“, beinhaltete sieben Jahre unendliche Mühe und kein eigenes Leben. Sie hatte nun einen zweiten Haushalt zu versorgen, plus sich um ihre Eltern kümmern. Das hieß einkaufen, Mittagessen kochen, Wäsche waschen, Betten beziehen, Gardinen wechseln, Fenster putzen, abwaschen, Gartenarbeit, Strasse kehren, Zimmer wischen oder Staubsaugen, Staub wischen, und und und...
Ihr Vater konnte ja noch allein essen und sich waschen, doch ihre Mutter litt an starker Demenz und saß mittlerweile im Rollstuhl. Sie mußte also zweimal täglich gewaschen und teilweise gefüttert werden.
Sonntags fuhr Martina sie in den Park. An einer Bank machte sie Pause und konnte somit ein Weilchen abschalten. Wie schön es hier war. Birken und Eichen säumten den Weg, die Vögel sangen, die Blumen blühten und die Sonne schien warm durch die Zweige.
Jeden Sonntag zwei Stunden frische Luft und zwei Stunden Erholung, dies war Martina vergönnt. Und dann ging alles wieder von vorn los.
Ihre Freundin hatte ihr anfangs geraten, dass sie doch ihre Eltern ins Pflegeheim bringen sollte. Aber Martina hatte ihrer Mutter einmal versprechen müssen, dass sie sie niemals ins Heim gibt. Außerdem fühlte sie sich für ihre Eltern verantwortlich. Sie fühlte sich verpflichtet für ihre Eltern zu sorgen, so wie ihre Eltern für sie gesorgt hatten.
Mama, meine geliebte Mama, was ist aus dir geworden, dachte Martina. Und dann - was ist aus mir geworden? Aus Mama war Mutter geworden und ihre einstige Liebe zur Mutter schlug manchmal in Hass um. Doch nur kurze Zeit, denn dann hasste sie sich selbst. Dafür, dass sie so undankbar war.
„Martina“, hörte sie es plötzlich von nebenan rufen. Sofort sprang sie von ihrem Bett auf und lief hinüber. Ihrer Mutter liefen Tränen über die verrunzelten Wangen und sie beschwerte sich, dass die (nicht vorhandenen) Kinder schon wieder da waren und sie geärgert hätten. „Martina, lass sie nicht mehr rein, sie essen mir alles weg. Und sprich nicht so laut, hier sind überall Mikrofone. Und wer ist der Mann, der immer meine Brille versteckt“? „Beruhige dich Mama, ich bringe die Kinder raus. Komm, trink ein bißchen Saft und versuch noch zu schlafen“.
Nach einer halben Stunde stand Martina wieder in ihrem Schlafzimmer und fing an die Fenster zu putzen. Es war noch früh am Morgen, erst sieben Uhr, doch was war Zeit. Zeit spielte keine Rolle mehr in Martinas Leben. Sie dachte kaum noch darüber nach. Der Tagesablauf richtete sich nach ihrer Mutter.
„Alzheimer, schon fortgeschritten“, sagten die Ärzte. „Es gibt keine Heilung, das Gehirn schrumpft“!
Eine erbarmungslose Krankheit und auch erbarmungslose Pflege.
Wieviel kann ein Mensch ertragen, dachte Martina. Seit vier Uhr nachts, als ihre Mutter rief, war sie auf den Beinen. Sie hatte ihre Windel gewechselt, sie gewaschen, frisch angezogen, das Bett gemacht und ihr Bissen für Bissen das Frühstück in den Mund geschoben. Beim Waschen sang sie mit ihrer Mutter, was ihr offensichtlich gut tat, denn sie sang stellenweise mit. Ansonsten mußte sie rund um die Uhr ihre Phantasien anhören. Mutter lebte in ihrer eigenen Welt und ihren erfundenen Tagträumen und wurde böse, wenn Martina ihr nicht glaubte.
Martina war am Ende ihrer Kräfte. Sie hatte massive Depressionen und war ständig krank. Ihr fehlte sämtliche Kraft - körperliche und geistige. Sie wog nur noch 43kg bei einer Körpergröße von 1,70m.
„Ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr“, fing sie laut an zu schreien und sank weinend aufs Bett.
Wieviel kann ein Mensch ertragen....
Erleichtert ging Martina nebenan in ihr Schlafzimmer. Sie wußte, jetzt hatte sie endlich Zeit ihr Bett zu machen, aufzuräumen, Wäsche waschen, kochen und so weiter. Aber sie mußte schnell sein. Ihre Mutter konnte jeden Moment wieder aufwachen und dann rief sie nach ihr.
