was weiß denn schon der mensch?
15.03.2012 um 23:50
Irgendwann im Jahre Siebzehnhundertirgendwann stellte sich ein englischer Landlord eine verblüffend einfache Frage: Warum gibt es Berge?
Hintergrund dieser Frage ist eine simple Erfahrung, die sicherlich jeder bestätigen kann: Dinge rollen den Berg hinunter. Wenn Dinge den Berg herunterrollen, sollte nicht nur nichts oben liegen - nein, die Dinger sollten eigentlich flach sein. Jedenfalls, wenn man der damals vorherrschenden These anhing, das Gott die Erde vor ein paar tausend Jahren so geschaffen habe, wie sie war, unveränderlich mit allem drum und dran. Denn das es Erosion gibt, also Bergspitzen abgetragen werden, daran wird sicherlich keiner zweifeln. Die Geschwindigkeit ist vergleisweise rasant. Im Grunde genommen dürfte es kleinere Hügel gar nicht mehr geben; höchstens noch Granitgebirge. Oder aber die kleinen Hügel mussten eins riesige Berge gewesen sein. Nun wusste besagter Lord aber aus historischen Schriften, das dies schlicht nicht der Fall war. Das Fazit für ihn lautete, das Berge wachsen.
Darüber wurde seinerzeit viel geschmunzelt. Den Lachern von damals ist altersbedingt das Lachen vergangen, aber würden sie heute noch Leben, hätten sie auch wenig zu lachen (wenigstens in Bezug auf wachsende Berge). Denn mittlerweile kennen wir das Prinzip der Plattentektonik. Es lacht kaum noch jemand, höchstens Leute, die möglicherweise Enkel der Lacher von damals sind oder aber solche, die alternative Thesen haben (wie bspw. die, das die Erde wächst, aber das ist ein anderes Thema). Wir können mit modernen Methoden ganz eindeutig nachweisen, das Berge wachsen. Vor allem aber können wir sehen, das Kontinente driften. Leute, die über derartiges gelacht haben dürften heute noch unter uns weilen, denn die Theorie der Plattentektonik wurde erst irgendwann in den 60er bis 70er Jahren weithin anerkannt.
Nun gut... Berge wachsen und Kontinente wandern. Bis dahin nichts besonders, ersteres machen Kinder ganz automatisch, letzteres ist eher Opas Revier. Die Frage lautet nun - wo ist der Knackpunkt? Und worum ging es eigentlich? Ach ja, Evolution!
Akzeptieren wir also der Einfachheit halber mal, das Berge wachsen und sich Kontinente bewegen. Akzeptieren wir weiterhin, das sie das mit einer bestimmten Geschwindigkeit machen. Tun wir das, können wir nicht nur das aussehen der Erde in der Zukunft bestimmen, sondern vor allem das aussehen der Erde in der Vergangenheit!
Ärgerlicherweise müssen wir jetzt kurz die fröhlich wachsenden Gebirge und herumschlendernden Kontinente verlassen und uns Zoologen zuwenden. Und zwar Zoologen weit in der Vergangenheit. Zoologen, die arbeiteten, noch bevor Darwins "Entstehung der Arten" veröffentlich worden ist. Damals gab es noch keine DNA Tests. Das war ziemlich blöd für die Zoologen, denn so hatten sie keine wirklich gute Möglichkeit, Tiere und Pflanzen zu erfassen und zu kategorisieren. Dabei ist das etwas, woran Menschen im allgemeinen und Wissenschaftler im besonderen und Briefmarkensammler und Zoologen im speziellen besonders gerne machen. Man wollte damals nicht auf die Entdeckung der DNA warten, als nutze man sogenannte Taxometrische Verfahren zur Kategorisierung von Tieren. Das Wort "Taxometrisch" klingt ziemlich kompliziert - was verdächtig ist. Vermutlich klang "wir gucken, was irgendwie wie etwas aussieht, was wir von anderswo her kennen und vergleichen das" nicht gut genug. Ich schätze, das ein Haufen Herren in dunklen Anzügen mit langen, weißen Bärten eine ganze Weile in ethymologischen Wörterbüchern gesucht haben, bis sie sich für "taxometrisches Verfahren" entschieden haben.
Nachdem die besagten Herren also ein hübsches Wort gefunden hatten, taxometrierten sie die Tierwelt. Und dabei viel ihnen etwas auf: Tiere sind sich verdammt ähnlich. Das erscheint auf den ersten Blick offensichtlich, aber der Teil, der sich ähnelt, ist eigentlich der Teil, den man heutzutage eher nicht sieht, da er im inneren der Tiere liegt: Das Skelett. Man konnte die Skelette ganz unterschiedlicher Tiere in einer Reihe hintereinander legen und stellte fest, das es nur minimale Abweichungen gab. Es wirkte so, als ob zwei Arten kaum Unterschiede aufwiesen. Eine dritte kaum Unterschiede zur zweiten, eine vierte kaum Unterschiede zur dritten usw. Verglich man jedoch den Anfang und das Ende der Kette, waren die Unterschiede ganz erstaunlich.
