Elias A. Zerhouni, mächtigster ARzt der Welt
19.03.2007 um 18:22
Elias Zerhouni im Interview: „Weniger Krebstote. Das hat es nie zuvor gegeben“
Dermächtigste Arzt der Welt über den möglichen Sieg über Krebs, Diabetes und Herzleiden
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EliasZerhouni, Direktor der National Institutes of Health (NIH), der mit Abstand größtenmedizinischen Forschungseinrichtung der Welt, über die völlig neue Sicht von Krankheitenund den möglichen Sieg über Herzleiden, Diabetes, Krebs, Alzheimer und Fettsucht.
profil: Dr. Zerhouni, manche Wissenschafter sagen, wir stünden am Beginn einerbiomedizinischen Revolution, welche die Medizin und unser Leben verändern wird.
Zerhouni: Ich würde noch weiter gehen. Dieses Jahrhundert ist das Jahrhundert derLife Sciences, so wie das vergangene Jahrhundert das Jahrhundert der Physik war. UnserLeben hat sich verändert, weil wir den Computer, den elektronischen Chip und völlig neueProduktionsmethoden entwickelt haben. Mit dem weiteren Fortschritt wird uns bewusst, dassdie gesellschaftlichen Herausforderungen mit der menschlichen Gesundheit und ihrenweltweiten Kosten zusammenhängen, mit Fragen der Umwelt und mit unserem Verhältnis zurUmwelt. All diese Probleme können durch ein besseres Verständnis der Wissenschaften vomLeben gelöst werden. Wir leben in einer äußerst innovativen Zeit im Bereich derbiomedizinischen Forschung und der Life Sciences generell.
profil: Könnte es sein,dass sich unsere Fähigkeit, Krankheiten zu behandeln, schon in den kommenden Jahrenderart tief greifend verändern wird, dass viele Krankheiten in 30 Jahren kein Problemmehr darstellen werden? Oder ist das noch Science-Fiction?
Zerhouni: Nein, das istkeine Science-Fiction. Ich könnte Ihnen anhand vieler Beispiele zeigen, dass das bereitspassiert. Vor 30 Jahren haben wir uns mit Krankheiten erst beschäftigt, wenn jemandbereits schwer davon betroffen war. So wurde Krebs erst spät entdeckt, sodass die meistenKrebspatienten innerhalb kurzer Zeit starben. Wer einen Herzinfarkt erlitt, starbinnerhalb einer Stunde. Wir sind draufgekommen, dass hohe Cholesterinwerte undBluthochdruck schädlich sind, daher haben wir Medikamente dagegen entwickelt. Jetzt, aufder nächsten Stufe, fragen wir uns, warum zehn bis 20 Prozent von uns eine bestimmteKrankheit entwickeln. Ist es die genetische Ausstattung, die Umwelt …
profil: … oderder Lebensstil?
Zerhouni: Eine Kombination von all dem. Jetzt wissen wir genug, umeine Krankheit nicht erst zu behandeln, wenn jemand wirklich krank ist. Wir müsseneingreifen, lange bevor jemand krank wird. Und wir müssen den Einfluss der heuteauftretenden chronischen Krankheiten zurückdrängen oder eliminieren.
profil: Welcherchronischen Krankheiten?
Zerhouni: In den USA zum Beispiel sind wir über die um sichgreifende Fettleibigkeit sehr beunruhigt. Denn die Fettsucht steht in Verbindung mit demAuftreten von Herzerkrankungen und Diabetes. Wir sind extrem beunruhigt über diezunehmende Fettleibigkeit bei Kindern. Denn diese Kinder werden früh in ihrem LebenDiabetes und Herzkrankheiten entwickeln und daher früher sterben.
profil: Was kannman dagegen tun? Anreize für eine Lebensstiländerung schaffen?
Zerhouni: Das ist eineder fundamentalsten Fragen, mit denen die heutige Gesellschaft konfrontiert ist. Diemoderne Gesellschaft wird nicht so sehr von Krankheiten wie Aids betroffen sein, sondernvon chronischen Krankheiten, Fettleibigkeit ist nur eine davon. Fettsucht ist aber nichtbloß ein medizinisches, sondern ein komplexes sozioökonomisches Problem.
profil:Inwiefern?