Schnell brachte sie ihr Bett in Ordnung und griff dann zum Eimer, den sie schon zum Fensterputzen bereitgestellt hatte. Doch dann setzte sie sich auf ihr Bett. Nur mal fünf Minuten ausruhen wollte sie sich.
Und ihre Gedanken wanderten zurück.
Vor einem Jahr, als ihr Vater starb, nahm sie die Mutter zu sich ins Haus. Vorher hatte sie sieben Jahre Mutter und Vater in deren Haus gepflegt. Dieses eine Wort „gepflegt“, beinhaltete sieben Jahre unendliche Mühe und kein eigenes Leben. Sie hatte nun einen zweiten Haushalt zu versorgen, plus sich um ihre Eltern kümmern. Das hieß einkaufen, Mittagessen kochen, Wäsche waschen, Betten beziehen, Gardinen wechseln, Fenster putzen, abwaschen, Gartenarbeit, Strasse kehren, Zimmer wischen oder Staubsaugen, Staub wischen, und und und...
Ihr Vater konnte ja noch allein essen und sich waschen, doch ihre Mutter litt an starker Demenz und saß mittlerweile im Rollstuhl. Sie mußte also zweimal täglich gewaschen und teilweise gefüttert werden.
Sonntags fuhr Martina sie in den Park. An einer Bank machte sie Pause und konnte somit ein Weilchen abschalten. Wie schön es hier war. Birken und Eichen säumten den Weg, die Vögel sangen, die Blumen blühten und die Sonne schien warm durch die Zweige.
Jeden Sonntag zwei Stunden frische Luft und zwei Stunden Erholung, dies war Martina vergönnt. Und dann ging alles wieder von vorn los.
Ihre Freundin hatte ihr anfangs geraten, dass sie doch ihre Eltern ins Pflegeheim bringen sollte. Aber Martina hatte ihrer Mutter einmal versprechen müssen, dass sie sie niemals ins Heim gibt. Außerdem fühlte sie sich für ihre Eltern verantwortlich. Sie fühlte sich verpflichtet für ihre Eltern zu sorgen, so wie ihre Eltern für sie gesorgt hatten.
Mama, meine geliebte Mama, was ist aus dir geworden, dachte Martina. Und dann - was ist aus mir geworden? Aus Mama war Mutter geworden und ihre einstige Liebe zur Mutter schlug manchmal in Hass um. Doch nur kurze Zeit, denn dann hasste sie sich selbst. Dafür, dass sie so undankbar war.
„Martina“, hörte sie es plötzlich von nebenan rufen. Sofort sprang sie von ihrem Bett auf und lief hinüber. Ihrer Mutter liefen Tränen über die verrunzelten Wangen und sie beschwerte sich, dass die (nicht vorhandenen) Kinder schon wieder da waren und sie geärgert hätten. „Martina, lass sie nicht mehr rein, sie essen mir alles weg. Und sprich nicht so laut, hier sind überall Mikrofone. Und wer ist der Mann, der immer meine Brille versteckt“? „Beruhige dich Mama, ich bringe die Kinder raus. Komm, trink ein bißchen Saft und versuch noch zu schlafen“.
Nach einer halben Stunde stand Martina wieder in ihrem Schlafzimmer und fing an die Fenster zu putzen. Es war noch früh am Morgen, erst sieben Uhr, doch was war Zeit. Zeit spielte keine Rolle mehr in Martinas Leben. Sie dachte kaum noch darüber nach. Der Tagesablauf richtete sich nach ihrer Mutter.
„Alzheimer, schon fortgeschritten“, sagten die Ärzte. „Es gibt keine Heilung, das Gehirn schrumpft“!
Eine erbarmungslose Krankheit und auch erbarmungslose Pflege.
Wieviel kann ein Mensch ertragen, dachte Martina. Seit vier Uhr nachts, als ihre Mutter rief, war sie auf den Beinen. Sie hatte ihre Windel gewechselt, sie gewaschen, frisch angezogen, das Bett gemacht und ihr Bissen für Bissen das Frühstück in den Mund geschoben. Beim Waschen sang sie mit ihrer Mutter, was ihr offensichtlich gut tat, denn sie sang stellenweise mit. Ansonsten mußte sie rund um die Uhr ihre Phantasien anhören. Mutter lebte in ihrer eigenen Welt und ihren erfundenen Tagträumen und wurde böse, wenn Martina ihr nicht glaubte.
Martina war am Ende ihrer Kräfte. Sie hatte massive Depressionen und war ständig krank. Ihr fehlte sämtliche Kraft - körperliche und geistige. Sie wog nur noch 43kg bei einer Körpergröße von 1,70m.
„Ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr“, fing sie laut an zu schreien und sank weinend aufs Bett.
Wieviel kann ein Mensch ertragen....