Nun gibt es ja in jedem Bereich Sonderlinge, so auch bei den Zoologen der damaligen Zeit. Was, wenn man Worte wie "Taxometrie" betrachtet, schon erstaunlich ist. Es handelte sich sozusagen um die Sonderlinge der Sonderlinge. Diese sehr speziellen Menschen hatten einen Faible für Monster - eine der vielen Bezeichnungen, die es für Knochen von Tieren gab, die es gar nicht gab. Man fand sehr erstaunliche Knochen, die zu überhaupt nichts passten, was irgendwo oder irgendwann einmal gesehen worden war. Natürlich war es nur eine Frage der Zeit, bis einmal jemand auf die Idee kam, Knochen dieser Wundertiere mit den Knochen normaler Tiere zu vergleichen. Tja, und tatsächlich stellte sich heraus, das es Übereinstimmungen gab.
Und jetzt kommt der verblüffende Teil. Nämlich der Zusammenhang mit herumwandernden Kontinenten und sonderlichen Sonderlingen und ihrer Taxometrie.
Wenn man beispielsweise die Küstenlinie von Südamerika mit der Küstenlinie von Afrika vergleicht, stellt man fest, das die beiden wie ein Puzzlestück zusammenpassen. Bedenkt man, das Kontinente sich bewegen und wenn man weiß, wie schnell sie das tun, dann weiß man auch, wie lange es her ist, das sie einmal zusammenhingen.
Vergleicht man nun einen entfernten, ausgestorbenen Verwandten eines heute lebenden Tieres - ein Monster, oder vielleicht besser, einen Dinosaurier - mit heutigen Tieren, so geht es Zoologen ähnlich: Man sieht, das sie irgendwie zusammengehören. Ich schätze, die Knochenpuzzler haben vor hunderten von Jahren wirklich mal derartige Reihen gelegt und sich gewundert.
Nehmen wir doch mal an, das man - zumindest für die Gesamtheit aller Tiere - davon ausgeht, das auch diese Veränderungen in einer bestimmten Geschwindigkeit vonstatten gehen. Dann müsste man zumindest ganz grob vorhersagen können, wie ein Tier einmal ausgesehen hat. Oder, wenn man das Tier hat, wie alt es ist. Von da ist es nur noch ein kleiner Sprung zu den wandernden Kontinenten. Denn da wissen wir ziemlich sicher, wie lange sie unterwegs sind. Betrachtet man nun Knochenfunde an den Bruchstellen, die so alt sind wie die Bruchstellen, müsste man darauf schließen können, wie entfernte, heutige Verwandte aussehen.
Im Umkehrschluss müsste man sogar vorhersagen können, wo man welche Knochen zu erwarten hat. Es müsste möglich sein, auf Basis des Alters solcher Knochen auf ihren Fundort zu schließen, oder umgekehrt, von ihrem Fundort auf das Alter. Tatsächlich müsste es sogar in gewissem Rahmen möglich sein, zu sagen, wie ein Vorfahre einer Spezies aussieht und wo man ihn findet - BEVOR man ihn gefunden hat. Und genau das haben ziemlich sonderliche Sonderlinge in der Neuzeit dann auch geschafft. Nun gut, die hatten auch nicht nur dunkle Anzüge, weiße Bärte und ethymologische Wörterbücher zur Verfügung, sondern McDonalds, radiometrische Untersuchungsverfahren und Satellitentelefone.
Tatsache ist aber, das eine der wichtigsten Grundlagen zur Ermessung, wie standsicher eine Theorie ist, die Fähigkeit zur Vorhersage ist. Und natürlich, inwieweit sich die Theorie im Rahmen interdisziplinärer Forschung bestätigt. Und was das angeht, ist die Evolutionstheorie nun mal die am besten erforschte Theorie überhaupt. Die Plattentektonik ist neben der Radiometrie eine von sehr, sehr vielen Feldern, die mit der Evolutionstheorie konform geht. Rüttelt man am einem, wackelt auch das andere. Das ist natürlich nicht grundsätzlich schlecht. Der Haken ist nur, das es noch niemanden gelungen ist, eine auch nur halbwegs plausible Erklärung anzubieten, die auch nur im Ansatz so gut erklärt, warum wir das sehen, was wir nun mal sehen, wie die Evolutionstheorie. Dasselbe gilt für locker ein gutes Dutzend anderer Theorien, eher mehr, ich bin gerade zu faul zum zählen - vielleicht findet sich ja ein Sonderling, der das tut, oder sogar ein sonderbarer Sonderling, der die entsprechenden Wissenschaften für uns taxiert. Gut möglich, das gleich ein aufschlägt. Das hier ist immerhin Allmy :)