Zerhouni: Wir sitzen viel im Auto, jedes Gebäude hat einen Lift. Wir habenim NIH ein eigenes Strategieprogramm für die Fettsuchtforschung gestartet. Unsere Studienzeigen, dass unsere Maßnahmen sehr früh in der Kindheit ansetzen müssen. Aber dasGesundheitssystem allein wird es nicht schaffen. Es bedarf politischer Entscheidungen,Veränderungen in der Umwelt und in der Art, wie die Gesellschaft Vorteile desFortschritts wie Transport, Nahrung oder gesundes Leben sieht. Eine unserer Studien zeigtzum Beispiel: Wenn die Lifte in unseren Gebäuden, mit Ausnahme von Behindertenaufzügen,erst im dritten Stock beginnen würden und man bis dorthin zu Fuß laufen müsste, würdesich das Problem der Fettleibigkeit allein dadurch um 25 Prozent verringern.
profil:Aber was kann die Medizin tun?
Zerhouni: Der Fehler, den die Menschen machen, ist zuglauben, dass sie erfolglos sind, wenn sie nicht ihr Normalgewicht erreichen. Daher habenwir uns mit der Frage beschäftigt, wie viel Gewicht man verlieren muss, um wieder in dengesunden Bereich zu kommen. Es ist gar nicht so viel. Eine Gewichtsreduktion von fünf,sechs Kilogramm genügt zumeist schon, um das Diabetesrisiko um 80 Prozent zu senken.
profil: … aber ohne Bewegung wird das wohl nicht gehen?
Zerhouni: Klar, Bewegung,weniger Kalorien und ein verhältnismäßig geringer Gewichtsverlust. Aber das verstehen dieMenschen nicht. Sie geben auf und sagen: Ich kann mein Normalgewicht nicht erreichen. Fürden Einzelnen ist die Verhaltensänderung schwer zu erreichen, so etwas geht nur in derGruppe. Daher brauchen wir eine neue soziale Umwelt.
profil: Sollte es für dieVerhaltensänderung Anreize geben?
Zerhouni: Ja, wir müssen eher in RichtungGesundheit und nicht in Richtung Krankheit marschieren. Die Medizin kann dabei helfen,Komplikationen zu verhindern, sie kann dafür die wissenschaftlichen Grundlagen liefern,aber ohne die richtigen politischen, ökonomischen, sozialen und Versicherungsanreize wirdes schwer, das Problem zu lösen.
profil: Die größten Killer in den hochentwickeltenLändern sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Wird die Biomedizin imstande sein,diese Leiden so zu bekämpfen, dass sie nicht mehr zum Tod führen?
Zerhouni: Dasgeschieht bereits. Die Mortalitätsrate bei Herzerkrankungen und Schlaganfall istzumindest in den USA um beinahe 60, 70 Prozent gesunken.
profil: Allein durchmedizinische Interventionen?
Zerhouni: Medizinische Intervention, mit dem Rauchenaufhören, Diät, Bewegung, all das. Einen wichtigen Einfluss haben Medikamente zurKontrolle des Blutdrucks und des Cholesterinspiegels. Das funktioniert. Außerdem forschenwir intensiv, um zu verstehen, was am Anfang des Krankheitsprozesses geschieht. Wirwissen, dass Herzerkrankungen möglicherweise mit Entzündungsprozessen in einer frühenLebensphase zusammenhängen. Wir wissen nur noch nicht, warum. Liegt es an derNahrungszusammensetzung, oder sind es andere Gründe? Sobald wir die genaue Ursachegefunden haben, werden wir imstande sein, Herzerkrankungen zu verhindern. Und wir machendabei große Fortschritte.
profil: Und welche Fortschritte machen Sie bei Krebs?
