Der Geist

Stell dir vor, du liegst auf einer Sommerwiese. Nachts. Schaust in den Sternenhimmel. Schickst deinen Geist, deine Gedanken auf die Reise. Eine Reise in´s Universum. Vorbei an unserer Sonne, fort von unserem System, hinein in unsere Milchstraße, hindurch, weiter, weiter. Dann findest du eines Tages in einer anderen Galaxis eine Sonne, der unseren ähnlich, aber viel, viel älter. Einer ihrer Planeten muss einmal unserer Erde geglichen haben. Seine Bewohner sind soweit entwickelt, daß sie keine Körper mehr brauchen. Sie sind nur noch Geist. Vergeistigt also. Es ist wunderbar anzuschauen, wenn sie als geistige Energiekugeln über das Land schweben. Häuser brauchen sie keine. Sie können sich zu einem Stecknadelkopf und kleiner zusammenziehen und unter einem Blatt übernachten. Sie können sich aber auch ausdehnen, daß sie bis zum nächsten Stern reichen. Auf diese Weise reisen sie durch das Weltall.

Wie herrlich und wundervoll, wirst du denken. Aber dem ist nicht so. – Ohne Körper, verstehe, gibt es keine Nachkommen. Ohne Körper, nur als Energie, Geist, kennen sie aber auch keinen Tod. Herrlich? Oh ja! Aber in der Ewigkeit, wenn du dir die Ewigkeit einmal richtig vorstellst, also in der Ewigkeit lauert die Langeweile! Der Überdruss! Das nicht mehr wollen, der Selbstmord! Als dieses Stadium erreicht war und viele des Volkes ihren Geist aufgaben, kamen die Weisen zusammen und berieten sich lange. Jahrtausende! Dann endlich stand das Ergebnis der langen Überlegungen fest: Ihrem Volk war nicht anders zu helfen, als ganz neu anzufangen und sich wieder zu verkörpern. Es dauerte lange, bis alle damit einverstanden waren. Dann begannen die Überlegungen, wie man nun wieder zu Körpern kam. Schließlich schickten sie Sucher, Späher oder wie ich sie nennen soll, in alle Richtungen des Universums.

Nach langer, langer Zeit entdeckten sie unsere Milchstraße, unsere Sonne, die ihrer alten Sonne ähnlich war und unseren Planeten. Da die Verwandtschaft der Sonne, der Erde, mit ihrem Heimatstern groß war, waren auch die Tiere für ihre Zwecke brauchbar. Sie überlegten lange, für welche Spezies sie sich entscheiden sollten. Dann waren es zweibeinige, aufrechtgehende. Leider hatten sie schon etwas Intelligenz entwickelt. Und sie waren sterblich! Die Unsterblichkeit wollte man auf keinen Fall aufgeben. Viele Jahrhunderte wurde überlegt und beratschlagt, was am besten zu tun sei. Nach vielen Versuchen war man mit dem Ergebnis zufrieden. Die Geister benutzten die Tiere, die sie „Menschen“ nannten, nur vorübergehend. Sie schlüpften in das Embryo und verließen den Körper wieder wenn er starb. Dann waren sie wieder frei, bis sie die nächste Lebenslust überkam. Wenn die alte, menschliche (tierische) Intelligenz durchkam, nannten sie es Instinkt. Manche Geister waren nicht fest genug im Körper verankert und es kam in Stresssituationen vor, daß sie versehentlich aus dem Körper schwebten. Sie befestigten ihren Geist nun doch ein ganz klein wenig mehr an der Materie. Sollte es nun doch wieder passieren, so konnten sie sich an der Silberschnur wieder in den Körper ziehen. Im Laufe von Millionen Jahren vergaßen sie ihre Herkunft. Sie vergaßen sogar, daß sie unsterblich waren. Nur einige, ganz wenige, behielten eine Ahnung davon. Erst wurden sie „die Weisen“ genannt, später „die Spinner“. In der heutigen Zeit sind es die einsamsten Menschen, die man sich vorstellen kann.