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Aus der Kiste auf unserem Dachboden

3 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Wahnsinn, Das Grauen, the horror ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
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Aus der Kiste auf unserem Dachboden

18.02.2011 um 00:53
Lieber Schattenmann,

auf Anraten meines Doktors habe ich mich dazu erniedrigt einen Brief zu verfassen. Die Idee ist in meinen Augen so schlecht, wie mein seelischer Zustand in den Augen meines hochgeschätzten Arztes. Er behauptet du existierst als Resultat meiner Schlafstörung. In Wahrheit verhält es sich doch aber so, dass die Schlafstörung aus deiner Existenz resultiert. Wie auch immer. Mein nächtlicher Feind, du Seelensäufer, was soll ich dir groß sagen? Ich weiß ja nicht, ob du überhaupt hören kannst. Geschweige denn lesen. Ich weiß auch nicht was ich mit diesem Brief machen soll. Ich weiß nur, dass du meine Gedanken kennst, also auch, was ich jetzt niederschreibe. Ich weiß es nur zu gut. Du flüsterst mir leise meine eigenen Gedanken ins Ohr. Wenn die Welt schläft und die schwere Stille der Nacht kommt. Deine Flüsterworte sind wie eine bedrohliche Stille. Gedanken ohne Substanz. Ein einzelner Atemhauch verloren im Nichts. Du verfluchter Nebelläufer.

Nun gut. Ich weiß noch wie es anfing:
Mir ging es relativ gut. Ich hatte einen Schlaf wie ein König. Sagt man das so? Ich war solange nicht mehr unter Menschen, dass es mir schwer fällt mir sicher zu sein was Redewendungen angeht. Ich merke auch, dass etwas in meinem Kopf nicht stimmt. Oder in meiner Seele? Ich schweife ab. Der Arzt sagt, dass liegt an meiner Geisteskrankheit. Damit begründet er alles. Eigentlich ganz praktisch einen Sündenbock zu haben für alles Schlechte und Böse und Falsche. Und für dich. Eine Geisteskrankheit wäre schön. Schön, wenn es dich nicht gäbe. Um zum Ursprung meines Briefes und meiner furchtbaren Situation zurückzukommen: Ich war ein bisschen überspannt. Ich hatte einige trübselige Gedanken. Ich wusste nichts mit mir anzufangen. Aber ich hatte keine Schlafstörungen. Die hast du erst verursacht. Du weißt ja auch noch wie es war. Du hast mich wahrscheinlich eine zeitlange beobachtet. Von meinem Balkon aus. Dir meine Verhaltensweisen eingeprägt. Und daraus dann ein Bild meiner Seele erstellt. Du saßt vermutlich kichernd im Schatten, den die mondbeleuchtete Brüstung auf die kalten Steinplatten warf, und plantest deine Worte gründlich. Ich trat aus meinem Zimmer zu dir hinaus. Wäre ich nur drin geblieben. Aber in meinem Zimmer war es heiß und mein Herz verlangte nach einem Freiheitsgefühl, das mir der Balkon vermittelte, bevor er von dir okkupiert und verdreckt wurde. Das werde ich dir nie vergeben. Meinen heiligen Ort hast du geschändet.

Ich trat hinaus und du in mich hinein. Ich war so überrascht, als ich sah, wie deine Schattengestalt sich vom übrigen Schattenmeer, wie grauer Rauch erhob, dass ich nicht fliehen konnte. Und schon warst du ganz nah bei meinem Ohr. Und schon redeteste du auf mich ein. Furchtbare Dinge. Dinge, die ich niemals denken würde. Traurige, schaurige, verstörende, wahnsinnige Dinge. Und dann sagtest du, dass ich mir all das ausgedacht habe. In der Nähe der gefährlichen Brüstung erzählst du mir sowas. Und schon warst du weg. Die Nacht war die Hölle. Ich lag schwitzend im Bett. Die Decke erdrückte mich, meine Gedanken rasten. Panik erfasste mein Herz. Die Schatten an den Wänden erinnerten mich an dich. Sie tanzten einen teuflischen Flackertanz zum Takt meines klopfenden Herzens.

Als die Sonne ihr Licht wieder über die Welt ergoss, hatte ich kein Auge zugemacht. Aber mit der Sonne kam wieder Fröhlichkeit. Unter Menschen gehen machte Spaß. Und du warst fast vergessen, obwohl natürlich eine kleine Ecke in meinem Kopf nur mit dir beschäftigt war. Und dann als es dunkel wurde und ich beschloss nicht auf den Balkon zu gehen, warst du plötzlich da. In meinem Zimmer. Und wieder erschrak ich und du fingst sofort an mir Dinge zu erzählen, die sich kein Mensch vorstellen kann. Von da an kamst du jede Nacht. Und wenn du erzählt hattest, dachte ich stets, wenn der Typ morgen kommt kann er unmöglich noch schlimmere Dinge erzählen. Und ich lag jedes Mal falsch. Die Nacht wurde zu meinem Feind. Zum einem gefürchteten Gegner.

Dann eines Tages sah ich dich nachts im Spiegel. Ich schlug mit meinen Fäusten auf dich ein. Meine Hände hatte ich verletzt und du warst immer noch da. Ich weiß nicht was ich tun muss, damit du gehst. Jedenfalls werde ich nicht auf dich hören. Nach dieser Spiegelzertrümmergeschichte kam ich erst ins Krankenhaus. Und irgendwie fanden die mich wohl merkwürdig. Vermutlich hast du ihnen das eingeredet, Herr der Lügen. Und dann kam ich hierher. Zum hochgeschätzten Doktor Prinzhorn. Und der sagt, dass es dich nicht gibt. Dass du aus meiner Schlafstörung stammst. Oder aus meinem Kopf. Ich glaube du stammst nicht von dort. Ich glaube du stammst aus einem tiefen, dunklen Sumpf, der aus den Bösen Taten aller Menschen besteht. Und wie solltest du verschwinden, wenn nicht alle Menschen gut werden. Du bist das ewig Böse. Solange es Menschen gibt.

Abschiedsformel
David


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Aus der Kiste auf unserem Dachboden

03.03.2011 um 13:36
Wow :o
Das ist wirklich gut.


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Aus der Kiste auf unserem Dachboden

03.03.2011 um 21:54
Es freut mich, dass es dir gefällt.


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