Zerhouni: In den USA zum Beispiel sinkt die Gesamtzahl der Krebstoten seit zweiJahren, obwohl die Bevölkerung gewachsen und älter geworden ist. Das ist einzigartig, dashat es nie zuvor gegeben, seit wir darüber Aufzeichnungen führen.
profil: Aufgrundbesserer Medikamente?
Zerhouni: Aufgrund mehrerer Dinge. Erstens hat dieRaucherentwöhnung die Lungenkrebsrate gesenkt, das ist vielleicht der wichtigste Punkt.Das Zweite sind frühzeitige Gesundheits-Checks. Wir wissen, dass die rechtzeitigeEntfernung von Darmpolypen Dickdarmkrebs verhindert. Durch regelmäßige Checks ist dieDarmkrebsrate um etwa 50, 60 Prozent zurückgegangen. Wir machen bei diesen Krebsartengroße Fortschritte. Heute überleben 65 Prozent der Krebspatienten ihre Krankheitmindestens fünf Jahre, vor 30 Jahren waren es 23 Prozent.
profil: Es kommt wohl auchauf die Krebsart an?
Zerhouni: Gewiss. Der einzige wirkliche Fortschritt beimLungenkrebs ist auf die Raucherentwöhnung zurückzuführen. Aber wir machen großeFortschritte in der Krebsbehandlung. Die heutigen Thera- pien sind weniger giftig alsfrüher, und die Leute überleben länger. Aber bei bestimmten Krebsarten, wie demBauchspeicheldrüsen- oder dem Lungenkrebs, sind wir medizinisch nicht vielweitergekommen. Was können wir tun? Wir machen Fortschritte bei der intensivenErforschung der Frage, was eine Zelle zur Krebszelle macht.
profil: Sie erforschendas so genannte Microenvironment, also die mikroskopische Welt in der und rund um dieKrebszelle?
Zerhouni: Ja, und da gibt es eine neue Theorie, die besagt, dass Krebsmöglicherweise durch Stammzellen verursacht wird. Wir nähern uns diesen Fragen ausverschiedenen Richtungen. So haben wir etwa das Krebs-Genom-Projekt gestartet. Wir suchennach genetischen Mutationen, welche zur Krebsentstehung führen, oder nach den Ursachen,warum bestimmte Gene an- oder abgeschaltet werden.
profil: Das heißt, Sie suchennach jenen Veränderungen, welche die Krebszelle ausmachen?
Zerhouni: Genau, weil eineKrebszelle von einer Vielzahl von DNA-Abnormalitäten gekennzeichnet ist. Die Frage ist:Welche davon sind ausschlaggebend? Wir wissen es nicht. Daher haben wir uns einebestimmte Krebsart in verschiedenen Individuen angeschaut und gefragt, welcher gebrocheneTeil des DNA-Strangs taucht in allen Individuen gleichermaßen auf. Auf diese Art findenwir neue genetische Pfade, die uns beispielsweise Hinweise darauf geben, warum der Krebswächst oder warum er Metastasen bildet.
profil: Und wenn Sie das einmal verstehen,was können Sie dann tun?
Zerhouni: Sehr gezielte Therapien entwickeln. Das geht nichtüber Nacht, aber wenn ich mir zum Beispiel zehn mutierte Gene derselben Brustkrebsartansehe und weiß, welche zwei davon wichtig sind, weil sie bei all diesen Tumorenauftreten, muss ich genau diese zwei Gene attackieren. Wir sind dabei, derartige Dingeherauszufinden. So haben beispielsweise zwei Forschergruppen, eine in den Niederlandenund eine in den USA, mithilfe eines Genchips 250 Brustkrebsgene untersucht und dabeiherausgefunden, dass, wenn 16 dieser Gene eine bestimmte Charakteristik aufweisen, diebetreffenden Patientinnen keine Chemotherapie benötigen. Das ist ein bedeutenderFortschritt, denn bisher wurden alle Brustkrebspatientinnen in den USA mit Chemotherapiebehandelt.
profil: Und wie lange wird es dauern, bis diese Entdeckung klinischumgesetzt wird?